CSU: Besessen von den Grünen

Söder und Dobrindt arbeiten sich am vermeintlich schlimmsten politischen Gegner ab

Markus Söder gab dem Kanzlerkandidaten der Union schon mal die Marschrichtung vor.
Markus Söder gab dem Kanzlerkandidaten der Union schon mal die Marschrichtung vor.

Nicht die AfD ist die größte Gefahr für Standort und Demokratie – nein, die Grünen sollen es sein. Darin sind sich Markus Söder und Alexander Dobrindt einig mit Sahra Wagenknecht, Gründerin der nach ihr benannten neuen Partei BSW. Und wie das BSW, so schließen auch der CSU-Vorsitzende und der Landesgruppenchef der Partei im Bundestag eine Koalition mit der einstigen Ökopartei aus. Zumindest auf Bundesebene. Das verkündeten beide auf der am Donnerstag zu Ende gegangenen Klausur der CSU-Landtagsabgeordneten im Kloster Banz im oberfränkischen Bad Staffelstein.

CSU-Landesgruppenchef Dobrindt warnte nach der Entscheidung der Union über die Frage der Kanzlerkandidatur zugleich vor »unnötigen Koalitionsdebatten«. Er bezeichnete die Grünen als »Brandbeschleuniger für die Polarisierung in der Gesellschaft«. Er könne sich »beim besten Willen nicht vorstellen, dass es eine Koalition mit den Grünen in der Zukunft geben kann«.

Er untermauerte damit die Linie von Parteichef Söder, der eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl im nächsten Jahr in Bad Staffelstein erneut ausgeschlossen hatte. »Schwarz-Grün in Deutschland ist für uns ein absolutes No-Go«, hatte er in einer Grundsatzrede am Mittwoch auf der Klausur betont. Das Agieren der Grünen in der Berliner Ampel-Koalition sei der Hauptgrund für die schlechte wirtschaftliche Lage Deutschlands. Söder fordert seit Monaten auch von der CDU eine klare Absage an mögliche Bündnisse.

Die Grünen hatten ihre Bereitschaft für Kooperationen mit CDU und CSU auf Bundesebene wiederholt signalisiert und sich unter anderem in Hessen als äußerst kompromissbereite Partner in der Landesregierung mit der CDU zehn Jahre lang bewährt. CDU-Ministerpräsident Boris Rhein hatte sich nach der Landtagswahl 2023 trotzdem für die SPD als Partnerin entschieden.

Grünen-Chef Omid Nouripour kritisierte die kategorische Absage der CSU an Bündnisse mit seiner Partei scharf. »Die Ausschließeritis der CSU schadet der politischen Kultur«, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben). »Mein Eindruck ist, dass es dabei gar nicht um die Grünen geht.« Söder wolle vielmehr klarmachen, dass der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz »unter ihm Kanzlerkandidat ist – und sich auch in Koalitionsfragen an seine Linie halten muss«.

Die SPD sei den Grünen in der Koalitionsfrage »traditionell näher als die Union«, betonte Nouripour. Nach Wahlen müssten aber alle demokratischen Parteien im Stande sein, eine Regierung zu bilden.

Der designierte Unions-Kanzlerkandidat Merz gibt sich in der Frage einer Zusammenarbeit mit den Grünen dem Vernehmen gelassener, wenngleich auch er sie wiederholt besonders scharf kritisiert hatte. Zwar lehnte er in dieser Woche eine Koalition mit den Grünen, wie sie auf Länderebene derzeit in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen existiert, »aus heutiger Sicht« ab, betonte aber auch: »Wenn es sich in den nächsten zwölf Monaten anders entwickelt, können wir schauen.« Es liege an den Grünen, sich zu ändern.

Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, sagte der »Süddeutschen Zeitung«, man dürfe die Wähler nicht für dumm verkaufen. »Die wissen, dass CDU, SPD, Grüne und FDP, also die demokratischen Parteien, miteinander koalitionsfähig sein müssen. Auch Friedrich Merz ist klug genug, das zu wissen.« Merz könne nichts ausschließen, weil er sich sonst Handlungschancen verbaue, sagte Haßelmann. Sie warb dafür, nicht zu früh Optionen auszuschlagen. »Wo wir in einem Jahr stehen, ist angesichts der Schnelllebigkeit unserer Zeit längst nicht ausgemacht.«

Auf der Plattform X, früher Twitter, erntete Söder derweil viel Spott für einen Post, in dem er seine Ablehnung von Koalitionen mit den Grünen begründete. Viele Bürger hätten ein »tiefes Störgefühl: Züge kommen zu spät, Briefe kommen nicht an, Brücken stürzen ein, es gibt Deindustrialisierung und Unternehmen wandern ab«. Dafür sei die handlungsunfähige Ampel-Regierung verantwortlich, schrieb der bayerische Ministerpräsident dort.

Unter anderem Grünen-Ko-Chefin Ricarda Lang wies Söder darauf hin, dass die CSU zwölf Jahre in Folge, von 2009 bis 2021, den Bundesverkehrsminister gestellt haben, zuletzt Andreas Scheuer, der europaweite Bekanntheit durch das von ihm verantwortete Mautdebakel erlangte. Dieses allein kostete die Steuerzahler mehr als 230 Millionen Euro an Strafzahlungen.

Auch auf der CSU-Klausur spielte die Abwehr »irregulärer Migration« eine große Rolle. Zugleich wollte sich die Landtagsfraktion als soziale Kraft profilieren. Sie verabschiedete eine »Pflege-Resolution« mit Forderungen an den Bund, unter anderem nach einer Pflegevollversicherung, »in der die private Pflegeversicherung eine Rolle spielen sollte«. mit dpa

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.