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Berlins Linke steckt in der Klemme

Ausgetretene Abgeordnete sollen Mandate niederlegen, denken aber nicht daran

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Im Mai 2023 war noch alles gut zwischen dem Landesvorsitzenden Maximilian Schirmer (l.) und Ex-Kultursenator Klaus Lederer.
Im Mai 2023 war noch alles gut zwischen dem Landesvorsitzenden Maximilian Schirmer (l.) und Ex-Kultursenator Klaus Lederer.

Dass die am 23. Oktober aus der Linkspartei ausgeretenen fünf Berliner Abgeordneten ihre Mandate im Landesparlament zurückgeben, damit andere nachrücken können, zeichnet sich vorerst nicht ab. Klaus Lederer, Elke Breitenbach, Carsten Schatz, Sebastian Schlüsselburg und Sebastian Scheel bekräftigen am Mittwoch in einer untereinander abgestimmten Erklärung, was sie bereits am 23. Oktober geäußert hatten: »Wir sind weiterhin bereit, auf Grundlage des von uns getragenen Wahlprogramms als Mitglieder in der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus mitzuarbeiten.« Sie fügen jetzt hinzu: »Wir stehen in der Verantwortung vor den Menschen in Berlin, die auf eine starke und handlungsfähige linke Fraktion angewiesen sind.« Dafür habe man den Landesvorsitzenden und der Fraktion Vorschläge unterbreitet, »zu denen sich die Fraktion verständigen muss«.

Dass der Landesvorstand die fünf am Dienstagabend per Beschluss aufgefordert hat, ihre Mandate abzugeben, hat die Betroffenen nicht überrascht. Immerhin gibt es einen Parteitagsbeschluss vom 23. November vergangenen Jahres. Damals hatte ein Landesparteitag vorsorglich alle zur Rückgabe ihrer Ämter und Mandate aufgefordert, die aus der Partei austreten.

Anlass war damals die für Anfang 2024 angekündigte Gründung der Wagenknecht-Partei. In Berlin war der Abgeordnete Alexander King Ende Oktober 2023 aus der Partei ausgetreten und hatte angekündigt, er werde sich dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anschließen. Das war keine Überraschung. Er hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er dabei sein würde, wenn die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht Die Linke verlässt und eine eigene Partei gründet.

Alexander King war aber nach seinem Parteiaustritt noch eine Weile in der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus verblieben. Er habe sogar noch wie versprochen seinen Fraktionskollegen Damiano Valgolio im Wirtschaftsausschuss vertreten, solange dieser in Elternzeit war, erzählt King dem »nd« am Mittwoch. Spätestens im Januar 2024, als sich das BSW gründete, hätte er die Linksfraktion sowieso verlassen, sagt der Abgeordnete. Doch bis dahin würde es noch gemeinsam gehen, habe er geglaubt. Aber er habe feststellen müssen, dass es eine »blöde Situation« sei, wenn er im Wirtschaftsausschuss für die Partei spricht, aus der er ausgetreten ist. Es sei ihm dann im November 2023 nahegelegt worden, die Linksfraktion zu verlassen und das habe er Ende des Monats getan. »Wenn ich nicht ausgetreten wäre, hätte man mich ausgeschlossen«, versichert King. Das sei ihm so gesagt worden. Im Nachhinein müsse er sagen, dass dies der richtige Schritt gewesen sei. Alles andere wäre nicht tragfähig gewesen.

Wie nun mit Ex-Kultursenator Lederer, Ex-Sozialsenatorin Breitenbach und den drei anderen umgegangen werde? »Das müssen die selber wissen. Das ist mir egal«, gesteht Alexander King. Ihm ist bewusst, dass sein eigener Fall etwas anders gelagert ist, da er nicht einfach nur einfach aus der Linken austrat, sondern sich an einem konkurrierenden Parteiprojekt beteiligen wollte. Dergleichen ist von den fünf jetzt nicht bekannt. Höchstens fragt sich der eine oder andere Genosse, ob es dazu kommen könnte.

In dem knapp ein Jahr alten Parteitagsbeschluss wird dieser feine Unterschied aber nicht gemacht. Dabei kommt es bei der Linken durchaus vor, dass Parteilose in Linksfraktionen mitarbeiten. In der Regel sind diese bereits als Parteilose für eine Wahl nominiert worden. So zählte ganz zuletzt vor der Landtagswahl am 22. September der parteilose Umweltschützer Carsten Preuß zur Brandenburger Linksfraktion. Er ist schon so viele Jahre kommunal- und landespolitisch für die Sozialisten aktiv gewesen, dass er irgendwie zu ihnen gehört, ohne eingetreten zu sein.

»Wir stehen in der Verantwortung vor den Menschen in Berlin, die auf eine starke und handlungsfähige linke Fraktion angewiesen sind.«

Aus der Erklärung der Ausgeretenen

Doch Beschluss ist Beschluss. Darum forderten die Berliner Landesvorsitzenden Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer die Ausgeretenen am Dienstagabend auf, konsequenterweise ihre Mandate niederzulegen. »Das ist ein Gebot der Fairness und des Anstands gegenüber den Wählerinnen und Wählern, die der Linken ihre Stimme gegeben haben.« Es wäre auch fair gegenüber den Parteimitgliedern und deren Einsatz im Wahlkampf.

Anlass des Parteiaustritts war ein Zerwürfnis bei einem Landesparteitag am 11. Oktober. Im Streit um einen Antrag zum Nahost-Konflikt kam es zu einem Eklat, der den Parteitag beinahe sprengte. Nachdem er aus ihrer Sicht durch die Streichung der Bezeichnung »eliminatorischer Antisemitismus« für die palästinensische Hamas verwässert werden sollte, zogen Klaus Lederer und seine Mitstreiter den Text zurück und verließen empört den Saal. Dabei zeigte Ex-Sozialsenatorin Breitenbach, als eine Genossin sie zurückzuhalten versuchte, mit beiden Händen den Mittelfinger. Mitglieder und Wähler zeigen derweil wenig Verständnis dafür, dass sich der Landesverband wegen Israel und Palästina zerlegt, als ob eine Lösung im Nahost-Konflikt von ihm abhängen würde – während die Berliner Bevölkerung unter hohen Mieten stöhnt.

Wenn die fünf nun nicht bereit sind, ihre Sitze im Abgeordnetenhaus aufzugeben, so müssen Partei und Fraktion beraten, wie sie damit umgehen. Die nächste Stufe der Eskalation wäre, die fünf aus der Fraktion auszuschließen oder ihnen zumindest damit zu drohen. Das würde aber nichts daran ändern, dass diese fünf Abgeordneten rechtlich nicht gezwungen sind, auf ihre Mandate zu verzichten. In dergleichen Fällen fordern das zwar alle Parteien, aber eigentlich immer vergeblich. Überläufer werden dagegen gern samt ihren Mandaten aufgenommen.

Auch jüngst aus der Partei ausgetretene Bezirksverordnete und Stadträte in den Bezirken sollen ihre Ämter niederlegen. Den Bezirksvorständen wird vom Landesvorstand empfohlen, die Betreffenden dazu aufzufordern.

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