Berlin: Erinnern an ermordete russische Antifaschisten

Am 19. Januar gedenken russische Linke der Opfer faschistischer und rassistischer Gewalt

An der Silvio-Meier-Straße wurde gegen Rassismus und Gewalt von militanten Nationalist*innen und Faschist*innen demonstriert.
An der Silvio-Meier-Straße wurde gegen Rassismus und Gewalt von militanten Nationalist*innen und Faschist*innen demonstriert.

Antifaschistische Demonstrationen sind in Berlin keine Seltenheit. Manche sind trotzdem besonders. Am Sonntag stehen neben dem Slogan »Erinnern heißt kämpfen« die Namen Alexander Rjuchin, Ilja Borodaenko, Alexei Krylow, Fjodor Filatow, Ilja Dschaparidze, Ivan Chutorskij auf dem Fronttransparent des Zuges in der Silvio-Meier-Straße in Friedrichshain. Es sind die Namen russischer Antifaschist*innen, die in den letzten Jahren von Ultrarechten ermordet wurden. Mit Schamil Adamanow und Churscheda Sultonowa sind auch zwei Migrant*innen, die von Neonazis in Russland ermordet wurden, auf der Gedenkliste aufgeführt. Rote und rot-schwarze Fahnen flattern im Wind. Schon von Weitem ist die Parole »Alerta, Alerta, Antifascista« zu hören.

Weder Ort noch Zeit für die Demonstration waren zufällig gewählt. Am 19. Januar demonstrieren russlandweit Menschen gegen Rassismus und Gewalt militanter Nationalist*innen und Faschist*innen. Hintergrund sind die Nazi-Morde an dem Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasija Baburowa am 19. Januar 2009. Beide waren nach einer Pressekonferenz zur vorzeitigen Haftentlassung eines russischen Kriegsverbrechers mitten in der Moskauer Innenstadt erschossen worden.

Mittlerweile hat sich der 19. Januar als Gedenktag für die Opfer faschistischer und rassistischer Gewalt in Russland durchgesetzt. Weil mittlerweile viele regierungskritische Russ*innen im Ausland leben, gehen auch dort an diesem Tag Menschen auf die Straße, um an die ermordeten und verfolgten linken Antifaschist*innen in Russland zu erinnern. In Berlin, wo die russische Diaspora besonders groß ist, gibt es schon seit mehreren Jahren Veranstaltungen zum 19. Januar. An diesem Sonntag kamen etwa 100 Personen zusammen.

Dieses Jahr gab es schon am Samstag in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung Informationen über die Situation der staatsunabhängigen Antifaschist*innen in Russland. Im Anschluss malten die Aktivist*innen Transparente und Schilder für die Demonstration.

»Unsere Aktion hat an einer Straße angefangen, die zu Ehren von Silvio Meier benannt wurde, einem Antifaschisten, der 1992 von militanten Rechten in Friedrichshain getötet wurde«, sagt Mitorganisator Igor, der seinen vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Er betont, dass es dabei nicht nur um die Opfer des rechten Terrors in Russland geht. »Die Demonstration ist ein Aufruf zur internationalen Solidarität und zum Kampf gegen den Faschismus in all seinen Erscheinungsformen«, sagt Igor.

Ein Mann mit einer schwarz-roten Fahne ruft: »Kein Gott, kein Staat, kein Angriffskrieg«, womit er die russische Kriegspolitik in der Ukraine klar verurteilt. Eine Gruppe junger Antifaschist*innen, die im vorderen Teil der Demonstration läuft, ruft Parolen wie »Free Maja« und »Free Nanuk«. Damit solidarisieren sie sich mit Antifaschist*innen, die aktuell wegen des Vorwurfs, sich an militanten Aktionen gegen Neonazis beteiligt zu haben, in Deutschland in Untersuchungshaft sitzen.

In der Nähe des linken Hausprojekts in der Rigaer Straße 94 gibt es eine Choreografie auf einem Dach mit Transparenten und Feuerwerk. Von einem Spielplatz in der Schreinerstraße applaudieren spontan Passant*innen, als der Demonstrationszug vorbeiläuft. Einige stimmen in die Parole »Alle zusammen gegen den Faschismus« ein.

Alina, die sich an der Demonstration beteiligte, hätte sich eine größere Beteiligung von Antifagruppen aus Berlin gewünscht. »Die Aktionen werden jedes Jahr von anderen Gruppen vorbereitet. Auch im nächsten Jahr wird es am 19. Januar wieder Solidaritätsaktionen mit den russischen Antifaschist*innen geben«, ist sich Igor sicher.

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