Die miesen Tricks des Billig-Konzerns TK Maxx

Der Schnäppchen-Konzern hat es nicht gerne, wenn seine Belegschaft organisiert ist. Eine Betriebsrätin bekommt das zu spüren

Freundliche Fassade, billige Preise, billige Löhne – das Geschäftsmodell von TK Maxx funktioniert. Interesse an Betriebsräten hat der Konzern offenbar nicht.
Freundliche Fassade, billige Preise, billige Löhne – das Geschäftsmodell von TK Maxx funktioniert. Interesse an Betriebsräten hat der Konzern offenbar nicht.

Das Jahr 2017 wirkt lange her, dazwischen liegen Pandemie, Kriege, Inflation. Elin* arbeitet zu dem Zeitpunkt in Aschaffenburg für den Einzelhandelskonzern TK Maxx als Loss Prevention Advisor, eine Art Ladendetektivin. Seit sieben Jahren ist sie im Unternehmen angestellt. Die Arbeitsbedingungen für die überwiegend weiblichen Beschäftigten in den Stores, so werden die Filialen im Unternehmen genannt, sind nicht gut: Die Bezahlung für ungelernte Beschäftigte liegt knapp über dem Mindestlohn, reicht gerade so zum Leben. Die Arbeitstage sind lang. »Ich war oft erst um 11 Uhr nachts zu Hause, obwohl die Schichten offiziell nur bis 21 Uhr gingen«, erzählt auch Ajana*, sie ist wie Elin ehemalige Betriebsrätin im Unternehmen. Zuschläge habe es nicht gegeben. Auch sollen Minusstunden angerechnet worden sein, wenn nicht schon nach einem Tag die Krankmeldung vorlag.

Der US-Konzern, um den vor allem unter Jugendlichen ein regelrechter Hype herrscht, vertreibt hauptsächlich Bekleidungsartikel. Aber auch Spielzeug, Kosmetik, Accessoires, Möbel sowie Küchenutensilien gibt es im Programm. Damit befindet sich das Unternehmen auf Wachstumskurs: Nachdem der Einzelhandelsriese im Jahr 2007 seine erste Filiale in Deutschland eröffnet hatte, betreibt er hier inzwischen 174 der über 640 europäischen Stores. Das schlägt zu Buche: Im Jahr 2023 erzielte die Deutschland-Sparte einen Umsatz von fast 1,4 Milliarden Euro. Der Nettogewinn des Dachkonzerns stieg um 6,5 Prozent auf 3,5 Milliarden US-Dollar, Tendenz weiter steigend.

Während das Geschäft brummt, wehrt sich der Konzern gegen den Abschluss von Tarifverträgen für die Beschäftigten, die oftmals eine Migrationsgeschichte haben – entweder sie selbst, oder sie sind Kinder von Gastarbeiter*innen aus der Türkei, Griechenland, oder sie kommen aus Osteuropa. Gegen die unzumutbaren Bedingungen regt sich Widerstand, Beschäftigte in verschiedenen Filialen beginnen, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Das nimmt, einmal in Gang gesetzt, ab 2018 Fahrt auf: Nach und nach gründen sich verstreut über die Republik Betriebsräte. Am Ende sollen es rund zwanzig sein, wie es aus Gewerkschaftskreisen heißt. Einige von ihnen werden sogar in den Gesamtbetriebsrat des Unternehmens gewählt. Man arbeitete zusammen, vertraute sich, berichtet Ajana.

Für einen Augenblick scheint es so, als könnte der Kampf zu einer Erfolgsgeschichte werden: Die Beschäftigten setzen geregelte Arbeitszeiten und gesetzliche Krankenregelungen durch. Als der Konzern während der Corona-Pandemie Kurzarbeit beantragte und ihnen Unregelmäßigkeiten bei der Einsatzplanung auffallen, lassen sie nicht locker. Sie formulierten Protest gegen das Vorhaben der Unternehmensleitung, infolge der Inflation ab 2021 zwar das Einstiegsgehalt für Verkäufer*innen auf 13 Euro anzuheben, nicht aber die Gehälter für langjährige Beschäftigte.

