- Politik
- Linke und Frieden
»Die Linke muss antimilitaristisch bleiben«
Auf einer Konferenz in Berlin wurde beraten, wie auf dem kommenden Linke-Parteitag friedenspolitische Grundsätze gestärkt werden können
»Wehrpflicht – nein danke!« steht auf dem gelben Aufkleber, auf dem eine Sonne ein Gewehr zerbricht. Die Sonne ist als Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung der 1980er Jahre bekannt, ihr Slogan leicht abgewandelt. Die Sticker trafen am Samstag auf einer Konferenz unter dem Titel »Neue deutsche Kriegstüchtigkeit – nicht mit uns« auf großes Interesse. Im bis auf den letzten Platz besetzten Raum im nd-Gebäude waren ältere und auch zahlreiche jüngere Menschen vertreten.
Initiiert hatte die Tagung die Kommunistische Plattform der Partei Die Linke (KPF). Doch schon bald habe sich der Kreis der Einladenden erweitertet, betont Ellen Brombacher von der KPF. Unter ihnen waren der Ko-Vorsitzende der Bundestagsgruppe der Linken, Sören Pellmann, ihre Europa-Abgeordnete Özlem Demirel, das Bundesvorstandsmitglied Margit Glasow, der Sprecher des Karl-Liebknecht-Kreises Brandenburg, Arthur Pech, und Luisa Mayer von der Berliner Linksjugend Solid.
»Mit der Konferenz verfolgen wir das Ziel, keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass Die Linke ihren im Parteiprogramm verankerten friedenspolitischen Grundsätzen treu bleiben und ihre entsprechenden Aktivitäten als Teil der Friedensbewegung spürbar verstärken muss«, betonte Brombacher.
Zum Thema hatte sich kürzlich auch die scheidende Bundesvorsitzende Janine Wissler geäußert. In ihrem Diskussionsbeitrag sprach sie sich ebenfalls für eine weiterhin klare antimilitaristische Positionierung der Linken aus, forderte aber auch, sie müsse »Frieden, Abrüstung und die Einhaltung der Menschenrechte zum universalen Anspruch« zu erklären. Das »imperialistische Agieren Russlands als solches zu benennen und zu verurteilen« verorte Die Linke »weder aufseiten der Nato, noch macht es die Kritik an ihr obsolet«, mahnte Wissler.
Sören Pellmann und Özlem Demirel bekräftigten in ihren Einführungsreden, dass die Linke klar auf antimilitaristischen Kurs bleiben müsse. Forderungen nach Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, wozu auch die Ukraine gehört, werde es mit ihnen nicht geben. In der lebhaften Debatte forderten mehrere Redner*innen, dass Geld, das für Rüstung ausgegeben wird, für soziale Belange verwendet werden müsse.
Margit Glasow vom Linke-Vorstand warb leidenschaftlich für eine Politik des Klassenkampfes und des Antimilitarismus. Aus ihrer Sicht kämpfen zu viele Genoss*innen in der Partei vorrangig für die Rechte von aufgrund ihrer Identität Diskriminierten, während zu wenige die gemeinsamen Interessen in der Klassenauseinandersetzung in den Mittelpunkt stellen.
Christine Buchholz, Ex-Bundestagsabgeordnete der Linken und ebenfalls Mitglied des Bundesvorstands, forderte unter großem Applaus, in der Linken müsse Schluss sein mit »Formelkompromissen«. Sie sprach sich für eine klare antimilitaristische Positionierung auf dem Parteitag im Oktober in Halle aus, zeigte sich aber auch skeptisch, was die Mehrheitsverhältnisse anbelangt.
Mehrere Redner*innen sehen vor allem das Netzwerk Progressive Linke als innerparteilichen Gegner. Etliche in diesem Netzwerk aktive Politiker*innen plädieren für »selbstkritische Aufarbeitung linker Irrtümer« und unterstützen explizit, dass Deutschland Waffen an die Ukraine liefert. Die Teilnehmer*innen der Konferenz waren sich einig: Es müsse verhindert werden, dass solche Positionen in Halle die Oberhand gewinnen.
Kaum eine Rolle spielte in den Debatten die Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) von der LINKEN. Nur einige Redner*innen, unter anderem der frühere Berliner Landespolitiker Wolfram Adolphi, äußerten, dass der Parteivorstand die Abspaltung hätte verhindern können. Mehrere Redner*innen bezeichneten es aber als Fehler, dass der Linke-Bundesvorstand nicht zu der Kundgebung vom Februar 2023 in Berlin aufgerufen hat, die Sahra Wagenknecht und die Publizistin Alice Schwarzer initiiert hatten.
Erfreut zeigten sich die Teilnehmenden, dass der Vorstand zur Friedensdemonstration am 3. Oktober 2024 in Berlin aufruft, obwohl es Kritik am Aufruf gab. Nicht besonders glücklich zeigten sich auch manche Konferenzteilnehmer*innen mit dem aktuell aussichtsreichsten Kandidat*innen-Duo für den Bundesvorsitz, Ines Schwerdtner und Jan van Aken, wobei sie nicht näher ausführten, was sie an den beiden stört. Ein Duo Sören Pellmann und Özlem Demirel würde bei ihnen auf größere Zustimmung stoßen. Bislang haben die beiden ihre Kandidatur nicht erklärt.
Die Kommunistische Plattform kann auf jeden Fall als Erfolg verbuchen, dass auch zahlreiche Linke außerhalb ihrer Strömung an der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz beteiligt waren. Noch immer wird die KPF mit Sahra Wagenknecht in Verbindung gebracht, obwohl die erst kürzlich erneut in einer Talkshow betont hat, dass sie bereits 2010 ausgetreten sei und heute auch inhaltlich damit nichts zu tun haben will.
Die KPF ihrerseits hatte die rechtskonservativen Töne, die Wagenknecht seit langem anschlägt, bereits 2018 scharf kritisiert. Die Äußerungen der BSW-Gründerin, die heute die Abschiebung bzw. Zurückweisung der meisten Asylsuchenden fordert, und ihre Bereitschaft, in Sachsen und Thüringen mit der CDU zu regieren, wurden auch auf der Konferenz kritisiert.
Mehrere Diskutant*innen, wandten sich auch dagegen, dass Migrant*innen zu Sündenböcken für neoliberale kapitalistische Politik gemacht werden. In einem Offenen Brief sollen die Delegierten des Linke-Parteitags über die Ergebnisse der Konferenz informiert und aufgefordert werden, antimilitaristische Positionen zu verteidigen. Initiatorinnen der Tagung wie Demirel, Brombacher und Glasow haben bereits einen Antrag an den Parteitag unter dem Titel »Schluss mit der Kanonen-statt-Butter-Politik!« eingereicht. Darin wird unter anderem die Ablehnung der Wiedereinführung der Wehrpflicht und ein Ende aller deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine und an Israel gefordert. Indirekt wird für mehr Solidarität und Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung angesichts einer »Ausweitung von Repressionen« geworben.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.