Umleitung der Handelsströme

Erstmals treffen sich die EU-Staaten zum Gipfel mit dem Golf-Kooperationsrat

Auf Ministerebene trafen sich EU und Golfrat bereits vor einem Jahr.
Auf Ministerebene trafen sich EU und Golfrat bereits vor einem Jahr.

In Brüssel treffen sich am Mittwochnachmittag erstmals die Staats-und Regierungschefs der Europäischen Union mit denen des Golf-Kooperationsrates (GCC). Die EU will »in einer Zeit schwieriger geopolitischer Verhältnisse« eine strategische Partnerschaft »aufbauen« und die Handelsbeziehungen vertiefen, so Ratspräsident Charles Michel vor dem Gipfel. Auf Ministerebene gab es früher schon Treffen.

Dem 1981 gegründeten GCC gehören sechs der sieben Staaten der Arabischen Halbinsel an: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Kuwait, Oman, Bahrain und Katar arbeiten in der Außen- und Sicherheitspolitik zusammen und haben den Warenverkehr liberalisiert. Ihre Wirtschaftsleistung entspricht etwa derjenigen von Russland. Geopolitisch haben die Mitgliedstaaten als Gegenspieler zum Iran an Bedeutung gewonnen, wie auch die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft Ende 2022 in Katar zeigte. Bei dem Treffen mit der EU wird es daher um den Nahost-Konflikt und die Haltung zum Russland-Ukraine-Krieg gehen.

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Der Golfrat ist mit einem Anteil von gut 50 Prozent wichtigster Handelspartner der Union in der arabischen Welt, unter anderem als Abnehmer von Waffen. Das bilaterale Handelsvolumen belief sich 2023 auf 170 Milliarden Euro. Die Bedeutung für die europäische Wirtschaft hat zuletzt aber abgenommen, was auch in die umgekehrte Richtung gilt. Das Blatt soll sich, wenn es nach der EU-Kommission geht, zukünftig wenden.

Die GCC-Staaten haben vor allem energiewirtschaftliche Bedeutung: Erdölprodukte und verflüssigtes Erdgas (LNG) machen über 75 Prozent der EU-Importe aus. Nach Berechnungen des britischen Energiekonzerns BP entfällt ein Drittel der globalen Öl-Produktion auf die GCC-Länder plus Irak. Die Abhängigkeit der westlichen Industrienationen von Importen aus dem Mittleren Osten ist jedoch in den letzten Jahrzehnten drastisch gesunken, wozu neue Fördergebiete etwa in der Nordsee, Alaska oder Mexiko beitragen. Zudem sind die USA durch den Fracking-Boom von Rohölimporten unabhängig und zum Nettoexporteur geworden.

Europa ist zwar weiterhin von Öleinfuhren vom Persischen Golf abhängig, doch diese machen mittlerweile weniger als 20 Prozent aus. Wirklich hoch ist der Anteil von Öl und Erdgas aus den Golfstaaten vor allem in Japan und Südkorea. Hauptkunden sind inzwischen China, aber auch Indien.

Diese Umleitung der Handelsströme ist geoökonomisch schon deshalb bedeutsam, weil sie Risiken einschränkt, dass der Iran bei einer weiteren Eskalation des Nahost-Konflikts die Straße von Hormus sperrt. Durch diese Meerenge fließen nahezu alle Ölexporte der Golfstaaten, weshalb eine Sperrung zu einem weltwirtschaftlichen Schock führen dürfte. Da der Iran sich seinerseits im Rahmen der Brics mit den wichtigsten Abnehmern China und Indien zusammengeschlossen hat, scheint eine solch drastische Maßnahme heute unwahrscheinlich, wie etwa das Institut der deutschen Wirtschaft vermutet.

Die Möglichkeit, wie 1973 die »Ölwaffe« einzusetzen, um den Druck auf Israel zu erhöhen, ist zumindest geringer geworden. Europa gilt aber seit dem weitgehenden Wegfall russischer Öllieferungen anfälliger als die USA. Problematisch wäre dies, wenn sich arabische Lieferländer in Nordafrika einem Boykott gegen Europa anschlössen.

Auch wenn die Bedeutung von Erdöl in der EU durch effizientere Industrieprozesse und Klimaschutzvorgaben generell abnimmt, war die weltweite Ölnachfrage im ersten Halbjahr so hoch wie noch nie. Die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, haben dennoch im Rahmen der OPEC+ (einschließlich Russland) ihre Fördermengen gedeckelt, um einen höheren Zielpreis von 90 US-Dollar pro Barrel (159 Liter) anzusteuern. Zurzeit liegt der Preis darunter, weist aber auf den Rohstoffmärkten infolge des verschärften Nahost-Konfliktes steigende Tendenz auf.

Die Länder des Golf-Kooperationsrates erwarten – im Unterschied etwa zur Internationalen Energieagentur – einen mittel- und langfristig wachsenden Bedarf an fossilen Brennstoffen und wollen ihre Öl- und Gaswirtschaft entsprechend weiter ausbauen. Aktuell erwartet die OPEC dies noch bis mindestens 2045.

Das Nebenprodukt Gas gilt ohnehin als Brennstoff mit langfristigem Wachstumspotenzial. So investieren etwa Oman und VAE massiv in LNG-Projekte, auch, um den wachsenden europäischen Markt abzudecken. Deutsche Unternehmen sind nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ebenfalls vor Ort aktiv, darunter Wintershall Dea und Siemens Energy. Gleichzeitig investieren die Golfstaaten dreistellige Milliardensummen in die Produktion von Wasserstoff, was ebenfalls in der EU auf Interesse stößt. Auch dies wird beim Brüsseler Treffen zur Sprache kommen.

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