Im Herbst 2022 spitzt sich der Konflikt zu: Der Konzern leitet betriebsinterne Ermittlungen gegen Elin ein. Sie soll eine Kollegin gemobbt haben, so der Vorwurf. Von »Verbalgewalt, Beschimpfungen, Belästigungen und Anmaßungen« ist die Rede. Zudem wird ihr vorgeworfen, dem Konzern schaden zu wollen. Dafür zeichnet das Management ein nahezu dämonisches Bild: Es sei ihr um »maximale Schädigung, regelrechte Vernichtung ihres Gegners gegangen«, heißt es im erstinstanzlichen Urteil vom Februar dieses Jahres, das »nd« vorliegt. Höhere Löhne habe sie durch einen Aufruf zu einem wilden Streik »erpressen« wollen. In einer Mail vom September 2022 hatte Elin vorgeschlagen, die Personal-Einsatzplanung im Vorweihnachtsgeschäft zu stören. Damit wollte sie im Zuge des Streits um bessere Arbeitsbedingungen Druck auf den Betrieb aufbauen. Im Zuge der internen Ermittlungen wird Material im Umfang von über tausend Seiten gesammelt, am 15. Dezember folgt die außerordentliche Kündigung.

»Was bei TK Maxx passiert, ist ein Paradebeispiel der Methode, kritische Betriebsräte zu vernichten.«

Work Watch

Da aber Betriebsräte einen besonderen Kündigungsschutz genießen, konnte sie nicht einfach so entlassen werden. Zunächst musste das Betriebsratsgremium zustimmen. In einer ersten Abstimmung stellte es sich hinter ihre Kollegin. Doch dann wurde ein Mitglied, das Elin unterstützte, aus dem Betriebsrat ausgeschlossen. Die Mehrheiten im Gremium veränderten sich, und im zweiten Anlauf wurde der Kündigung zugestimmt. Besonders brisant: An der entscheidenden Sitzung sollen auch jene Betriebsratsmitglieder teilgenommen haben, die die Mobbingvorwürfe erhoben hatten. Von den tausend Seiten ist am Ende nur der kleinste Teil für das Urteil relevant. Der Vorsitzende Richter stützt sich vor allem auf die angebliche Schädigungsabsicht. Die Kündigung sei rechtens gewesen, heißt es.

Während TK Maxx auf »nd«-Anfragen nicht reagiert, zeichnen Darstellungen von Betriebsrät*innen, mit denen ich sprechen konnte, ein anderes Bild: Elin setzte sich, auch orientiert an konkreten Problemen im Betrieb, für die Interessen ihrer Kolleg*innen ein. Gerade unter den organisierten Beschäftigten war sie beliebt, erhielt im Zuge des Verfahrens zahlreiche Unterstützungsbekundungen. Die Vorwürfe gegen Elin beruhen überwiegend auf Hörensagen, erklären sie. Und Aussagen, die den Anschuldigungen widersprechen, sollen im Zuge der internen Ermittlungen nicht gehört worden sein. Dass die betriebsratsinterne Kommunikation überhaupt an den Arbeitgeber gelangt ist, sei ein Skandal. Der Verdacht liegt nahe, dass jemand die Mail an die Konzernleitung durchgestochen haben muss.

Das Vorgehen des Konzerns wirkt professionell vorbereitet, trage die Handschrift der Kanzlei um den Rechtsanwalt Jan Schiller, heißt es aus Gewerkschaftskreisen. Er sei für seine Expertise bekannt und genieße unter Arbeitgebern einen guten Ruf, wenn es um die Bekämpfung von unliebsamen Betriebsräten geht. Ein Skandal, finden Kritiker*innen, darunter Aktive der Initiative »Work Watch«, die den Fall schon lange begleiten. »Was bei TK Maxx passiert, ist ein Paradebeispiel der Methode, kritische Betriebsräte zu vernichten«, kritisiert die Initiative in einer Mitteilung zu dem Fall.

Unterstützung für den langwierigen Rechtsstreit bekommt Elin auch von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Die ordnet das Vorgehen des Konzerns als »Union Busting« ein. Eine Praxis von Unternehmen, um aktive Gewerkschafter*innen mundtot zu machen. Damit soll deren Macht geschwächt werden. Diese Praktiken können sowohl legale als auch illegale Methoden umfassen, die subtil oder gewaltsamen ausfallen.

