Machtfaktor BSW, geschlagene Linke

Für Die Linke im Bund wird Konsolidierung nach Wahlergebnissen vom Sonntag noch schwieriger

Bei der Linken sprach man einander am Montag gegenseitig Mut zu.
Bei der Linken sprach man einander am Montag gegenseitig Mut zu.

Die Lage ist in Thüringen und Sachsen nach den Landtagswahlen vom Sonntag denkbar verzwickt. Für die CDU als zweit- beziehungsweise erstplatzierte Partei gibt es jeweils praktisch nur eine Option, ohne Beteiligung der AfD eine stabile neue Landesregierung zu bilden. In beiden Fällen kommt sie um eine Einbeziehung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht herum.

Besonders kompliziert ist es in Thüringen: Dort gäbe es die formal stabile Variante nur, wenn die Christdemokraten nicht nur das BSW, sondern auch die Linkspartei des bisherigen Regierungschefs Bodo Ramelow an der Regierung beteiligte oder sich von ihr tolerieren ließe. Denn ein Dreierbündnis mit der SPD hätte in Erfurt mit 44 Parlamentssitzen einen zu wenig, um unabhängig zu regieren.

Katja Wolf, Thüringer Spitzenkandidatin des BSW, machte am Montag deutlich, dass die letztgenannte Variante wohl nicht an ihrer Partei scheitern würde. Sie warte auf Angebote der CDU, aber auch der Linken, sagte sie auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Parteigründerin Wagenknecht sowie der Bundesvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Generalsekretär Christian Leye in Berlin.

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Auf Nachfrage fügte Wolf hinzu, sie wolle nicht versuchen, einen oder mehrere gewählte Abgeordnete der Linken abzuwerben, um noch auf den nötigen zusätzlichen Sitz bei einer Kooperation mit CDU und SPD zu kommen. Das wäre das Gegenteil einer »neuen politischen Kultur«, für die sie in Thüringen stehen wolle, betonte sie. Jedes »Rumgezerre« würde nur das »Vertrauen in die demokratischen Parteien« zerstören.

Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow hatte bereits Gesprächsbereitschaft sowohl gegenüber der CDU als auch gegenüber dem BSW signalisiert. Letztlich stellt dieser Vorgang eine maximale Demütigung der Herkunftspartei der meisten BSW-Protagonist*innen in Bund und Ländern dar. Denn sie ist nun vom Wohlwollen einer Organisation abhängig, die mit Ressourcen und Mandaten der Linken aus ihr heraus aufgebaut wurde.

Darauf ging die amtierende Ko-Vorsitzende der Linken, Janine Wissler, am Montag ein und erhob erneut schwere Vorwürfe gegen das BSW. Wagenknecht und Unterstützer*innen hätten »über Jahre hinweg aus der eigenen Partei die Glaubwürdigkeit der Linken öffentlich permanent in Frage gestellt« und entgegen den Tatsachen behauptet, sie kümmere sich »nicht mehr um die soziale Frage«. Ähnlich äußerte sich auch der Ko-Chef des sächsischen Linke-Landesverbandes, Stefan Hartmann. »Diese Menschen haben jetzt eine Organisation gegründet, die in der Lage ist, auf Grundlage halber Wahrheiten und ganzer Lügen Politik zu machen«, sagte er mit Blick auf das BSW.

Zugleich betonten Hartmann, Wissler und die Thüringer Linke-Fraktionschefin Ulrike Grosse-Röthig, Die Linke müsse trotz des Gegenwindes aus allen Parteien inklusive des BSW weiter die Rechte Geflüchteter und das Asylrecht verteidigen. Hier dürfe es kein Zurückweichen geben. »Die Würde des Menschen und das Sozialstaatsprinzip sind für uns unverhandelbar. Wir sind mit Haltung und Anstand das Bollwerk gegen rechts«, sagte Grosse-Röthig.

Auch dies waren Anspielungen auf die Positionierung des BSW, das kritisiert, dass die Ampel-Koalition noch nicht genug Menschen abschiebt und die Bedingungen für abgelehnte Asylbewerber noch nicht ausreichend verschärft habe.

Die Linke ist nun in dem Dilemma, sich in weniger als einem Jahr, also bis zur Bundestagswahl 2025, programmatisch, organisatorisch und strategisch neu aufzustellen, wie es Ko-Parteichef Martin Schirdewan ausdrückte. Am Montag tröstete man sich in Berlin zunächst mit den vielen Neueintritten, die Die Linke derzeit in Sachsen wie auch Thüringen erlebt. Grosse-Röthig betonte, die Verluste hätten den Landesverband so »zusammengeschweißt«, wie sie das zuvor noch nicht erlebt habe.

Und nachdem Stefan Hartmann erklärt hatte, man sei in Sachsen mit »zwei blauen Augen« davongekommen und wieder in den Landtag eingezogen, bemühte Schirdewan das Bild vom Boxer, der zwar geschlagen, »aber nicht auf die Bretter gegangen« sei. Bei der Wahlparty in Erfurt habe er sehr viel »Kraft und Energie« gespürt, so Schirdewan. Überall hätten sich Mitglieder »mit so viel Einsatz in den Wahlkampf gestürzt« und um das bestmögliche Ergebnis gekämpft. Das zeige: »Wir sind nicht umgefallen, sondern stehen noch.« Jetzt gelte es, »mit Haltung, mit Anstand die vor uns liegenden politischen Aufgaben zu meistern«.

Hartmann betonte, man blicke »demütig« auf das sächsische Wahlergebnis: »Wir wären schlecht beraten, wenn wir sagten: Im Prinzip ist alles fein, wir haben unsere Inhalte nur schlecht kommuniziert.« Zugleich erinnerte er daran, dass Die Linke einen »klaren Oppositionswahlkampf mit Schwerpunkten auf sozialem und gesundheitspolitischem Gebiet« gemacht habe.

Das alles ändert indes nichts daran, dass das BSW mit dem bundespolitischen Thema Frieden offenbar besonders punkten konnte. Wagenknecht stellte folgerichtig am Montag fest, ihre Partei sei auch wegen dieses Themas in kurzer Zeit so erfolgreich gewesen wie keine andere neue Organisation zuvor – und damit bundes- wie landespolitisch ein »Machtfaktor« geworden.

Das ist Die Linke bis auf weiteres nicht. Und als einzige konsequente Friedenspartei der Bundesrepublik wird sie nicht mehr wahrgenommen. Sie könnte aber ihre Positionen diesbezüglich aktualisieren und wieder offensiver vertreten. In den vergangenen Jahren fanden etliche ihrer Protagonisten, das Thema interessiere die Leute nicht so sehr, es reiche, sich als Sozialstaatsverteidigerin zu profilieren. Vielfach traten dieselben Personen für Waffenlieferungen an die Ukraine ein – was gerade in Ostdeutschland offenbar Stimmen gekostet hat.

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