Koloniales Raubgut: Wenig Bewegung bei der Rückgabe

Eine Anlaufstelle zur Rückgabe menschlicher Überreste ist immer noch nicht geschaffen

Ein Benin-Bronze-Gedenkkopf aus Nigeria. 20 solcher ehemals von deutschen Museen aufgekaufter Objekte hatte die Bundesregierung 2022 zurückgegeben.
Ein Benin-Bronze-Gedenkkopf aus Nigeria. 20 solcher ehemals von deutschen Museen aufgekaufter Objekte hatte die Bundesregierung 2022 zurückgegeben.

Die Bundesregierung bleibt hinter ihren Ankündigungen zur Rückführung von kolonialem Raubgut aus Staatsbesitz zurück. Hierzu hatten die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag eine Reihe von Maßnahmen vereinbart, darunter die Förderung der Provenienzforschung von »kolonial belastetem Sammlungsgut«.

Für die Bemühungen zur Restitution an die »Herkunftsgesellschaften« hat die Bundesregierung außerdem ein Programm aufgelegt, das bis 2027 jährlich 600.000 Euro vorsah. Damit sollten Organisationen in früheren Kolonien bei der Identifikation und Rückführung von unter Zwang nach Deutschland geschafftem Kulturerbe und menschlichen Gebeinen unterstützt werden, etwa durch Übernahme von Reisekosten.

Nach einer Bestandsaufnahme sollten im Dialog mit »Herkunftsgesellschaften« vermehrte Rückgaben folgen. Jedoch kommen diese nur schleppend voran. Deshalb haben im Juli mehrere Wissenschaftler*innen eines »Expert*innen-Netzwerks« in einer Stellungnahme auf die Umsetzung gedrungen und dazu Vorschläge gemacht.

Der Restitutionsfonds wäre den Plänen zufolge im Bereich der Staatsministerin und Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), angesiedelt worden. Ihr Ministerium ist für die Koordination aller relevanten Einrichtungen und Maßnahmen im Bereich »Globaler Süden, Aufarbeitung des Kolonialismus« zuständig.

Im Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 ist das Geld für den Fonds nicht mehr vorhanden, wunderte sich der Wissenschaftler Thomas Fues diese Woche auf seinem Blog. Insgesamt würden damit 2,4 Millionen Euro wegfallen. Die Mittel für die Rückführung von Kulturgütern seien aber nicht gestrichen worden, dementiert das Kultusministerium auf Anfrage von »nd«, sondern fänden sich an einer anderen Stelle.

Es stehe trotzdem zu befürchten, dass bei der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte der Rotstift angesetzt wird, sagt Tahir Della von der Initiative Schwarzer Deutscher unserer Zeitung. »Dies wäre jedoch eine fatale Entscheidung, nachdem sich Deutschland endlich auf den Weg gemacht hat, diesen Teil seiner Geschichte aufzuarbeiten.«

Schon in den 80er Jahren hatten europäische Staaten über die Restitution kolonialer Museumsbestände an ehemalige afrikanische Kolonien diskutiert, damals jedoch ohne größere Konsequenzen. So haben es die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und der senegalesische Schriftsteller Felwine Sarr im Auftrag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vor sechs Jahren in einem Bericht nachgezeichnet.

In seinem vor einigen Wochen veröffentlichten Forderungskatalog forderte das »Expert*innen-Netzwerk« für die Rückgabe von menschlichen Überresten auch eine engere Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern, Kommunen und der Zivilgesellschaft in den Ex-Kolonien. So sollten die Artefakte von den »Communities« in den Museen selbst abgeholt und dabei erforderliche rituelle Handlungen vor Ort durchgeführt werden können. Bei diesen »human remains« handelt es sich etwa um Funde aus Gräbern oder andere Objekte aus Knochen, Haut oder Haaren.

Um die Bemühungen zu erleichtern, wollte die Bundesregierung für Nachfahren kolonialer Opfer eine Anlaufstelle zur Rückgabe menschlicher Überreste in Deutschland einrichten. Diese sollte unter dem Dach einer zu gründenden Agentur für Internationale Museumskooperation entstehen. Jedoch existiert auch diese Anlaufstelle immer noch nicht.

Der Umgang mit menschlichen Überresten aus kolonialem Kontext und damit auch die Anlaufstelle liegt mit der Staatsministerin Katja Keul in der Verantwortung des ebenfalls von einer Grünen-Politikerin geführten Auswärtigen Amts. Unter Zwang aus eigenen Kolonien nach Deutschland geschaffte Gebeine stammen unter anderem aus Ländern wie Tansania, Kamerun und Namibia, die immer stärker auf die Rückgabe drängen. Für Isabelle Reimann, Mitglied im »Expert*innen-Netzwerk«, ist deshalb klar: »Der Restitutionsfonds ist dringend nötig, denn jeder Tag zählt für die Nachfahren.«

Die Bereitschaft zur verstärkten Rückgabe von Gebeinen hatte vergangenes Jahr der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Tansania versprochen, im März hatte dies Keul bei einem Besuch in dem Land wiederholt. Die Bundesregierung will auch weitere Benin-Bronzen an die Regierung von Nigeria übergeben. Insgesamt 1130 dieser kulturellen Objekte waren vom Vereinigten Königreich ab 1897 geraubt und dann von deutschen Museen aufgekauft worden.

Droht diesen Anstrengungen nun also wieder Stillstand? Viel Zeit zur Umsetzung des Koalitionsvertrags hat die Ampel-Koalition jedenfalls nicht mehr. Inwiefern die Maßnahmen zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte Bestand haben und ausreichend finanziert werden, darüber berät der Bundestag Mitte September in der ersten Haushaltswoche nach der Sommerpause.

»Der Restitutionsfonds ist dringend nötig, denn jeder Tag zählt für die Nachfahren.«

Isabelle Reimann »Expert*innen-Netzwerk« zum Umgang mit menschlichen Überresten
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