Bei TK Maxx reiche das von Versuchen, Betriebsratswahlen zu verhindern oder in ihrem Sinne zu beeinflussen, über Abmahnungen und Kündigungen bis hin zu aggressiven Mobbing-Strategien, erklärt Nils Schmidbauer von Verdi. Er ist Gewerkschaftssprecher für den Landesbezirk Bayern. »Die Beschäftigten werden teilweise mit Falschbehauptungen angeschwärzt.« Der Gewerkschaft liegen mehrere Berichte über entsprechende Vorfälle im Konzern vor. Einige Betriebsrätinnen und Betriebsräte berichten mir davon, vom Unternehmen mit unhaltbaren Vorwürfen konfrontiert worden zu sein. Zwei sind eigenen Angaben zufolge mittlerweile langfristig erkrankt. Elin sei vom Vorgehen seitens des Unternehmens mitgenommen, weiß Ajana. Sie soll unter Schlafstörungen leiden und gar Bedrohungen ausgesetzt gewesen sein.

Die Störung von Betriebsratswahlen oder der Arbeit der Gremien ist eigentlich gesetzeswidrig. Doch dagegen vorzugehen, sei schwierig, sagt Schmidbauer. »Da passiert viel auf einer persönlichen Ebene.« Aktive würden in direkten Gesprächen unter Druck gesetzt, oft subtil. Die meisten Fälle bleiben unter dem Radar der Ermittlungsbehörden, nur selten kommt es zu Anklagen.

Auch darum fordern Gewerkschaften eine Strafverschärfung bei entsprechenden Delikten sowie Staatsanwaltschaften, die sich hauptsächlich um Ermittlungen bei Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz kümmern. Die Ampel-Parteien hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, hier aktiv zu werden und entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen. Doch bislang hat sich weder auf Bundes- noch auf Landesebene in die Richtung etwas getan – für die Einsetzung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften wären die Länder zuständig.
Den Gewerkschaften bleibt daher vorerst wenig anderes übrig, als sich strategisch zu überlegen, in welchen Fällen sie Zeit, Energie und Geld für den Kampf gegen Betriebsratsmobbing bereitstellen können. Das macht auch die Auseinandersetzung bei TK Maxx schwierig, wo der Organisierungsgrad aufgrund der prekären Arbeitsbedingungen vergleichsweise niedrig ist.

Die strategischen Erwägungen kann Wolfgang Alles vom Komitee »Solidarität gegen BR-Mobbing!« zwar nachvollziehen. Er ist ehemaliger Betriebsrat beim Kraftwerksbauer Alstom Power und aktiver IG Metaller. Doch aus seiner Sicht lässt die zuständige Gewerkschaft Elin und die anderen Betriebsrät*innen im Stich. Es geht ihm auch um übergeordnete Fragen: Seit Jahren nehmen die Bemühungen seitens kleiner, mittlerer und großer Unternehmen zu, gegen die organisierte Belegschaft vorzugehen, erklärt er. Die Gewerkschaften haben in der Regel zu langsam auf diese Entwicklung reagiert. Immerhin hat die IG Metall eine Anlaufstelle beim Vorstand gegründet, die sich auf die Abwehr von Union Busting-Strategien konzentriert.

Etwas Vergleichbares gibt es bei Verdi bislang nicht. Das wäre im Hinblick auf den Gegner jedoch maßgeblich: TK Maxx hat viel Geld, kann sich spezialisierte Anwält*innen und einen langen Rechtsstreit leisten. Ganz im Gegensatz zu Elin, die einstweilen erwerbslos ist und mit ihren 61 Jahren Schwierigkeiten haben dürfte, einen neuen Job zu finden. Einen Anwalt kann sie sich aber dank der vielfältigen Solidarität immerhin leisten. Den braucht sie auch: Am 9. Oktober steht das Berufungsverfahren an, diesmal vor dem Landesarbeitsgericht in Nürnberg. Ob das Skandalurteil aus Würzburg aufgehoben wird, wie Kritiker es nennen, ist alles andere als ausgemacht.

*Name durch die Redaktion geändert.

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