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La Hengst: »Eine eigene Sprache«
Die Relevanz des Dazwischenseins: Die Musik von Die Braut haut ins Auge ist wieder verfügbar. Ein Gespräch mit Bernadette La Hengst
Im Internet wird Die Braut haut ins Auge als die »einzige Frauenband der sogenannten Hamburger Schule« bezeichnet. Passt das?
Streng genommen sind beide Attribute – also »einzige Frauenband« und »Hamburger Schule« – etwas fragwürdig. Aber da man ja immer irgendwelche Schubladen braucht, wurden wir dort eingeordnet. Wir waren aber nie die Band, die 1000 verschwurbelte Philosophie-Zitate in einen dreiminütigen Popsong packen muss. Und es gab auch schon damals andere Frauen in Hamburg, die tolle Musik gemacht haben: Nixe von den Mobylettes etwa oder auch Katrin Achinger von den Kastrierten Philosophen, später auch Ebba Durstewitz oder Elena Lange.
Christiane Rösinger von den Lassie Singers hat früher immer gesagt, solange nicht von Männerbands geredet werde, verbitte Sie sich den Begriff »Frauenband«.
Ja, das ist gut auf den Punkt gebracht. Früher war in Interviews immer eine der ersten Fragen: Wie fühlt es sich denn so an als Frauenband? Das war schon schräg, weil Männerbands natürlich nie gefragt wurden, wie es sich für sie anfühlt. Insofern ist es durchaus symptomatisch für uns als Band, dass auch dieses Interview mit diesem Aspekt beginnt – auch wenn ich zuversichtlich bin, dass noch viele andere interessante Fragen folgen werden.
Die Musikerin und Theatermacherin Bernadette La Hengst, Jahrgang 1967, kommt wie viele andere aus der Hamburger Schule aus Ostwestfalen, ging 1988 nach Hamburg und sang dann in der Band Die Braut haut ins Auge, die sich 2000 auflöste. Ihre Musik kann man jetzt wieder hören und kaufen.
Ja, dann legen wir mal los. Wie kommt es denn, dass nun – 24 Jahre nach der Trennung der Band – das öffentliche Interesse an ihr neu entfacht wird?
Das war mit der digitalen Wiederveröffentlichung unserer Alben und der kommenden Vinyl-Best-Of durchaus so geplant von mir. Wir hatten zirka 20 Jahre lang die absurde Situation, dass unsere Musik praktisch nicht mehr öffentlich zugänglich war, da unsere alte Plattenfirma BMG damals alle unsere Tonträger vernichtet hat. Die Lagerungskosten waren nämlich höher als die Kosten für die Zerstörung der Platten. Nicht zuletzt wurden wir durch die NDR-Doku über die Hamburger Schule von Natascha Geier im Frühjahr wieder ins öffentliche Bewusstsein gespült. Wir waren darin ja auch vertreten und sollten so ein bisschen die weibliche Sicht auf die Szene einbringen. Aber kaum jemand kannte noch unsere Musik, deshalb hat sich so ein kleiner Mythos um die Braut gebildet.
Wie fühlt es sich für Sie an, nach so langer Zeit wieder mit der Musik aus Ihrer Frühphase konfrontiert zu werden?
Ich bin ganz glücklich damit. Es ist berührend für mich, dass es diese Songs wieder gibt. Man fragt sich natürlich: Was von damals ist auch heute noch relevant? Und ich finde: erstaunlich vieles.
Was denn?
Das Dazwischensein. Dafür wurden wir damals stark kritisiert, auch von den Jungs der Hamburger Schule. Dass wir nicht eindeutig politisch, feministisch, Punk Rock oder Riot Grrrl waren. Wir haben uns eine eigene Sprache mit feiner Ironie und vielen autobiografischen Bezügen erarbeitet. Dadurch hatten die Songs auch diese Self-Empowerment-Energie. Vielleicht am ehesten vergleichbar mit den Aeronauten aus der Schweiz, die ich auch immer sehr mochte. Wir haben straighte Geschichten erzählt, die aber manchmal auch ein bisschen um die Ecke gedacht waren.
