- Berlin
- Behindertenparlament
Anerkennung ist keine Inklusion
Bevor das Behindertenparlament dieses Jahr tagt, sehen Vertreter Licht und Schatten
Einmal im Jahr zieht eine Behindertenselbstvertretung ins Berliner Abgeordnetenhaus. Dann bewegen sich die Teilnehmer*innen vornehmlich per Rollstuhl durch die Sitzreihen, und die Lage behinderter Menschen wird zum zentralen Politikum. Auch im diesjährigen Berliner Behindertenparlament am 7. Dezember können Berliner*innen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen sowie deren Angehörige und Unterstützer*innen als Parlamentarier*innen auftreten, über Anträge beratschlagen und abstimmen, sowie an der Fragestunde mit Senator*innen teilnehmen.
In sogenannten Fokusgruppen erarbeiten vorab Ehrenamtliche mit und ohne Behinderungen Anträge, die nach Beschluss des Parlaments dem Senat zur Anregung und Beantwortung vorgelegt werden. So wurden 2023 in einem Antrag »barrierefreie Fußwege« verlangt. Für Menschen mit Behinderungen seien insbesondere herumstehende und -liegende Mietfahrräder und -E-Roller ein Hindernis und eine Gefahrenquelle.
Als Maßnahme fordert das Parlament eine Konzessionierung der E-Roller und Mietfahrräder für wenige Anbieter. Über diese exklusiven Nutzungsrechte sei dann eine Regulierung vorzunehmen über die Anzahl der Fahrzeuge, feste Abstellstationen und Sanktionen. In seiner Antwort teilt der Senat mit, dass die E-Scooter bereits auf 19 000 Stück begrenzt seien. Die Sondernutzungserlaubnis für die Anbieter sei bereits an Bedingungen geknüpft: »Bodenindikatoren, Handläufe, Informationsstelen oder ähnliches sind freizuhalten.« Verstöße gegen diese Bedingungen und die Flottengröße ließen sich bereits überprüfen.
nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.
Stefan Dominik Peter zeigt sich zufrieden, dass alle sieben Anträge aus dem vergangenen Jahr vom Senat beantwortet wurden und sich auch in diesem Jahr wieder viele Senator*innen angekündigt hätten. »Das kann ich nur darauf zurückführen, was das Behindertenparlament leistet und dass eine Wertschätzung dessen erfolgt«, sagte Peter, Vorstandsvorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin und Mitinitiator der ersten beiden Behindertenparlamente 2021 und 2022, am Donnerstag im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses.
Wie ein »roter Faden« ziehe sich laut Peter ein Muster durch die Antworten des Senats, die teils bis zu acht Seiten lang sind: »Wir sagen, es gibt folgende Probleme und der Senat antwortet, er sehe diese Probleme nicht.« Das legt auch die zitierte Antwort des Senats zu den barrierefreien Fußwegen nahe.
Des Weiteren sei es eine Herausforderung, jedes Jahr die Finanzierung auf die Beine zu stellen. Aus dem Ehrenamt heraus habe man vier Anträge geschrieben und dennoch bloß zwei Drittel des Betrages für eine auskömmliche Finanzierung bewilligt bekommen. Peter verweist auf die Bürgerschaft in Bremen. Dort sei die Finanzierung ein Haushaltsposten, der bis zu 90 Prozent der Finanzierung sicherstelle.
Staatssekretär Aziz Bozkurt regte an, für eine bessere Verzahnung zwischen Behindertenparlament und Abgeordnetenhaus eine Änderung der Geschäftsordnung der Verwaltung ins Auge zu fassen. Der gemeinsame Diskurs könne ausgebaut werden, wenn beispielsweise in allen Ausschüssen über die Anträge des Behindertenparlaments mündlich beraten werden müsse.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.