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Mühlendammbrücke bereite »Kopfschmerzen«
Die Mühlendammbrücke in Mitte könnte ganz ausfallen, bevor der Neubau der ersten Hälfte fertig ist
Träge schiebt sich der Autoverkehr am vergangene Woche über die westliche Hälfte der Mühlendammbrücke. Nur noch eine von einst drei Autospuren pro Fahrtrichtung ist nach der Sperrung der östlichen Hälfte vor zwei Monaten freigegeben. Damit ist die Straßenkapazität zwischen Potsdamer und Alexanderplatz von einer Magistrale auf eine normale Stadtstraße zusammengeschrumpft. Mindestens bis 2027 wird das so bleiben.
Rund drei Dutzend Menschen umringen auf der Westhälfte Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU), den Chef ihrer Tiefbauabteilung, Lutz Adam, und weitere Beschäftige der Senatsverwaltung. Sie sprechen vor den Mitgliedern des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus, die an diesem Tag die jährliche Rundfahrt zu Bauprojekten des Landes absolvieren. Die Parlamentarier entscheiden darüber, wofür Berlin sein Geld ausgibt – und es stehen harte Entscheidungen an. Allein 2025 müssen drei Milliarden Euro aus dem von Schwarz-Rot nach Regierungsübernahme aufgeblähten Haushalt gestrichen werden, in den Folgejahren wohl noch mehr.
Die Mühlendammbrücke bereite »Kopfschmerzen«. Insofern sei es »gut, dass die Baumaßnahmen begonnen haben«, sagt Bonde. 80 Millionen Euro soll der Neubau kosten, führt sie aus. Für fast die Hälfte der Summe soll eigentlich der Bund aufkommen, über die von Bund und Land hälftig finanzierten GRW-Mittel. Doch die Finanzierung wackelt, denn Kürzungen des Bundes beim Topf mit dem komplizierten Namen Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) konnten zwar für 2024 abgewendet werden, stehen aber weiter auf der Agenda. »Wir müssen eben schauen, ob es so bleibt«, sagt Bonde etwas ratlos.
Bonde appelliert eindringlich an die Haushaltsgeber: »Wir müssen in den Bestand investieren. Wir müssen instandhalten. Ansonsten droht uns das, was jetzt Glück im Unglück war in Dresden.« Nur ein Viertel der Berliner Brücken sei in gutem oder sehr guten Zustand. »75 Prozent befinden sich nicht in diesem Zustand«, sagt Bonde.
»Wir befinden uns hinsichtlich des Bauwerkszustandes, aber auch hinsichtlich der Tragfähigkeit auf der schlechtesten Berliner Brücke«, sagt Lutz Adam. »Und trotzdem sind meine Experten und ich der Meinung, dass wir auch den einen Überbau noch unter Verkehr halten können«, so der Leiter der Tiefbauabteilung weiter.
Man könne allerdings »nur unter sehr extremer Überwachung« die Verantwortung übernehmen. Rund 350 000 Euro habe man in den letzten beiden Jahren für Miete und Betrieb eines »sehr teuren« akustischen Überwachungssystems ausgegeben, berichtet Adam. Wenn Spanndrähte im Spannbetonbauwerk reißen, kann das System das akustisch identifizieren. Pro Brückenhälfte halten je 500 dieser Litzen in je zwei stählernen Kästen den Beton unter Spannung und so zusammen.
Neunmal meldete das System gerissene Drähte in der Osthälfte. Dann wurde sie im Juli gesperrt. Seitdem werden Dutzende in der Mühlendammbrücke verlaufende Leitungen umverlegt. Im November soll der Abriss beginnen. Die Westhälfte war bisher unauffällig.
»Wir probieren durchzukommen. Aber wir segeln sehr hart am Wind.«
Lutz Adam Senatsverkehrsverwaltung
Adam kommt noch mal auf die Carolabrücke in Dresden zurück, die in der Nacht auf den 11. September plötzlich in die Elbe stürzte. Glücklicherweise war zu dem Zeitpunkt niemand auf der Brücke. »Diese Brücke ist ausdrücklich nicht baugleich mit der Mühlendammbrücke«, unterstreicht der Experte. Allerdings mit der bereits komplett abgerissenen Elsenbrücke.
Normalerweise vergrößert sich das Volumen von Stahl, wenn er korrodiert. Dadurch platzt Beton ab und das Problem ist von außen bei den regelmäßigen Brückenprüfungen zu erkennen. Der verwendete Hennigsdorfer Spannstahl reißt jedoch einfach, ohne dass es von außen zu erkennen wäre. An der Elsenbrücke wurde das Problem entdeckt, als sich Ende August 2018 ein 28 Meter langer, tiefer Riss an der Unterseite zeigte. Tags drauf wurde die Brückenhälfte gesperrt.
Bis 2027 muss an der Mühlendammbrücke die Westhälfte noch durchhalten, dann soll die Osthälfte fertig sein. »Wir probieren durchzukommen. Aber wir segeln sehr hart am Wind«, sagt Adam. Eine Komplettsperrung mit daraus folgendem Verkehrschaos steht also im Raum.
Zunächst zwei Autospuren, eine Bus-, eine Radspur und ein Fußweg sollen auf dem Neubau der Mühlendammbrücke angeordnet werden, wenn sie 2029 komplett fertig ist. Statt der Busspuren sollen später zwei separate Straßenbahngleise für die lange geplante Verlängerung der M4 zum Potsdamer Platz auf die Brücke kommen.
Auf Nachfrage der Grünen-Verkehrspolitikerin Oda Hassepaß, wann die Tram denn kommen soll, wird Verkehrssenatorin Ute Bonde jedoch vage. Sie verweist auf den zu erarbeitenden »Masterplan Mitte«. Solange der nicht vorliege, könne sie »zu einer zeitlichen Komponente, aber auch zu einer inhaltlichen Komponente noch gar nichts sagen«. Sollte die Straßenbahn nicht kommen, werde die Fahrspur »für Autos« verwendet, sagt Bonde und wird gleich von Lutz Adam korrigiert: »Wenn die Straßenbahn später kommt, brauchen wir in jedem Fall die Busspur.«
»Wir können auf die Straßenbahn dort nicht verzichten«, sagt Oda Hassepaß zu »nd«. »Man hat sich jahrelang damit beschäftigt, Millionen in die Planung investiert und nachgewiesen, dass die Strecke sehr sinnvoll ist. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Tram nicht kommt«, so Hassepaß weiter.
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