Haben Sie ein Beispiel?
Auf unserem ersten Album gibt es zum Beispiel den Song »Mondän«. Der Song ist aus der Perspektive eines Mannes geschrieben, der sich in einer Sadomaso-Beziehung mit einer Frau befindet und sich darin wohlfühlt. Das habe ich aber als Frau gesungen, weshalb es oft als lesbische Liebesgeschichte interpretiert wurde, was ich auch toll finde! Es wirft eben die auch heute noch aktuelle Frage auf: Aus welcher Position spreche ich?
Sie haben die NDR-Doku von Natascha Geier angesprochen, die kontroverse Diskussionen nach sich gezogen hat. Das hat ja auch noch mal vor Augen geführt, dass die Szene stark weiß, männlich, heterosexuell und bürgerlich geprägt war. War sie im Rückblick betrachtet vielleicht doch nicht so progressiv, wie sie sich gern gesehen hat?
Diesen progressiven Anspruch gab es. Ich erinnere an das Zitat von Blumfeld: »Wir sind politisch und sexuell anders denkend.« Das wurde so aber nicht eingelöst. Was den Aspekt der Bürgerlichkeit betrifft: Das trifft durchaus zu, und dahinter sehe ich letztlich auch das Problem, dass Leute mit bürgerlichem Background und der damit verbundenen Aussicht auf Erbschaft und finanzielle Sicherheit eher das Gefühl haben, auch mal ausscheren und finanziell was riskieren zu können. Man denke etwa an Michael Girke, der mit seiner Band Jetzt! ein wichtiger Vorläufer der Hamburger Schule war, aber einen sehr prekären familiären Background hatte, und seine musikalische Laufbahn dann ja auch sehr früh an den Nagel gehängt hat.
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Auch für Ihre Musik ist das Politische prägend. Im vergangenen Jahr ist ihr neues Soloalbum »Visionäre Leere« erschienen. Was macht die Leere für Sie visionär?
Der Titeltrack des Albums handelt von der Lausitz und den dortigen Kohlelandschaften. Die sind natürlich nicht wirklich leer, aber zumindest leer von jedem Leben. Gleichzeitig adressiert der Titel implizit aber auch die inhaltliche Leere der politischen Linken, die es wieder mit Visionen zu füllen gilt. Nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland mehr denn je.
Bei einem Auftritt im Juni in Dresden riefen Sie dazu auf, nicht in Städte wie Hamburg oder Berlin zu ziehen, da diese, so ihre Aussage damals, »gesättigt seien«. Man solle stattdessen dort hingehen, wo man gebraucht werde. Sollten alle Linken nun nach Brandenburg, Sachsen und Thüringen ziehen?
Ich glaube tatsächlich, dass das helfen würde, ja. Es wäre furchtbar, wenn die letzten verbliebenen Linken sich jetzt auch dort zurückziehen. Ich mache viele Projekte im ländlichen Raum und weiß: Die Leute vor Ort freuen sich über neue Impulse. Und es gibt in den großen Städten ja auch kaum noch Wohnraum. Nicht zuletzt dahingehend bietet die Großstadt keine visionäre Leere mehr.
Zurzeit inszenieren Sie am Staatsschauspiel Dresden das Theaterstück »Musikalisiert euch!«, das die Spaltung der Gesellschaft thematisiert. Glauben Sie, dass Musik befreien kann?
Das klingt natürlich ein bisschen naiv. Ich glaube nicht, dass es die Musik allein sein kann. Aber ich merke immer wieder, dass das gemeinsame Musizieren schon befreiend sein kann. An der Erarbeitung des Stückes waren Leute mit ganz unterschiedlichen Backgrounds im Alter zwischen 16 und 70 Jahren beteiligt. Es gab viele kontroverse Diskussionen. Aber am Ende zeigte sich, dass Musik ein gesellschaftlicher Klebstoff ist, der unterschiedliche Positionen an einem Abend und in einem Lied zusammenbringen kann.
Die Braut haut ins Auge: »Hits 1990-2000« (Trikont). Im Frühjahr erschienen dort alle Alben der Band in digitaler Fassung.
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