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Die versteckte Personalreserve

Verband fordert weniger Dokumentationspflichten für Ärzte und Pflegekräfte in Krankenhäusern

Welcher Facharzt steht wann wie viele Minuten am Operationstisch? Derartige Dokumentationspflichten für Krankenhäuser könnten sich in Zukunft noch verschärfen.
Welcher Facharzt steht wann wie viele Minuten am Operationstisch? Derartige Dokumentationspflichten für Krankenhäuser könnten sich in Zukunft noch verschärfen.

Die Klagen über den Fachkräftemangel in den Krankenhäusern sind laut. Dabei wird von außen meist übersehen, dass in den Kliniken bereits eine recht große Personalreserve existiert. Das sind jene Ärztinnen und Ärzte, genauso wie viele Pflegekräfte, deren Arbeitszeit jeden Tag mit – unnötigen – bürokratischen Tätigkeiten blockiert ist. Zu diesem Thema meldete sich am Mittwoch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in Berlin zu Wort, sekundiert von Vertretern der genannten Berufsgruppen.

Medizinisch und pflegerisch notwendige Dokumentationspflichten werden auch von DKG-Chef Gerald Gaß anerkannt. Sorgen macht nicht nur ihm das jetzige Ausmaß, das absehbar mit der Krankenhausreform noch wachsen wird. Insofern passt es, dass ein Drei-Punkte-Kompromissvorschlag zur Reform aus Sicht des Verbandes die konsequente Entbürokratisierung enthält. Laut Gaß ergab eine DKG-Blitzumfrage, dass Ärzte und Pflegepersonal drei Stunden täglich mit Nachweispflichten und Dokumentation beschäftigt sind. Das sind rein rechnerisch in allen Krankenhäusern täglich etwa 60 000 Vollkräfte im ärztlichen Dienst sowie 117 000 Vollkräfte in der Pflege, in beiden Gruppen mehr als ein Drittel des jeweils vorhandenen Personals.

»Die Zahlen sind erschütternd«, kommentiert Gaß. Die Dokumentation habe sich über viele Jahre von einer nötigen Nebentätigkeit zu einer extremen Last entwickelt. Wie letztere erleichtert werden kann, damit beschäftigt sich die Krankenhausgesellschaft. Das Fazit präsentiert DKG-Vizechefin Henriette Neumeyer.

Wenn für die Dokumentationspflichten täglich nur eine Stunde weniger aufgewendet würde, stünden etwa 21 600 ärztliche und 46 000 pflegerische Vollkräfte mehr für die direkte Patientenversorgung zur Verfügung, mit positiven Folgen etwa für die berufliche Zufriedenheit. Neumeyer verglich diese Reserve mit dem möglichen Ausfall etwa durch eine Grippewelle: »Die haben wir mit der Belastung durch die Dokumentation quasi dauerhaft.« Zu den DKG-Vorschlägen zum Bürokratieabbau gehören neben einer Reduzierung von Nachweispflichten auch ausreichende Umsetzungsfristen sowie eine bessere Digitalisierung. Die Gesetzgebung bringe immer mehr Bürokratiepflichten mit sich, diese müssen realistisch eingeschätzt und natürlich minimiert werden.

Ganz einfach ist das Thema nicht, so Medizinerin Neumeyer, und konstatierte bereits eine Bürokratie des Bürokratieabbaus. Aus diversen Vorschlägen, die Krankenhäuser lieferten, wurden 55 konkrete Ansätze extrahiert. Unter anderem könnten teils redundante Prüfungen, die der Medizinische Dienst vornehme, ohne Not entschlackt werden. »Das wäre medizinisch unkritisch«, meint sie.

Ein Beispiel aus der Praxis beschreibt Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin, anhand sogenannter Strukturprüfungen durch den Medizinischen Dienst. »Die erste Prüfung erfolgt zum Thema Schenkelhalsfraktur. Seitens des Krankenhauses sind dafür 100 Stunden ärztlicher Arbeit nötig.« Zwei Wochen später ist jedoch die nächste Prüfung zur Notfallversorgung fällig, noch einmal fallen 100 Stunden ärztliche Arbeit an. »Dabei wurden zwei Drittel inhaltlich schon bei der ersten Prüfung abgefragt.«

Entgegen aller politischen Verlautbarungen werde es nicht besser, moniert Bobbert. Aus Sicht des Internisten wäre eine Entbürokratisierung nicht teuer: »Im Gegenteil, sie spart Geld!« Gute Verwaltung zeige sich unter anderem daran, dass für jede neue Dokumentationspflicht eine alte weichen müsse. Hier fordern alle Beteiligten Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf, in Sachen Ent-bürokratisierung Wort zu halten. Auch bei den aktuellen Gesetzen zur Krankenhausreform sei der absehbare »Erfüllungsaufwand« für die Kliniken eindeutig zu hoch.

Was sich mit weniger Bürokratie gewinnen ließe, umreißt Andrea Bergsträßer von der Pflegekammer Rheinland-Pfalz. Die Kammer machte eine eigene Umfrage und erfuhr, dass 82 Prozent der befragten Pflegekräfte durch Dokumentationspflichten Zeit für die Patientenversorgung fehle. 70 Prozent gaben an, dass darunter auch ihre persönliche Motivation leide. »Die unnötige Bürokratie lässt einen Teil der Pflegenden ernsthaft über einen Ausstieg aus dem Beruf nachdenken. In einer Zeit des Fachkräftemangels darf der Verwaltungsaufwand nicht die Lust auf die eigentliche Profession verderben«, resümiert Bergsträßer.

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