Viele Krisen, aber keine wie diese

Richtungskämpfe haben sich in der Linken und ihrer Vorläuferorganisation PDS wiederholt zugespitzt

Die Linke ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.
Die Linke ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Misst man die Relevanz der Partei Die Linke an Wahlergebnissen, dann scheint sie am Ende zu sein. 2021 schaffte sie es nur noch dank dreier Direktmandate in den Bundestag. Danach: eine Schlappe nach der anderen diversen Landtagswahlen. Der große Tiefpunkt dann die Halbierung des Ergebnisses bei der Europawahl im Juni dieses Jahres. Die Linke kam nur auf 2,7 Prozent der Stimmen, das gerade erst gegründete Spaltprodukt BSW schaffte auf Anhieb 6,2 Prozent.

Und dann die Landtagswahlen im Osten: Überall satte zweistellige Werte für das BSW und die Ergebnisse der Linken mehr als halbiert. In Sachsen konnte sie bei einem Ergebnis von 4,5 Prozent dank zweier Direktmandate wieder ins Dresdner Parlament einziehen. Dagegen kam Die Linke in Brandenburg bei hoher Wahlbeteiligung auf nur noch ein Drittel des vorhergehenden Ergebnisses und ist erstmals nicht mehr im Parlament vertreten.

Relativ spektakuläre Austritte Einzelner hat es in der Linken immer wieder gegeben, doch nie einen Massenexodus wie seit Gründung des BSW. Zuvor hatte es bereits zahlreiche Parteiaustritte von Personen gegeben, die vor allem kritisierten, dass Die Linke gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ist. Aber es gab auch 10 000 Neueintritte. Gemessen daran ist die Lage weniger hoffnungslos.

Die Linke konnte derweil lange vor ihrer offiziellen Gründung Erfolge feiern, nämlich bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005. Die Vorläuferpartei PDS war zuvor 2002 aus dem Berliner Parlament geflogen. Danach vertraten die direkt gewählten Berliner Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau die Partei im Bundestag drei Jahre lang ganz allein.

2005 dann der Paukenschlag: Die in Westdeutschland gegründete Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) einigte sich mit der PDS auf einen gemeinsamen Antritt zur Bundestagswahl, bei der als Spitzenkandidat neben Gregor Gysi auch der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine antrat. Das Bündnis erhielt 8,7 Prozent der Wählerstimmen.

Auch die offizielle Fusion von WASG und PDS zur Partei Die Linke am 16. Juni 2007 verlief relativ reibungslos. Es war übrigens Sahra Wagenknecht, damals noch Sprecherin der Kommunistischen Plattform in der PDS, die sich öffentlich gegen die Fusion wandte. Sie begründete das 2005 mit den reaktionären Positionen Lafontaines zu Flucht und Migration.

Bei der Bundestagswahl 2009 konnte Die Linke erneut ihr Ergebnis deutlich verbessern: auf 11,9 Prozent. 2010 übernahmen nach schwieriger Suche eines Nachfolger-Duos für die Gründungschefs Lafontaine und Lothar Bisky Gesine Lötzsch und Klaus Ernst den Vorsitz. Gegen Lötzsch gab es Anfang 2011 eine Kampagne, nachdem sie in der Tageszeitung »Junge Welt« einen Beitrag unter dem Titel »Nachdenken über den Kommunismus« veröffentlicht hatte. Kritik kam auch aus den eigenen Reihen. Im Frühjahr 2012 traten Lötzsch und Ernst zurück. Kurz darauf wurden Katja Kipping und Bernd Riexinger zu Parteivorsitzenden gewählt und blieben es fast neun Jahre.

2014 konnte die Partei auf Landesebene einen großen Erfolg verzeichnen: In Thüringen wurde sie mit 28,2 Prozent zweitstärkste Kraft und bildete mit SPD und Grünen das erste rot-rot-grüne Bündnis unter Führung der Linken. Bei der Wahl darauf gewann Die Linke nochmals hinzu, konnte aber aufgrund der Verluste von SPD und Grünen mit den beiden Parteien nur noch eine Minderheitsregierung bilden.

2015 übernahmen Wagenknecht und Dietmar Bartsch gemeinsam den Vorsitz der Bundestagsfraktion. 2017 gewann die Partei bei der Bundestagswahl 9,2 Prozent der Stimmen und damit 0,6 Punkte mehr als 2013. Wagenknecht kritisierte dennoch, das Ergebnis hätte viel besser sein können, wenn Kipping und Riexinger bessere Teamarbeit gemacht hätten. Zudem rügte sie das Eintreten ihrer Partei für »offene Grenzen« für Menschen in Not in ihrem Programm. Seit Herbst 2015 waren mehr als eine Million Geflüchtete nach Deutschland gekommen, für Wagenknecht der Anlass für eine Wende in ihrer Haltung zu den Rechten Schutzsuchender.

Im März 2019 verkündete Wagenknecht ihren Rückzug als Fraktionschefin. Im November rückte Amira Mohamed Ali neben Bartsch an ihre Stelle. Im April 2021, wenige Monate vor der nächsten Bundestagswahl, erschien Wagenknechts Buch »Die Selbstgerechten«, in dem sie der eigenen Partei bescheinigte, abgehoben zu sein und sich nicht mehr für die Interessen der kleinen Leute zu interessieren. Dies postulierte sie auch in zahlreichen TV-Auftritten.

Im Februar 2021 übernahmen Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow den Parteivorsitz. Bei der Bundestagswahl im September verfehlt die Linke mit 4,9 Prozent die Fünf-Prozent-Hürde, zog aber wegen dreier Direktmandate mit 39 Abgeordneten wieder als Fraktion in den Bundestag ein.

Ein weiterer Kulminationspunkt der Krise: Am 20. April 2022 tritt Susanne Hennig-Wellsow als Ko-Vorsitzende zurück und nennt neben persönlichen Gründen den Sexismus-Skandal in Hessen, in dem es auch nachweislich falsche Vorwürfe gegen Wissler gab. Ihre Ko-Vorsitzende hatte sie zuvor nicht informiert. In der Folge wurde der Europaabgeordnete Martin Schirdewan neuer Ko-Vorsitzender.

Im Oktober 2023 dann der offizielle Bruch des Wagenknecht-Lagers mit der Linken. Im Januar dieses Jahres folgt die Gründung des BSW als Partei. Wenige Wochen später erkennt der Bundestag die Linke und das BSW jeweils als parlamentarische Gruppe an, die weniger Rechte und Ressourcen hat.

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