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Minen in der Ukraine: Räumung im Kampf nicht möglich
Konferenz in der Schweiz widmet sich nach über zwei Jahren Krieg der verminten Ukraine
Für den russischen Dienst von BBC, der sich auf einen Bericht des Think Tanks Globsec beruft, ist das Anbringen von Stolperdrahtminen eine »traurige Kreativität«, die die russische Armee nach dem Rückzug aus einem Gebiet an den Tag lege. Diese Minen sind häufig an Straßenrändern sowie an toten Tieren und den Körpern getöteter Soldaten angebracht und werden durch einen Draht ausgelöst. Stolpert man darüber oder berührt man einen verminten Körper, führt dieser Kontakt zu einer Explosion. Manchmal werden zwei oder drei Stolperdrähte als Gruppe verlegt. In solchen Fällen lockt die erste, meist schwächere Explosion Menschen an. Und wenn sich nach einer gewissen Zeit mehrere Personen an dieser Stelle eingefunden haben, wird zum zweiten Mal eine Explosion ausgelöst. Und die ist meist stärker als die erste.
Rund 142 000 Quadratkilometer der Ukraine – fast die Hälfte der Fläche
Deutschlands – gelten nach zwei Jahren Krieg als mit Minen verseucht. 2700 verschiedene Minen, so das ukrainische Portal nv.ua, sollen die russischen Streitkräfte eingesetzt haben.
Pilze sammeln unter Lebensgefahr
Die 60-jährige Bäuerin Taisja, die an der Grenze zu Russland einen kleinen Hof bewirtschaftet, hat ihr ganzes Leben lang gerne Pilze gesammelt. Sie kennt sich aus und sie konnte sich mit dem Verkauf ihrer Pilze ein kleines Zubrot verdienen. Doch seit dem 24. Februar 2022 geht sie nicht mehr in den Wald. Sie habe Angst, in dem ehemals umkämpften Gebiet auf eine Mine zu treten, erzählt sie dem »nd«.
Der ukrainische Dienst von BBC berichtet von einer anderen Pilzsammlerin, Lidia, aus dem lange umkämpften Isjum. Als die Stadt von den Russen besetzt war, war sie geflohen, doch nach der Rückeroberung durch die Ukrainer kehrte sie zurück und versuchte, sich ihr kleines Budget durch das Sammeln und den Verkauf von Pilzen aufzubessern. Doch eine sogenannte Blütenblatt-Mine wurde ihr zum Verhängnis. Diese Minen sind wegen ihrer grünen Farbe und ihrer Form zwischen Pflanzen schwer zu erkennen. Nur mit Mühe habe sie es geschafft, ihre Freundin per Telefon um Hilfe zu rufen. Mittlerweile trägt die Frau eine Prothese.
Nach Angaben des ukrainischen Zentrums für Minenräumung gab es in den vergangenen zwei Jahren 664 durch Minen verursachte Explosionen. Dabei starben 297 Menschen, 673 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Ukraine ist überfordert mit der großflächigen Verminung ihres Landes. Die Ukraine habe aktuell 3500 Entminungsspezialisten, erklärte der stellvertretende Wirtschaftsminister Ihor Beskarawainyi Anfang des Jahres in einem Interview. Und das sei nicht annähernd ausreichend.
Ein weiteres Problem ist der Umstand, dass Organisationen in der Ukraine, die Entminung betreiben, nur 50 Prozent ihrer männlichen Mitarbeiter vom Kriegsdienst freistellen dürfen. Das bedeutet, dass jederzeit die Hälfte der männlichen Belegschaft durch das Militär abgezogen werden kann.
Nach Angaben der Weltbank belaufen sich die Kosten einer Entminung der Ukraine auf 37 Milliarden Dollar. Doch selbst wenn das Geld da wäre, gibt es Hindernisse, die derzeit nicht überwindbar sind. Gerade in den umkämpften Gebieten, wo die meisten Minen liegen dürften, ist eine Räumung unter Kampfbedingungen nicht möglich. Aber auch nach dem Ende der Kampfhandlungen, so der russische Dienst von BBC unter Berufung auf britische Geheimdienstquellen, werde es zehn Jahre brauchen, das Land von Minen zu befreien. Jahre, in denen weitere Minenopfer zu beklagen sein werden.
Minenräumung per Fernbedienung
In der Ortschaft Balaklija bei Charkiw will man nicht warten, bis man mit der Minenräumung an der Reihe ist. Hier wird ein neues Minenräumgerät getestet. Entminungsspezialisten, Militärs und Wissenschaftler aus Charkiw haben in Zusammenarbeit einen Traktor mit Ausrüstungsteilen eines Panzers kombiniert. Das Fahrzeug ist fahrerlos und wird per Fernbedienung gesteuert. Ein weiterer Vorteil: Es ist zehnmal billiger als ausländische Modelle.
In Lausanne findet in dieser Woche die »Ukraine Mine Action Conference« (UMAC2024) statt. Ziel der von der Schweiz und der Ukraine gemeinsam organisierten Konferenz ist es, die Bedeutung der humanitären Minenräumung als zentrales Element des sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbaus zu thematisieren. Vertreter von Regierungen, internationalen Organisationen, Partnerakteuren der humanitären Minenräumung und der Zivilgesellschaft werden an zwei Tagen zusammentreffen. Eines steht aber schon vor Beginn fest: Ohne ein Ende der Kampfhandlungen lässt sich die Entminung nicht vernünftig in Angriff nehmen.
Mitarbeit: Stanislaw Kibalnyk, Charkiw
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