»Made in Germany«: Kompliment oder Rassismus?

Die Serie »Made in Germany« erzählt in sechs Episoden migrantische Geschichten aus Berlin zwischen urbaner Hipness und familiärer Tradition

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.
Es gibt sechs Episoden über sechs hippe, junge Berliner*innen mit migrantischem Hintergrund.
Es gibt sechs Episoden über sechs hippe, junge Berliner*innen mit migrantischem Hintergrund.

Als die junge Ani (Maria Mai Rohmann) in einem Berliner Club einen Mann kennenlernt und mit ihm flirtet, macht der plötzlich seltsame Anspielungen auf ihren vietnamesischen Familienhintergrund, nimmt sie in den Arm und sagt: »Ich mag eure zierlichen Körper.« Sie schiebt ihn angewidert weg, während er versucht, seine rassistische Idiotie zu rechtfertigen mit den Worten: »Das ist als Kompliment gemeint.« Da packt sie ihn am Hosenbund, kippt ihm ihr Bier in den Schritt und sagt: »Das ist auch als Kompliment gemeint.« Die sechsteilige Serie »Made in Germany« erzählt in halbstündigen Episoden pointiert von sechs Anfang zwanzigjährigen Berliner*innen, die als sogenannte Migrant*innen in zweiter Generation in Deutschland leben und immer wieder mit unterschiedlichen Formen von Rassismus konfrontiert werden. Das reicht von körperlich übergriffigen Beamten der Lebensmittelbehörde, die Anis Vater in seinem vietnamesischen Restaurant drangsalieren, bis hin zu Berliner Polizisten, die bei einer Verkehrskontrolle gleich gewalttätig werden, als ihnen jemand Racial Profiling vorwirft. Wobei »Made in Germany« vor allem die vermeintlich subtileren Mechanismen rassistischer Ausgrenzung in Szene setzt.

Interessiert sich der junge Kerl, den Jamila (Paula Julie Pitsch) in einer Galerie kennenlernt und dann datet, wirklich für sie? Oder ist die nicht-weiße Jamila nur ein bestimmter Typus, den dieser »Johannes«, wie ihn Jamilas Freundin irgendwann abfällig nennt, immer wieder sucht, um sich darüber hinaus mit dieser Liaison eine bestimmte rassismuskritische Credibilty zu erwerben. Die sechs sehr kurzen und schnell erzählten Episoden von »Made in Germany« greifen alle ineinander, die sechs hippen, jungen Berliner*innen kennen sich seit Jahren und sind befreundet. Mitunter kommen diese Geschichten auch mal ein wenig bemüht daher. Das dürfte aber auch vor allem am kurzen Format liegen, das die Serienmacher*innen dazu zwingt, ihre ebenso gefühlvoll wie ironisch erzählten Geschichten zu überspitzen. Was dabei herauskommt, legt aber jede Menge Konfliktlinien im Alltag frei. Coumba (Vanessa Yeboah) träumt davon, Model zu werden und wird das Gesicht für die Kampagne eines Sportlabels. Aber von einer linken, antirassistischen Gruppe, zu der auch ihr Bruder gehört, wird sie heftig dafür kritisiert. Ist das Blackwashing, was sie da treibt? Hilft sie, das angeschlagene Image des Konzerns reinzuwaschen, der für die Ausbeutung seiner nicht-weißen Arbeitskräfte im globalen Süden in der Kritik steht?

Bei »Made in Germany« stehen aber nicht nur migrantische Menschen vor der Kamera, von denen einige auch Laiendarsteller*innen sind. Die Macher*innen der Serie, Naomi Bechert, Bahar Bektaş, Duc-Thi Bui, Ozan Mermer, Duc Ngo Ngoc, Anta Helena Recke, Sharon Ryba-Kahn und Raquel Stern, haben ebenfalls einen migrantischen Hintergrund und lassen ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen in die Produktion einfließen. So geht es um eine Familie, deren Eltern in den Irak zurückkehren wollen, nur haben die mittlerweile (fast) erwachsenen Kinder überhaupt keine Lust, Berlin zu verlassen. Mo (Mohamed Kanj Khamis) will lieber auf die Filmhochschule gehen und seine Schwester Seyran (Bayan Layla) möchte Designerin werden. Die Eltern kommen damit erst mal gar nicht klar. Überhaupt wird in diesen Episoden, in denen es ebenso um großstädtische Hipness wie um traditionelle Familienwerte geht, auch viel und heftig gestritten. Egal, ob es um das Coming Out von Zehra (Beritan Balci) geht, deren Vater im Sterben liegt, oder um die Frage, wie Nikki (Daniil Kremkin) als junger Berliner und seine belarussische Familie mit ihrem jüdischen Erbe umgehen. »Made in Germany« reißt all diese Geschichten zwar letztlich nur an, entwirft aber ein ebenso unterhaltsames, wie manchmal auch unter die Haut gehendes Panorama ineinandergreifender Berliner Migrationsgeschichten, die im öffentlich-rechtlichen Medienbetrieb sonst viel zu kurz kommen.

»Made in Germany« in der ARD-Mediathek

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