»Final Destination«: Wenn der Tod die Hauptrolle spielt

Keine Freaks, nur »Freak Accidents« – die »Final Destination«-Reihe führt lehrbuchhaft vor, wie Horrorfilme funktionieren

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 4 Min.
Das ist der blanke Horror. Jacqueline MacInnes Wood als Olivia in »Final Destination 5«
Das ist der blanke Horror. Jacqueline MacInnes Wood als Olivia in »Final Destination 5«

Der klassische Blockbuster – ob romantische Komödie oder Katastrophenfilm – zielt darauf ab, Empathie zu erzeugen. Die Kinobesucher sollen mitfühlen, wenn auf der Leinwand geliebt und gelitten wird. Dies gelingt, indem man Akteure präsentiert, die den entscheidenden Tick interessanter sind als jene Gesichter, die einem täglich auf der Straße begegnen.

Selbst ein Tom Hanks, von dem gern behauptet wird, er sei die Verkörperung des Durchschnittstypen, verfügt über jenes gewisse Etwas, das ihn herausragen lässt. Sein Charisma mag weniger offensichtlich sein als das eines Leonardo DiCaprio, aber doch gelingt es ihm, die Zuschauer für sich einzunehmen.

Ja, sogar der typische Arthausfilm funktioniert nach diesem Muster. Zwar erlauben es sich Independent-Regisseure Menschen zu zeigen, die »schräger« sind und weniger konventionelle Leben führen als das Personal in einem Hollywoodstreifen, doch auch hier geht es darum, dass uns das Schicksal der Protagonisten berühren und bewegen soll.

Genau das kann sich ein Horrorfilm nicht erlauben. Empathie würde dazu führen, dass wir die in der Regel bestialischen Morde nicht ertragen könnten. Eine Julia Roberts, die von einem Psychopathen mit Kettensäge zerteilt wird – undenkbar! Es würde unser Weltbild zerstören. Ein Horrorfilm baut auf der Prämisse auf, dass uns das Los der Akteure herzlich egal ist.

Dies aber kann nur gelingen, indem man die Leinwand mit Leuten bevölkert, die sich charaktermäßig zwischen »nichtssagend« und »abstoßend« bewegen. Es müssen unbekannte Darsteller sein. Schauspieler der zweiten, noch besser, dritten Reihe. Gesichter, die wir nicht mit Filmen verbinden, die Katharsis-Gefühle Marke »Titanic« in uns ausgelöst haben. Es müssen Wesen sein, deren Tod uns emotional nicht berührt.

Nicht nur in dieser Hinsicht machen die Macher der Filmreihe »Final Destination« alles richtig. Zwischen 2000 und 2011 ließen sie ihre Akteure fünfmal ins Messer (oder in andere scharfkantige Utensilien) laufen. Der sechste Teil soll 2025 erscheinen.

Der Aufbau der Geschichten ist dabei ebenso einfach wie – Achtung, Wortspiel! – todsicher. Einer der Protagonisten, der sich gerade auf einem Flugplatz, einem Highway, einer Achterbahn oder einer Brückenbaustelle befindet, hat eine Vision: Das Flugzeug stürzt ab, auf dem Highway kommt es zu einer Massenkarambolage, die Achterbahn entgleist, oder die Brücke stürzt ein. Zwar kann der Hellseher die Katastrophe nicht abwenden, aber es gelingt ihm, einige Menschen zur rettenden Umkehr zu bewegen.

Doch die Überlebenden haben nicht lang Freude daran, dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein. Denn dieser lässt sich nicht betrügen. Es bereitet ihm offenkundig Vergnügen, die Todgeweihten durch »Freak Accidents« (absurde Unfälle) aus dem Leben zu reißen. Derart grotesk sieht man Menschen selten in Filmen sterben. Die Dialoge mögen 08/15 sein, aber in den Todesarten drückt sich eine unbändige Fantasie aus. Man spürt, wie viel Spaß die Filmemacher daran hatten, sich originelle Wege ins Jenseits auszudenken. Da werden perfide Kettenreaktionen inszeniert, die selbst ein genreerfahrenes Publikum zu überraschen vermögen (ich sage nur: Turnszene in »Final Destination 5«).

Die Darsteller sind dabei nur Mittel zum Zweck. Um Sympathie und Mitgefühl gar nicht erst aufkommen zu lassen, verzichtet man auf die sonst üblichen Idealisierungen. Das macht den Horrorfilm zum einzigen Genre, das es sich leisten kann, ja, muss, Menschen so zu zeigen, wie sie wirklich sind.

Sogar, was die Optik angeht. Die meisten Gesichter hat man bereits vergessen, noch ehe sie im Sarg liegen. Zwar erinnert einer der Akteure in Teil fünf (Miles Fisher) an Tom Cruise, aber es ist eine Ähnlichkeit, wie man sie oft bei Geschwistern berühmter Schauspieler sieht. Ein Blick genügt und man versteht, warum der eine zum Star wurde und der andere nicht.

Der Horrorfilm aber will keine Stars. Je gewöhnlicher und durchschnittlicher jemand daherkommt, desto überzeugender kann er die Rolle des Opfers einnehmen. Hier ist keiner klüger, tiefgründiger und charakterfester als unbedingt nötig. Die Protagonisten sind borniert, oberflächlich und affektgesteuert. Der Westentaschen-Macho findet sein Gegenstück in der Tussi. Ein bisschen Einfältigkeit kann ohnehin nicht schaden; sie sorgt für erheiternde Momente vor dem Blutbad. Umgekehrt gilt: Auch wenn einzelne Protagonisten Bauernschläue oder logisches Denken an den Tag legen, rettet sie das nicht vor dem Sensenmann.

Und auch nicht vor dem Karriereende. Wer nur dadurch auffällt, dass sein Körper kunstreich zerlegt wird, braucht sich keine Hoffnung auf einen Wechsel ins Charakterfach zu machen. So erweist sich der Horrorfilm am Ende auch für seine Darsteller als Horror.

»Final Destination«, USA 2000–2011 (fünf Spielfilme), auf Netflix

Wer nur dadurch auffällt, dass sein Körper kunstreich zerlegt wird, braucht sich keine Hoffnung auf einen Wechsel ins Charakterfach zu machen. So erweist sich der Horrorfilm am Ende auch für seine Darsteller als Horror.

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