- nd-Commune
- 106. nd-Wanderung
Auf schmalen Pfaden durch den Wald
Überfluteter Weg und widerständige Baumhäuser: Die abenteuerliche 106. nd-Wanderung
»Es ist eine historische Wanderung«, sagt Uwe Hiksch von den Naturfreunden Berlin in Erkner. Das erste Mal, seit es die nd-Wanderung gibt, ist sie in Zusammenarbeit mit den Naturfreunden auf die Beine gestellt worden. Man kenne sich aus linken Strukturen, sagt Hiksch und führt die erste Wandergruppe durch die Rudolf-Breitscheid-Straße hinaus aus der Stadt und hinein ins Löcknitztal auf dem Weg zum Tesla-Protestcamp. Etwa 100 nd-Verbundene haben sich am Sonntag in zwei Gruppen auf den Weg durchs Grüne gemacht.
Kaum im Grünen angekommen, beginnt der schöne und bisweilen etwas abenteuerliche Teil der Herbstwanderung. Hiksch führt die etwa 40 Menschen große erste Gruppe auf einen schmalen Pfad über eine Wiese. »Kein öffentlicher Wanderweg. Betreten auf eigene Gefahr«, warnt ein Blechschild die Wandersleute. Im Gänsemarsch setzt sich die Gruppe in Bewegung und folgt dem kleinen Pfad, der sich direkt an der Löcknitz entlang zwischen Wald und Wasser Richtung Osten schlängelt.
Am Wupatzsee angekommen genießen die nd-Leser*innen eine tolle Aussicht, in der Ferne lässt sich ein Silberreiher blicken. Aber: Ein Teil des Weges zwischen See und Löcknitz steht unter Wasser. Hiksch muss zusammen mit einem anderen Wanderer den Menschen über die große Pfütze helfen. »Solche Hindernisse bauen wir Naturfreunde immer ein, um euch für den Klassenkampf auszubilden«, sagt Hiksch scherzend, und gibt dann zu, dass der überflutete Weg tatsächlich nicht vorgesehen war. »Seit 25 Jahren führe ich hier und noch nie war der Weg überschwemmt.«
Weiter geht es dem Verlauf der Löcknitz flussaufwärts folgend durch den Wald. Zwischendurch müssen Vermisste wiedergefunden werden und die große Gruppe braucht ein wenig länger als vorgesehen für die Strecke. Kurz vor dem Bahnhof Fangschleuse, an einem Parkplatz im Wald an der Kreuzung zur Landstraße, befindet sich ein Denkmal. »Allen Opfern von Krieg, Faschismus und Gewaltherrschaft zum Gedenken«, steht darauf. Die Formulierungen seien typisch für die Gedenkkultur in der DDR, sagt Hiksch. »In Westdeutschland waren es die ›Helden‹, hier die ›Opfer‹«, sagt er. Außerdem sei der Begriff »Faschismus« in der damaligen BRD nicht verwendet worden.
»Vor allem ist es gut, dass die Wanderung erhalten bleibt.«
Iduna Dressel nd-Leserin
Weiter geht es zur Besichtigung des Protestcamps gegen die riesige Fabrik des US-amerikanischen Elektroauto-Herstellers Tesla. Ein*e der Waldbesetzer*innen zeigt vor Ort, wie es den Camp-Bewohner*innen gelingt, mit Kletterseilen zu den hohen selbst gebauten Baumhäusern zu gelangen. »Ein so schönes Widerstandscamp wird es so schnell nicht wieder geben«, sagt Hiksch.
Der Naturfreund erläutert die sozial-ökologischen Beweggründe für den Widerstand gegen die Autofabrik: Der hohe Wasserverbrauch in der trockenen Region, die globalen Ausbeutungsverhältnisse, die Fortführung des individuellen Autoverkehrs und die Einschätzung, dass Elektroautos kaum klimafreundlicher sind als andere. Deswegen müsse man mit den Gewerkschaften zusammen in den Betrieben eine Umwandlung vorantreiben, um sinnvolle Dinge zu produzieren, etwa öffentliche Verkehrsmittel. »Der Protest hier im Wald ist sehr wichtig. Ohne das Camp würde der Widerstand gegen Tesla einschlafen«, sagt Hiksch und ruft die nd-Leser*innen zur Unterstützung der Waldbesetzung auf.
Zum Protestcamp führte der Weg bereits am Bahnhof Fangschleuse und dem griechischen Restaurant »Dionysos« vorbei. Viele aus der Wandergruppe von Uwe Hiksch erleichtern ihr Gepäck um die Startkarte, bevor sie zum Protestcamp weiterlaufen. Denn an der Verlosung wollten nach der Strecke alle teilnehmen. Die zweite geführte Gruppe ist hingegen froh, als sie das Restaurant erreicht. Sie haben sich mit ihrem Wanderleiter verlaufen und sind dadurch mehr als die vorgesehenen neun Kilometer gewandert. Nun freuen sie sich, endlich einkehren zu können.
Die Ziehung haben in diesem Jahr Gesine Lötzsch, Lichtenbergs Bundestagsabgeordnete für Die Linke seit fast 23 Jahren, und Rouzbeh Taheri, geschäftsführender Vorstand des »nd«, übernommen. Vier Fragen gab es auf dem Weg richtig zu beantworten, um an der Auslosung teilnehmen zu können. Den ersten Preis hat in diesem Jahr nd-Leser Peter Heinig gewonnen. Er ist froh, dass kein Fahrrad verlost wurde. »Das hätte ich nicht haben wollen«, sagt er zu »nd«. Der Preis ist in diesem Jahr eine brandenburgische Urwald-Patenschaft mit Exkursion. Schon zum 15. Mal nimmt Heinig mit seiner Frau an der Wanderung teil. Sie kommen immer wieder, weil sie auf diese Weise immer neue Ecken kennenlernen können, in die sie sonst nicht kommen. Und weil es immer schön war.
Ebenfalls begeistert ist Brigitte Kanner, die zum ersten Mal an einer nd-Wanderung teilnimmt, und das, obwohl sie bereits seit den 1990er Jahren das »nd« abonniert hat. Begleitet wird sie von ihrer Tochter, die sich ebenfalls vorstellen kann, im nächsten Jahr wieder mitzuwandern. Über ihre Mitwandernden sagt sie: »Es waren alle sehr aufgeschlossen und freundlich, das hat mir sehr gut gefallen.« Auch Leserin Iduna Dressel hält die nd-Wanderung in diesem Herbst für einen Erfolg. »Ich bin schon sehr oft mitgelaufen. Es macht viel Spaß und war eine schöne Strecke«, sagt sie zu »nd«. Dass die Wanderung mit den Naturfreunden zusammen veranstaltet wurde, hat ihr gut gefallen. »Vor allem ist es gut, dass die Wanderung erhalten bleibt und mindestens einmal im Jahr stattfindet«, sagt Dressel.
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