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Oh boy

Lausitz-Festival: Marcel Kohler macht mit »Othello« toxische Männlichkeit sichtbar, reproduziert aber auch Bilder, die Rechte freuen dürften

  • Lara Wenzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Dem rassistischen Potenzial auf der Spur? »Othello« in der stillgelegten Fabrik in Weißwasser.
Dem rassistischen Potenzial auf der Spur? »Othello« in der stillgelegten Fabrik in Weißwasser.

Vorbei an Gitterzäunen und gestapelten Sandsäcken schlängelt sich das Publikum durch ein »Kriegsgebiet« auf Zypern. Die Schlacht, die es bezeugen wird, spielt sich nicht an der Front ab, sondern zwischen der gekränkten Männlichkeit der Feldherren. Weil Othello Cassio und nicht Jago zu seinem Stellvertreter erwählt, beginnt Letzterer aus verletztem Stolz eine Intrige zu schmieden. Dabei hat er leichtes Spiel, denn die Ressentiments gegen den ruhmreichen, aber schwarzen Othello brodeln bereits unter der Oberfläche. Der opulente Auftakt des Laustiz-Festivals, der auf Simultanbühnen in einer ehemaligen Glasfabrik in Weißwasser gespielt wird, hält die Kunst als Begegnung mit dem »anderselbst« – so der Festivalslogan – hoch.

Der Philosoph Christoph Menke lobt die Begegnung mit dem ganz anderen in seiner Eröffnungsrede, vermag es doch das Gewohnte für einen Moment zu durchbrechen und das Denken zu befreien. In der Inszenierung von Marcel Kohler sind es jedoch Hass und Misstrauen, die der Kontakt mit dem Fremden auslöst und die sich besonders gegen das Eheversprechen zwischen Othello und der weißen Venezianerin Desdemona richten.

Geteilt in drei Gruppen, beobachtet das Publikum, wie sich der Konflikt räumlich in den Behausungen und Leben besonders der Frauen ausbreitet, ohne der Chronologie der Tragödie zu folgen. Im gleichzeitigen Spiel liegt die Genialität der Inszenierung. Während wir die aufgebrachte Mutter Desdemonas beobachten, die, auf Dolce Vita eingestellt, von der unliebsamen Verlobung ihrer Tochter erfährt, oder Emilia, Jagos Ehefrau, die tanzend ihre Autonomie vom Tun ihres Mannes und vom Begehren der anderen behauptet, mischen sich die Geräusche aus dem Nebenzimmer ein.

John Lennons »I’m just a jealous guy«, das aus verschiedenen Ecken der Halle tönt, untermalt den Abend treffend. Denn Jago, den Götz Schubert als einnehmenden Demagogen spielt, gegen den die anderen Figuren wenig ausrichten können, gelingt es, an die Eifersucht Othellos zu appellieren. Wenn er schließlich der schreienden Desdemona, gespielt von Linn Reusse, mit einem Messer hinterherrennt, um sie für eine vermeintliche Affäre zu zerstören, wird er zur selbsterfüllenden Prophezeiung und entspricht dem Bild des mordenden Fremden.

Die Inszenierung interessiert sich für das rassistische Potenzial, das sich in der Mutter Brabantia und dem Chor mit ein paar wohlgewählten Worten wecken lässt, und Othello, den Schauspieler Leonard Burkhardt darstellt, zu seiner Tat treibt. In der Verhandlung des Femizids werden jedoch Bilder wiederholt, über die sich besonders Rechte freuen: die weiße Frau als schreiendes Opfer. Anstatt dieses Bild aufzulösen und zu zeigen, wie sich Jago und Othello in ihrem misogynen Hass treffen, wirken die Schreie der wegrennenden Desdemona eindringlich und emotionalisierend. Die Gefühle, die die Szene im engen Schlafzimmer nah beim Publikum produziert, sind jene, die rechte Gruppen für ihre xenophobe Hetze instrumentalisieren.

In der abschließenden Szene verstärkt sich die faschistische Überwältigungsästhetik noch. Zwischen dem zusammenstehenden Publikum beginnt der Bürgerchor in der großen Industriehalle zu skandieren, dann tritt Jago an ein hohes Geländer und spricht zu den Menschen. In populistischem Ton trägt der Intrigant einen Ausschnitt aus »Die Fremden« von Shakespeare, einem Plädoyer für einen mitfühlenden Umgang mit Geflüchteten, vor. Der konträre Inhalt schafft es nicht, die in Musik und Stimmen dröhnende, faschistisch anmutende Inszenierung zu brechen.

Überzeugend ist der Theaterabend nicht durch seine Monumentalität, sondern im Kleinen, wenn gleich zu Beginn ein empfindsamer Othello ein zu langes Geigensolo spielt oder Dagna Litzenberger Vinet als eigenwillige Emilia ansetzt, Heiner Müllers »Hamletmaschine« zu sprechen, und mit den Worten »Ach, egal« abbricht. In diesen Momenten beweisen sich Ensemble und Regie als fantasievolle Spieler*innen.

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