Ruf nach mehr Mitsprache bei den Brics-Ländern

Brics-Staaten fordern Deeskalation und Frieden in der Ukraine und in Nahost

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Der indische Premier Modi (l) mit Wladimir Putin und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping (r)
Der indische Premier Modi (l) mit Wladimir Putin und dem chinesischen Staatschef Xi Jinping (r)

Der Brics-Gipfel in der russischen Stadt Kasan wird wohl als der Gipfel großer Ankündigungen und Vorhaben erinnert werden. Gastgeber Wladimir Putin zeigte sich erfreut über das große Interesse unter den Ländern des globalen Süden, dem Staatenbündnis beizutreten. Im Raum steht die vor allem von Russland getragene Idee, unter den Brics-Staaten ein alternatives unabhängiges Zahlungs- und Verrechnungssystem aufzubauen, um sich mittelfristig von Transaktionen in US-Dollar zu lösen. Wie realistisch das ist und ob davon tatsächlich alle Brics-Mitglieder profitieren würden, ist nicht ausgemacht. Gerade China, das weltweite wirtschaftliche Interessen hat, dürfte nicht ohne Weiteres auf diesen Zug aufspringen wollen.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow versuchte erst mal zu beruhigen und reagierte damit auch auf die zahlreichen Kommentare in internationalen Medien, die vor einem gegen den Westen gerichteten Machtblock warnen: »Die Zusammenarbeit im Rahmen der Brics richtet sich gegen nichts und niemanden – nicht gegen den Dollar, nicht gegen andere Währungen. Sie verfolgt das alleinige Ziel, die Interessen der Länder zu gewährleisten, die an dem Format teilnehmen«, sagte Peskow.

Auch wenn sich die gegen Russland verhängten Saktionen wegen der Invasion der Ukraine nicht als so effektiv erwiesen haben, wie westliche Länder ursprünglich hofften, ist der russische Finanzsektor doch empfindlich getroffen worden. So wurde Russland vom internationalen Zahlungsinformationsdienst Swift abgeschaltet und der Zugang zu Dollar und Euro beschränkt. Den Vorschlag, den bilateralen Handel in nationalen Währungen abzurechnen, wiederholte Putin daher in Kasan bei mehreren Gesprächen mit seinen ausländischen Gästen wie Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa.

In politisch heißen Fragen wie den Kriegen in der Ukraine und in Nahost wurden vor allem Aufrufe zum Frieden lanciert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der eigens zum Abschluss Gipfeltreffen der Brics-Staaten am Donnerstag angereist war, forderte einen »gerechten Frieden« in der Ukraine. Was er damit genau meinte, ließ er offen. Von verschiedenen Seiten war Guterres dafür kritisiert worden, dass er überhaupt nach Kasan angereist war. Eine »Kapitulation vor dem Völkerrecht« umschrieben das sogar manche Medien, wohl vergessend, dass Völkerrechtsbruch keine Prärogative der Russischen Föderation ist: Die USA hat unter anderem in Afghanistan und im Irak schwere Verbrechen gegen internationales Recht zu verantworten; und Israel verstößt derzeit nachweislich gegen das humanitäre Völkerrecht im Gazastreifen, dokumentiert durch Menschenrechtsorganisationen.

»Die Zusammenarbeit im Rahmen der Brics richtet sich gegen nichts und niemanden.«

Dmitri Peskow Kreml-Sprecher

Dass der russische Präsident Wladimir Putin in Kasan selbst von einem Angriffskrieg gegen die Ukraine sprechen würde oder auch nur teilweise Raum für etwaige Verhandlungen aufzeigen würde, war wohl kaum zu erwarten. Noch vor seinem Treffen mit UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte er vor »illusorischen« Versuchen, Russland auf dem Schlachtfeld zu besiegen. Russlands Gegner würden »ihr Ziel nicht verheimlichen, unserem Land eine strategische Niederlage zufügen« zu wollen, sagte Putin am letzten Tag des Gipfeltreffens. Dabei handele es sich um »illusorische Berechnungen«, die »nur von denjenigen gemacht werden können, die Russlands Geschichte nicht kennen«, fügte er hinzu.

Dennoch war der Brics-Gipfel kein reines Treffen der Solidarität mit Putin. So hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping eine Deeskalation in der Ukraine und im Nahost-Konflikt gefordert. Das Brics-Bündnis solle Bewahrer der gemeinsamen Sicherheit sein, sagte Xi im russischen Kasan. In der Ukraine müsse eine rasche Deeskalation der Lage angestrebt werden, forderte er. Das Schlachtfeld dürfe sich nicht erweitern. Im Gazastreifen brauche es eine Waffenruhe und ein Ende des Tötens, sagte Xi.

Der indische Regierungschef Narendra Modi hatte zuvor betont, dass er alle Anstrengungen unterstütze, »um schnell wieder Frieden und Stabilität herzustellen«. Nach Angaben von Peskow bedankte sich Gastgeber Putin für die Ukraine-Vermittlungsangebote seiner Brics-Kollegen.

Russlands Staatschef Wladimir Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping haben nach Kreml-Angaben ausführlich über den Krieg in der Ukraine und das Verhältnis zum Westen geredet. »Da sie sowohl unsere Interessen als auch die Interessen Chinas angreifen, gab es Themen zum Austauschen«, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow im russischen Fernsehen unter Bezugnahme auf die westlichen Staaten. In Fragen der internationalen Politik hätten Moskau und Peking eine ähnliche Sicht- und Herangehensweise.

Die Ansprüche der Brics-Mitglieder auf mehr Mitbestimmung in der Weltpolitik wurden auch an der wiederholten Kritik gegenüber den Vereinten Nationen deutlich. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa forderte erneut eine Reform des UN-Sicherheitsrats. »Er vertritt nicht die Interessen der Weltgemeinschaft und verfügt daher nicht über die Mittel, um dem weltweiten Wunsch nach Frieden nachzukommen«, sagte Ramaphosa. Der UN-Sicherheitsrat verfehle damit sein Mandat. Die Mitglieder der Brics-Gruppe sollten als wichtige Akteure »für die Gestaltung einer neuen multipolaren Weltordnung« eine Neuordnung des Rates vorantreiben. In die Abschlussdeklaration wurden die Forderungen nach einer Reform der Vereinten Nationen ebenfalls aufgenommen. Mit Agenturen

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