- Politik
- Linke-Parteitag
Wissler: Nie nach unten treten
Linke sucht auf dem Parteitag in Halle nach Wegen aus der Krise
Die scheidende Linke-Vorsitzende Janine Wissler hat ihre Partei zu einem sorgsameren Umgang miteinander aufgerufen. Die Linke müsse ihre innerparteiliche Kultur verändern, um wieder einladender zu sein, sagte Wissler am Freitag zu Beginn des Parteitags in Halle. Angesichts der Krise der Partei plädierte Wissler für eine offene, selbstkritische Debatte »mit dem Ziel, Die Linke zu erneuern und wieder stark zu machen«. Die Partei habe dabei einen langen Weg vor sich, denn sie reite nicht auf einer Welle, sondern schwimme gegen den Strom.
Sie habe versucht, die Partei zusammenzuhalten, so Wissler, müsse aber aus heutiger Sicht festzustellen, dass die Abspaltung von Sahra Wagenknecht und ihren Anhängern nicht zu verhindern war. Dies bestätige sich, »wenn ich heute höre, wie die BSW-Leute über Abschiebungen und Sanktionen beim Bürgergeld reden«. Es sei richtig, »dass wir nicht mehr in einer Partei sind«. In Kritik zu den Thesen von Wagenknecht und anderen sagte Wissler, das Problem sei nicht, »dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben, sondern dass wir in einer Klassengesellschaft leben«. Wissler warf den anderen Parteien vor, die Migrationspolitik der AfD zu übernehmen. Eine linke Partei dürfe sich nie einem rechten Zeitgeist anpassen »und niemals nach unten treten – auch wenn der Gegenwind noch so stark ist«.
Wissler forderte die Partei auch zu einer respektvollen Debatte über Antisemitismus auf. Man dürfe das Leid auf der einen und der anderen Seite im Nahost-Krieg nicht gegeneinander aufrechnen. »Wer das Massaker vom 7. Oktober 2023 feiert, kann nicht unser Bündnispartner sein«, erklärte Wissler.
Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow erinnerte daran, dass er vor 25 Jahren Mitglied der PDS geworden ist, weil diese sich als einzige Partei konsequent gegen Krieg und gegen die Agenda 2010 gewandt hat. Diese Agenda richtete sich nicht nur gegen einzelne Menschen, »sondern auch gegen Gewerkschaften und Tarifverträge. Da ist viel mehr Schaden entstanden, als sich die SPD eingestehen möchte«, sagte Ramelow. Er wandte sich scharf gegen die migrantenfeindliche Politik der Ampel und der rechten Opposition. Am Freitag sei es in Bundestag und Bundesrat den ganzen Tag darum gegangen, wie Europa zur Festung ausgebaut werden soll. »Wir waren die einzigen, die da nicht mitmachen.« Die eigentliche Bedrohung seien nicht Geflüchtete, sondern der Klimawandel. Es müsse darüber geredet werden, wie man rauskommt aus dem fossilen Zeitalter; ein Zurück zu billigem russischen Gas und Öl dürfe es nicht geben. Diese Energiewende müsse aber auch bezahlbar sein für Menschen, dafür sei eine Mobilitätsgarantie notwendig.
Im Leitantrag mit dem Titel »Gegen den Strom« heißt es, Die Linke befinde sich »zweifellos in einer gefährlichen, existenzbedrohenden Situation«. Es sei nicht gelungen, »die Verteilungsfrage zwischen oben und unten wirksam auf die öffentliche Agenda zu setzen und den Unmut über die Ampel von links zu besetzen«; sie habe auch keine ausreichend wirksamen Strategien gegen den Rechtsruck gefunden. Die Linke setzt sich laut Leitantrag unter anderem für mehr soziale Sicherheit und gleichwertige Lebensverhältnisse, eine solidarische Einwanderungsgesellschaft und Friedenssicherung in einer multipolaren Weltordnung ein; sie wendet sich gegen Militarisierung und Aufrüstung.
Auf dem Parteitag wird turnusgemäß eine neue Führung gewählt. Die bisherigen Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan hatten nach einer Serie von Wahlpleiten auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Als aussichtsreichste Kandidaten für ihre Nachfolge gelten die Publizistin Ines Schwerdtner und der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken. Auch auf fast allen anderen Positionen im geschäftsführenden Vorstand wird es Veränderungen geben. Die neue Parteispitze muss die Weichen für den Bundestagswahlkampf 2025 stellen. Bei dieser Wahl geht es um die Existenz der Partei als bundespolitisch relevante Kraft.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.