- Wirtschaft und Umwelt
- Flüssigerdgas-Importe
Zwischen Gasmangel und LNG-Rausch
Wie steht es um die Flüssiggas-Versorgung in Deutschland?
Wie viele LNG-Projekte sind bereits realisiert? Welche noch geplant?
Derzeit sind in Deutschland drei schwimmende LNG-Terminals (sogenannte FSRUs) in Betrieb: in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Mukran. Das zwischenzeitlich aktive schwimmende Terminal vor Lubmin wurde im Frühjar nach Mukran verlegt, um dort die Kapazitäten zu erhöhen. Geplant sind weiterhin FSRUs in Wilhelmshave und Stade.
In den Jahren 2026 und 2027 sollen dann drei landbasierte, feste Terminals in Betrieb gehen: in Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Stade. Diese Terminals sollen die bis dahin dort stationierten FSRUs ablösen und für 20 Jahre betrieben werden.
Wie viel LNG importiert Deutschland?
2023 machten LNG-Terminals einen Anteil von 7,2 Prozent an den deutschen Gasimporten aus. Laut dem Institute for Energy Economics and Financial Analysis hat Deutschland im Jahr 2023 6,4 Milliarden Kubikmeter LNG importiert; die bis dahin betriebenen Terminals waren etwa zur Hälfte ausgelastet. Laut Handelsblatt rechnet das Bundeswirtschaftsministerium damit, dass mithilfe der schwimmenden und festen Terminals ab 2027 eine LNG-Importkapazität von 52,5 Milliarden Kubikmeter besteht. Das ist etwas weniger, als Russland durch die Pipeline Nord Stream 1 nach Deutschland lieferte.
Welche Mengen sind notwendig?
Wie viel Importkapazität in Zukunft nötig sein wird, ist schwer abzuschätzen. Der niedrige Gasverbrauch von 2023 (76 Milliarden Kubikmeter) eignet sich nicht als Maßstab, denn er ist auch auf eine schwache Wirtschaft zurückzuführen. Dem Tagesspiegel zufolge werden die von Deutschland zu importierenden Mengen auf 60 bis 75 Milliarden Kubikmeter jährlich bis 2030 geschätzt. Allerdings gibt es weiterhin viele Unsicherheiten. So enden schon am Ende des Jahres aller Voraussicht nach die russischen Gastransporte durch die Ukraine. »Wir stellen uns darauf ein, dass wir dann Österreich zu Teilen über deutsche LNG-Terminals mit Erdgas versorgen müssen«, sagte Philipp Steinberg, der die Abteilung Energiesicherheit im Bundeswirtschaftsministerium leitet, kürzlich dem Handelsblatt.
Gasmangellage: Gespenst oder Gefahr?
Bereits im Frühjahr vermeldete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung: »Eine Gasmangellage liegt nicht vor und ist auch nicht absehbar«. Im September erklärte dann auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck deren Ende. Ein Rückbau der schwimmenden LNG-Terminals kommt für die Regierung trotzdem nicht infrage. Auch wenn diese wegen eines befürchteten Mangels errichtet wurden – und nicht gerade vor Auslastung zu platzen drohen. Dem NDR zufolge änderte der Bund seine Argumentation für die Terminals: Es gehe nicht mehr darum, einen Mangel an Gas abzuwenden, sondern um eine »Resilienzfunktion«, denn ein Anschlag auf die Pipelines aus Norwegen, die einen Großteil des deutschen Gasbedarfs abdecken, könnte die Versorgung erneut bedrohen.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert vom DIW bezeichnete die aktuelle Flüssiggasstrategie als »LNG-Rausch«; die Speicher seien prall gefüllt, ein Engpass sei nicht zu erwarten: »Vergessen wir nicht: Erdgas als fossiler Energieträger muss in den nächsten zwei Jahrzehnten aus dem Energiemix verschwinden, wenn wir die Klimaschutzziele halten wollen.«
Wie klimaschädlich ist Flüssigerdgas wirklich?
Bereits im vergangenen Jahr sorgte US-Umweltforscher Robert Howarth mit der Aussage für Aufmerksamkeit, die Treibhausgasemissionen von LNG seien höher als diejenigen von Kohle. Nachdem seine Datengrundlage und Methodik zum Teil kritisiert wurden, veröffentlichte er im Oktober eine Studie, die eine deutlich aufwändigere Überprüfung durchlaufen hat, als im wissenschaftlichen Prozess üblich. Das Ergebnis: Flüssigerdgas hinterlässt einen um ein Drittel höheren Treibhausgas-Fußabdruck als Kohle, wenn Verarbeitung und Transport berücksichtigt werden.
»LNG wird aus Schiefergas hergestellt, und dafür muss es auf flüssige Form heruntergekühlt und anschließend in großen Tankschiffen zum Absatzort transportiert werden. Das erfordert Energie«, so Howarth. Hinzu kommen Gaslecks, die während des Transports entstehen. Methan, aus dem LNG größtenteils besteht, ist über 80-mal schädlicher für die Atmosphäre als Kohlendioxid, wird dafür aber auch schneller wieder abgebaut. Doch auch wenn man den Treibhausgas-Fußabdruck über einen Zeitraum von 100 Jahren statt 20 Jahren betrachtet, würde der LNG gleich oder schlechter als Kohle abschneiden, so Howarth. Die hohen Emissionen bedeuten, dass es »keinen Bedarf an LNG als Übergangs-Energiequelle gibt«, heißt es in der Studie, und weiter: »Das Ende der Nutzung von LNG sollte eine globale Priorität sein.«
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