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Der Einzige
Nein, Donald Trump ist keine Erfindung
Howdy aus Texas, hier kommt mein Wahlprotokoll.
Zwei Wochen vor der Wahl: Ich lese ein Interview mit John Miller, einem der Macher der TV-Serie »The Apprentice.« Darin das Schuldeingeständnis, mit der Fernsehfigur Donald Trump ein »Monster« kreiert zu haben. So wie der Kardashian-Arsch fake ist, sei auch das Businesstalent Trumps eine Lüge fürs Reality-TV: Er habe das Vermögen seines Vaters mit idiotischen Geschäftsideen verprasst, die alle in einer Pleite geendet hätten. Seine unternehmerischen Erfolge wurden erfunden, um die Show glaubhafter zu machen. Ich habe die Sendung nie gesehen, schaue stattdessen lieber die »Real Housewives of New York«, die zwar ebenfalls schlecht im Business sind, aber sich zumindest nicht in die Politik drängen. Millers Geständnis wird keinen Trump-Fan mehr bekehren. Donald selbst tätigt die mittlerweile legendäre Aussage »Biden schläft und Kamala ist auf einer Tanzparty mit Beyoncé«, aus der ein Dance-Track entsteht, zu dem Harris-Anhänger auf Social Media tanzen.
Eine Woche vor der Wahl: Es ist Halloween und die Wahlplakate in den Vorgärten unserer Nachbarn wechseln sich ab: Trump / Vance vs. Harris / Walz. Das klassische An-der-Tür-klingeln für »Süßes oder Saures« ist in den USA spätestens seit Covid passé. Die Nachbarn machen es sich ein paar Meter vor ihren Haustüren auf Klappstühlen bequem, trinken verdeckt Alkohol und bieten ihre Süßigkeiten auf Klapptischen an, als würden sie sie verscherbeln. Meine Tochter rennt sehr energisch auf ein besonders zugetrumptes Haus zu; dessen Besitzer müssen wohl große Spendengeber sein, denn sie haben die größte und bunteste Donald-Flagge, die ich je gesehen habe. Sie nennen meine Tochter »Sweetheart«. Ich denke daran, dass mein Sweetheart ihretwegen weniger Rechte haben könnte als ich einst. So fake wie Kims Gesäß ist auch mein sweetes Lächeln, als ich mich für die Süßigkeiten bedanke.
Kamala tritt bei »Saturday Night Life« auf. Eine Studentin in Teheran zieht sich bis auf die Unterwäsche aus, um die Verhüllungspolitik an ihrem Uni-Campus zu demonstrieren. Ich erschaudere bei dem Gedanken, welche Gewalt sie in Kürze erfahren wird. Donald Trump sagt, die USA seien ein »Mülleimer für den Rest der Welt«. Und, wohl noch immer neidisch auf Bill Clinton, simuliert er bei einem defekten Mikrofon auf eine nicht gerade konservative Weise einen Blow Job.
Zwei Tage vor der Wahl: Ich schaue Videos über eine texanische Teenagerin, die zum neuesten Opfer des Abtreibungsverbots wurde: Sie starb, weil kein Arzt ihren toten Fötus zu entfernen wagte. Wir kennen uns nun lange genug, liebe Leser*innen, sodass ich Ihnen anvertrauen kann: Das Verbot hat eine Rolle dabei gespielt, dass ich kein weiteres Kind habe. Ein konservativer Jude in New York sagt in die Kamera, Trump sei der einzige Kandidat, der sein Land liebe, wohl vergessend, was 2017 unter ihm in Charlottesville geschah. Muslime in Michigan sagen, sie gäben Trump ihre Stimme, weil sie für die Rettung ihrer Leute in Gaza seien – als hätten sie Trumps Islam-Ban vergessen. Es heißt, über zehntausend nordkoreanische Soldaten seien in Russland angekommen, um das Land in seinem Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen.
News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.
Ein Tag vor der Wahl: Wir schauen dem Deutsch-Italiener Ingo Zamperoni in der ARD-Mediathek dabei zu, wie er bei US-republikanischen Bekannten die wohl verkochteste Pasta seines Lebens essen muss und anschließend von der Lady des Hauses gesagt bekommt, Frauen seien außerstande, ein Land zu regieren, das stünde schon in der Bibel. Ich erinnere mich an eine republikanische und ehemalige Freundin von mir, die sagte, Europa könnte keine Frau als US-Regierungsoberhaupt ernstnehmen. Was sei denn mit Angela Merkel, Sanna Marin oder Theresa May, entgegnete ich. Sie lachte. Ich frage mich bis heute, ob sie auch nur eine dieser Frauen kannte.
Wahltag: Alkoholisiert, desillusioniert, Sprachnachrichten von Freundinnen abhörend sitze ich vor der Glotze. Es ist unheimlich knapp. Nein, nicht nur knapp, Trump führt. Um halb zwei gehe ich ins Bett.
Der Tag danach: Um sechs klingelt der Wecker. 277 steht in Rot auf meinem Handybildschirm. Er brauchte nur 270 Stimmen. Ich denke an die Nachbarn mit der Flagge, die Nordkoreaner in Russland, meine dumme ehemalige Freundin, die Mutter der iranischen Studentin, die Mutter der texanischen Teenagerin, meine eigene Tochter.
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