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Frauenbefreiung als »Rebellion gegen den Staat«
Iranische Justiz verurteilt kurdische Frauenrechtlerin zum Tode
Die kurdische Aktivistin und Frauenrechtlerin Varischeh Moradi ist von einem iranischen Gericht zum Tode verurteilt worden. Dies wurde ihren Anwälten am Sonntag mitgeteilt. Die 38-Jährige habe sich der »bewaffneten Rebellion gegen den Staat« schuldig gemacht. Ihre Anwälte wollen in Revision gehen – dass dem Justizsystem im Iran allerdings kaum vertraut werden kann, zeigte schon der erste Prozess. Laut der Menschenrechtsorganisation Hengaw durften weder die Aktivistin selbst noch ihre Anwälte eine Verteidigung vorbringen.
Moradi ist Mitglied der »Gemeinschaft der freien Frauen Ostkurdistans« (KJAR) eines Dachverbandes der Frauenbewegung in den kurdischen Gebieten im Iran. Sie war Anfang August letzten Jahres in der Nähe ihrer Geburtsstadt Sanandadsch im kurdischen Nordwesten des Iran an einem Checkpoint von Regimekräften festgenommen worden. Über Monate war unklar, wohin die Aktivistin verschleppt worden war. Erst Ende Dezember hatte das in Paris ansässige kurdische Menschenrechtsnetzwerk KHRN bekannt gegeben, dass Moradi nach schweren Folterungen in Sanandadsch nach Teheran in das berüchtigte Evin-Gefängnis überführt worden sei.
Aktivismus geht im Gefängnis weiter
Moradi hatte mit ihren Mitgefangenen immer wieder auf die Zustände im Gefängnis und die zahlreichen Hinrichtungen aufmerksam gemacht. Im Mai trat sie gemeinsam mit der KJAR-Aktivistin Pakhshan Azizi, die im Juli mit der gleichen Begründung zum Tode verurteilt wurde, in einen zweitägigen Hungerstreik. In der Folge wurde ihr jeglicher Kontakt zu ihrer Familie und Anwälten verweigert.
Nach ihrem letzten Gerichtstermin war Moradi schließlich am 10. Oktober, dem Internationalen Tag gegen die Todesstrafe in einen unbefristeten Hungerstreik getreten, um gegen die zunehmende Zahl von Hinrichtungen im Land und gegen die Todesstrafe generell zu protestieren.
Im Verlauf des Hungerstreiks verschlechterte sich ihr körperlicher Zustand zusehends, auch wegen der zuvor erlittenen Folter. Nach Auskunft des KHRN soll sie auch jede medizinische Behandlung abgelehnt haben, sodass sie schnell an Gewicht verlor. Knapp 120 zivilgesellschaftlicher Aktivist*innen hatten die Frauenrechtlerin daraufhin dazu aufgerufen den Hungerstreik zu beenden, auch ihre eigene Organisation KJAR hatte sich dem Aufruf angeschlossen. Sie beendete den Hungerstreik schließlich nach rund drei Wochen, über ihren Gesundheitszustand ist nichts bekannt.
Die Kampagne »Nein zu Hinrichtungen, Ja zum freien Leben« würdigte Moradi auf der Plattform X nach dem Urteil als ein Symbol im Kampf gegen die Ungerechtigkeit im Iran.
So viele Hinrichtungen im Oktober wie seit 20 Jahren nicht
Seit dem Aufstand nach der Ermordung der Kurdin Jina Amini im September 2022 werden immer mehr Todesurteile und Hinrichtungen im Land verzeichnet, auch wenn kaum eine genaue Zahl genannt werden kann. Während Menschenrechtsorganisationen für 2021 noch 314 Hinrichtungen meldeten, waren es 2022 schon 576 und im letzten Jahr 853, so viele wie seit 2015 nicht mehr. Von einer hohen Dunkelziffer wird ausgegangen.
Auch unter dem neuen iranischen Präsidenten Massud Pezeschkian setzt sich dieser Trend fort. Die Kampagne »No to Executions Tuesdays«, an der sich auch Moradi beteiligt, meldete allein im Oktober 270 Hinrichtungen, so viele wie seit 20 Jahren nicht. Die an der Kampagne beteiligten Gefangenen versuchen mit Hungerstreiks jeden Dienstag und Nachrichten aus den Gefängnissen über die Hinrichtungen zu informieren.
Ob Varischeh Moradi hingerichtet wird, ist offen. Für Moradi sind die Urteile und Hinrichtungen nur ein Eingeständnis der Hilflosigkeit der Islamischen Republik. »Die von der Regierung vorgegaukelte Stärke, die Panikmache und die Ausweitung der Unterdrückung am Rande der Revolution für Frauen, Leben und Freiheit sind nichts als eine eitle Illusion«, schrieb sie in einem Brief nach den Todesurteilen gegen ihre Mitgefangenen Scharifeh Mohammadi und Pakhschan Azizi im August.
Dass der Aufstand von 2022, auf den sich Moradi bezieht, auch außerhalb der Gefängnisse weiterschwelt, zeigte zuletzt der Fall einer jungen Frau, die an der Azad-Universität gegen die Kleiderordnung protestierte.
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