- Berlin
- Inklusion
Persönliche Assistenz: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit
Bei einer Kundgebung vor dem Berliner Sozialsenat erhoben Beschäftigte schwere Vorwürfe gegenüber der Politik
»Gleicher Lohn für gleiche Arbeit in der Persönlichen Assistenz« und »Selbstbestimmung in Gefahr« stand auf den Schildern, mit denen am Donnerstagmittag etwa 70 Personen vor dem Amtssitz der Senatsverwaltung für Soziales in Kreuzberg demonstrierten. Neben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte auch die Arbeitsgemeinschaft der Arbeitgeber*innen mit Persönlicher Assistenz (AAPA) zu der Kundgebung aufgerufen.
In dem 2021 gegründeten Verein haben sich 170 Arbeitgeber*innen zusammengeschlossen. Dabei handelt es sich um Menschen mit Behinderung, die ihre persönlichen Assistent*innen mit ihrem eigenen, vom Staat finanzierten Budget bezahlen. Dieses Modell garantiert Menschen mit Behinderung ein Höchstmaß an Selbstbestimmung. Die sehen viele der Kundgebungsteilnehmer*innen in Gefahr, wenn ihre Forderungen nicht umgesetzt werden. Die persönlichen Assistent*innen im sogenannten Arbeitgebermodell forderten auf der Kundgebung die vollständige Anerkennung und Refinanzierung ihres Tarifvertrags.
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
»Die Senatsverwaltung für Soziales greift die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung an«, heißt es in einer Pressemitteilung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Sie hat auch zur Kundgebung vor dem Amtssitz von Cansel Kiziltepe (SPD) aufgerufen.
Schon im Juni 2024 hatte Verdi vor der Zentrale der AOK-Nordost in Kreuzberg protestiert. Damals ging es um die Umsetzung eines Tarifvertrags, den die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit zwei Anbietern für persönliche Assistenzdienste im Dezember 2023 geschlossen hatte und der über viele Monate nicht umgesetzt wurde. Kernpunkt sind Lohnerhöhungen analog zum Tarifvertrag der Länder (TV-L). Die Forderungen wurden Ende Juni umgesetzt. Dadurch entstanden für knapp 1000 Persönliche Assistent*innen, die bei keinem dieser Dienste beschäftigt sind, gravierende Einkommensunterschiede. Doch die Einkommensspreizung könnte schnell zu Ende sein. Schließlich hat Verdi den bundesweit ersten Tarifvertrag für die Persönliche Assistenz im Arbeitgebermodell mit dem AAPA abgeschlossen.
Auf der Kundgebung am 10. Oktober wurde die schnelle Umsetzung dieses Tarifvertrags gefordert. »Frau Kiziltepe ist in der Frage der Anerkennung und Refinanzierung des Tarifvertrags komplett abgetaucht«, kritisiert Verdi-Sekretär Ivo Garbe gegenüber »nd«. Sie lasse über ihren Staatssekretär kommunizieren, dass die Senatsverwaltung für Arbeit nicht bereit sei, die zwischen AAPA und Verdi im Sommer abgeschlossenen Tarifverträge zu refinanzieren.
Die Tarifverträge regeln den Nachvollzug des letzten Abschlusses der Landesbeschäftigten in Höhe von Tabellensteigerungen von 200 Euro im November 2024 und weiteren 5,5 Prozent Tabellensteigerungen im Februar 2025 sowie die Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3000 Euro netto. »Bleibt die Senatorin bei dieser Haltung, dann würde sie ihr Versprechen brechen, dass Tarifverträge in ihrem Zuständigkeitsbereich refinanziert werden, sie wäre nicht tariftreu«, formuliert Garbe einen weiteren harten Vorwurf an die linke Sozialdemokratin Kiziltepe.
Nach der Kundgebung ist Garbe vorsichtig optimistisch. Der persönliche Referent der Sozialsenatorin David Wienford sprach mit den Protestierenden und nahm die Kopien der Tarifverträge entgegen, die von der Senatorin umgesetzt werden sollen. »Wir erwarten, dass wir in den nächsten 14 Tagen darüber mit Cansel Kitziltepe ins Gespräch kommen«, erklärt Ivo Garbe. Sollte die Frist ohne Gesprächstermin verstreichen, will die Gewerkschaft gemeinsam mit den Beschäftigten der Persönlichen Assistenz weitere Proteste planen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!