Make Art Great Again

Ein doppelter Macbeth, der zum Aufruhr führte

Genosse Shakespeare – Make Art Great Again

Nicht selten begegnet mir der Vorwurf, ich entzöge mich den tatsächlichen gesellschaftlichen Problemen mit meinen entrückten Betrachtungen der schönen Künste, zumal wenn diese sich an dem alten Barden Shakespeare orientieren, der seit gut 400 Jahren unter der Erde liegt. Nun, alles, was der schrieb, war Politik. Aber die Menschen lieben leider das allzu Vordergründige.

Immerhin, sage ich dann, kam es vor 175 Jahren in New York zu dem Aufruhr, der als Astor Place Riot in die Geschichtsbücher einging. Shakespeare, der Entfacher sozialer Unruhen. Sie wissen schon. Nein?

Genosse Shakespeare

Wie es euch gefällt: Alle zwei Wochen schreibt Erik Zielke über große Tragödien, politisches Schmierentheater und die Narren aus Vergangenheit und Gegenwart. Inspiration findet er bei seinem Genossen aus Stratford-upon-Avon.


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In New York, wo schon damals die Unterhaltungsstätten dicht bei dicht das Stadtbild prägten, galt der US-Amerikaner Edwin Forrest als einer der großen Shakespeare-Darsteller. Forrest erfreute sich übermäßiger Beliebtheit, besonders bei der Arbeiterklasse. Denn damals galt: Die Kunst gehört dem Volk! Und Shakespeare, das war der Schöpfer eines neuen Volkstheaters.

Der Brite William Macready war nicht minder berühmt als Schauspieler, der sich ebenfalls um Shakespeare große Dienste erworben hatte. Er wurde allerdings vor allem von der wohlhabenden Oberschicht verehrt. Shakespeare, das konnte auch damals schon elitäre Hochkultur bedeuten.

Nun kam es, es war 1849, dass zur selben Zeiten beide Darsteller den Macbeth in der Ostküstenmetropole geben sollten. Forrest in dem großen Broadway Theatre, Macready, nicht weit entfernt, in der Astor Place Opera. Als Letzterer seinen ersten Auftritt geben sollte, rebellierten 20 000 Arbeiter vor den Pforten des Theaters, ehe sie den Bühnensaal stürmten. Der Mime konnte nur – darin war er geübt – kostümiert der Meute entkommen.

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Als sich die Massen anschickten, den Kulturtempel in Asche zu legen, rückte die Nationalgarde an, hielt sich nicht zurück und tötete 25 Aufständische. 120 wurden verletzt. Es gibt das Gerücht, dass man aufgrund dieser Vorgänge im englischsprachigen Raum »Macbeth« nicht bei seinem Titel nennt, sondern eher vom »schottischen Stück« spricht, um kein Unglück heraufzubeschwören.

Und heute im Netflix-Zeitalter, ein paar Tage vor der nächsten Schreckenswahl in Übersee? Dass Kamala Harris gleich nach London gejettet wäre, um sich William Macreadys »Macbeth«-Darbietung dort anzusehen und ihren Freunden aus dem Eliteclub einen schönen Abend zu haben, dem Wahlvolk das Ganze aber als Ausdrucks ihres progressiven Internationalismus verkauft hätte, kann man sich ausmalen.

Trump hingegen hätte die 20 000 Aufständischen, New Yorks Abgehängte, zu instrumentalisieren versucht. Auch berechtigte Wut ist auf schlimmste Wege kanalisierbar. Gestern traf es ein Theater, morgen kann es gegen Puerto-Ricaner gehen. Im Zweifel hätte er aber, sobald sich die Menge als nicht lenkbar erwiesen hätte, am Ende selbst die Nationalgarde angeführt und das Volk zum Abschuss freigegeben.

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