Vor der Bezahlschranke

Die Macht der zwei Worte: »Pay here!«

  • Alfons Huckebrink
  • Lesedauer: 3 Min.
Egal, wie du dich fühlst: »Pay here!«
Egal, wie du dich fühlst: »Pay here!«

Warum viele Worte machen, wenn zwei ausreichen? »Pay here!«. Völlig ausreichen in eindeutigen Angelegenheiten wie diesen. »Pay here!« Das unmissverständliche Diktum des schnöden Zahlungsverkehrs. Und auch die nüchterne Aufforderung am Eingang zum öffentlichen Parkhaus. In dessen x-ter Ebene wartet das Auto darauf, ausgelöst zu werden. Und ausschließlich gegen Quittung gelangt dein Fortbewegungsmittel wieder ins Fahrtfreie, ins übliche Stop- and-Go-Geschiebe also. »Pay here!« Keine anderen Wörter könnten die brutale Logik des kapitalistischen Prozederes akkurater auf den Begriff bringen als diese beiden einsilbigen schmallippigen englischen. Marktradikales Mantra, weltweit verständlich. »Pay here!« Zwei nackte Worte, die es in sich tragen, das Unumgängliche, das unser Leben prägt: zur Kasse. Die Rechnung wird zur Abrechnung. Immer und überall. Ein konsternierender Imperativ, von unwiderstehlicher Wirkung. Schnörkellos und befreit vom »Please, please me«-Gesäusel und Bittebitte-Gebrabbel.

Sämtliche Verführungen, Verlockungen, Verheißungen neoliberalen Budenzaubers erweisen sich in ihm als Teil von dem, was sie wesentlich camouflieren: Beutelschneiderei, obwohl dieser Begriff in seiner abenteuerlichen Bildkräftigkeit fast romantisch anmutet. Hier hingegen geht es sachlich zur Sache, zur Hauptsache. Entrinnen unmöglich. Ob in bar, per Karte, kontaktlos – Lebenshaltungskosten müssen beglichen werden. Auch mit der Gesundheit, dem Glück, einer lichten Zukunft. Mit Blut, Schweiß und Tränen. Nicht zu vergessen mit Schlaflosigkeit. Ganz allgemein: Mit der Kreditwürdigkeit.

Geld und Begehren: »Schau nicht hin, sie wollen alle nur das Eine: dein Geld«, pflegte meine Oma zu bemerken, wenn sie den Verheißungen der TV-Werbung ausgesetzt war. Und steckte mir, dem am Bafög-Tropf hängenden Studenten, hin und wieder zum Monatsende einen zerknitterten Zehner zu. »To make ends meet«, wie sie wiederum auf Englisch so trefflich sagen. Meine Oma, die stets kreditwürdig war, den Begriff gar nicht kannte und zeitlebens kein Geld aufgenommen hat, außer hin und wieder einen mickrigen Münzfund von der Straße. To make ends meet meint: Über die Runden kommen. Oder wie man früher gesagt hat: Zahlemann & Söhne. Oder noch früher: Zwischendurch Stroh zu Gold spinnen. Übermorgen hol’ ich der Königin ihr Kind. »Pay here!«, Kontoführung als Existenzbeweis. Und als Effizienznachweis. Heute kaufen, morgen bezahlen. Oder besser gleich. Der Mensch reduziert auf das Wesentliche, eigentlich zählende.

Klemmt die Bezahlfunktion, bleibt wenig von ihm übrig. Der Mensch wird zum Bittsteller vor dem Herrn. Tagedieb und Taugenichts vor der Bezahlschranke. »Money (That’s what I want)«, Barrett Strongs Song von 1959 kennt 67 Coverversionen, darunter 1963 jene von den Beatles. Darin heißt es: »Money don’t get everything, it’s true / But what it don’t get, I can’t use«. Daran gibt es nichts zu deuteln. Und früher? »Rock ist weg, Stock ist weg, / Augustin liegt im Dreck. / O, du lieber Augustin, alles ist hin!« verkündete das Kinderlied, eine Absturz-Klimax. Aufstehen? »Pay here!« Manche stottern lebenslänglich etwas ab. Denken bleibt kostenlos, denke ich. Wenigstens das. Und manchmal nicht folgenlos. Zähneknirschend berappe ich 40 Euro für die Parkzeit meines Autos. Das ist ein stolzer Tagessatz. Wäre ich besser mit dem ÖPNV gefahren. Lehrgeld? »Pay here!«

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