Umkämpft in der Ampel: Rentenpaket II

Anhörung zu Rentenplänen: Gewerkschaften und Sozialverbände fordern schnelle Umsetzung, unternehmernahe Experten verlangen Nachbesserungen

Da herrschte mal Sonnenschein: Finanzminister Lindner und Sozialminister Heil im Mai bei der Verkündung des Ampel-Rentenkompromisses
Da herrschte mal Sonnenschein: Finanzminister Lindner und Sozialminister Heil im Mai bei der Verkündung des Ampel-Rentenkompromisses

Die Ampel-Regierung hatte sich Ende Mai nach langem koalitionsinternen Ringen auf das sogenannte Rentenpaket II geeinigt. Es sieht insbesondere eine Stabilisierung des Niveaus der gesetzlichen Ruhestandsbezüge bei 48 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens bis zum Jahr 2039 vor. Die Rentenversicherungsbeiträge von Beschäftigten – und damit parallel der Arbeitgeberseite – sollen dafür moderat steigen können. Und die FDP hatte darauf bestanden, dass auch die sogenannte Aktienrente Teil des Pakets wird, genannt »Generationenkapital«.

Doch nun stellt die FDP ihre Zustimmung zum Gesamtpaket erneut in Frage. Ein wesentlicher Grund sind die Prognosen unter anderem des unternehmernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, dass der Anteil der Beitragszahler im Verhältnis zu dem der Rentner weiter erheblich sinken, die Beiträge für Versicherte und Arbeitgeber also teurer werden müssen. Die demografische Entwicklung infolge des Eintritts der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand über die nächsten zwölf Jahre ist allerdings lange bekannt.

SPD-Chef Lars Klingbeil warnte die FDP vor einer Blockade des Rentenpakets. »Das Versprechen, für stabile Renten zu sorgen, war für die SPD eine der entscheidenden Säulen, in die Bundesregierung zu gehen«, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (Montagsausgaben). Mit Blick auf Nachforderungen aus der FDP-Bundestagsfraktion erinnerte er Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) daran, dass er »sein Wort darauf gegeben« habe, dem Paket zuzustimmen.

Auf die Frage, ob die SPD die Koalition platzen lassen würde, falls das Paket nicht vor Weihnachten beschlossen werde, sagte Klingbeil: »Ich denke nicht in dieser Kategorie. Ich kann mir allerdings kein Szenario vorstellen, in dem diese Koalition das Rentenpaket nicht im Herbst verabschiedet.« Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hatte zuvor von einer »Sollbruchstelle« für die Ampel gesprochen.

Am Montagnachmittag äußerten sich derweil im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestages unternehmernahe wie arbeitnehmernahe Fachleute zum Rentenpaket. Während erstere das angestrebte Rentenniveau weiter für zu niedrig halten, beklagen letztere die überproportionale Belastung der Erwerbstätigen.

Für eine schnelle Verabschiedung der Gesetzesvorhaben plädieren der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Sozialverbände. Sie hatten zur Ausschusssitzung entsprechende Stellungnahmen vorgelegt. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, der ebenfalls ein Positionspapier vorgelegt hatte, sagte vorab, das Paket habe »das Potenzial, das Vertrauen in die Rente wieder deutlich zu stärken«. Mit ihrer Vorlage vom Mai hätten die Regierungsfraktionen den mehr als 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern zugesichert: »Ihr könnt euch darauf verlassen, dass die Renten auch in den kommenden 20 Jahren so steigen werden wie die Löhne.« Die 58 Millionen jüngeren Versicherten könnten auf »stabile Renten und moderate Beitragssatzsteigerungen« setzen, »sodass sie im Alter gut von der Rente leben können«.

Der VdK plädierte am Montag zudem erneut für die Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent des Durchschnittsverdienstes. Der Verband hatte dazu ein Fünf-Punkte-Programm zur Finanzierung vorgelegt, das neben höheren Bundeszuschüssen und einer Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten auch höhere Beitragsbemessungsgrenzen für Gutverdiener und eine überproportionale Beteiligung der Arbeitgeber am demografisch bedingten Beitragssatzanstieg vorsieht.

Mit dem »Generationenkapital« haben VdK und Gewerkschaften vorerst ihren Frieden gemacht. Für dessen Verwaltung soll laut Ampel-Einigung der Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (Kenfo) zuständig sein. Er war 2017 als Stiftung des öffentlichen Rechts zur Begleichung der Ewigkeitskosten der Atommülllagerung gegründet worden. Sein Vermögen speist sich aus den rund 24 Milliarden Euro, die die Betreiber der Atomkraftwerke in Deutschland damals überwiesen hatten. Er erlitt in den vergangenen Jahren wiederholt Wertverluste. So schrumpfte sein Vermögen 2022 auf 21,7 Milliarden Euro.

Der Kenfo selbst erklärte das Aktienrentenmodell in seiner Stellungnahme für den Sozialausschuss für realisierbar. Kritik an der Art der Anlagen, mit denen es finanziert werden soll, kommt unter anderem von Greenpeace. Eine Analyse habe gezeigt, dass die bestehende Strategie zur Fondsgestaltung eine »glaubwürdige Umsetzung internationaler Umwelt- und Menschenrechtsstandards« gefährde, teilte die Umweltorganisation am Montag mit. Rund 5,5 Prozent des Anlageportfolios seien mit »schwerwiegenden Klima-, Umwelt- und Menschenrechtskontroversen verbunden«. Die Kernidee beim »Generationenkapital«: Mit Aktiengewinnen aus den Einlagen sollen die Beitragszahlungen zur Rentenversicherung gestützt werden.

Der Linke-Rentenexperte Matthias W. Birkwald rechnet indes vor, dass das Generationenkapital »ökonomisch unsinnig und vor allem völlig überflüssig« sei, »da es mit einem enormen finanziellen Aufwand nur minimale Beitragssatzdämpfungen von 0,3 oder 0,4 Beitragssatzpunkten bringen wird«.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi nannte die Warnungen vor zu hoher Belastung der Beitragszahler derweil »Panikmache«. Damit müsse Schluss sein, sagte sie der »Rheinischen Post« am Wochenende. In 40 Jahren seien die meisten Menschen der Babyboomer-Jahrgänge gestorben. Das bedeute, die Rentenkasse und damit die Jüngeren müssten künftig für deutlich weniger Rentner aufkommen. Laut einer noch unveröffentlichten IW-Studie wird der Arbeitsmarkt bis zum Jahr 2036 rund 19,5 Millionen ältere Werktätige verlieren. Im selben Zeitraum kommen aber nur 12,5 Millionen jüngere Beschäftigte nach.

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