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Eine vermeidbare Katastrophe

Kurt Stenger über den starken Anstieg der weltweiten Masernfälle

Wegen der Corona-Pandemie und den Lockdowns versäumten viele Millionen Kinder die Impfung, militärische Konflikte bedrohen die Gesundheitsorganisationen, hinzu kommt Impfskepsis. Die Masernfälle steigen.
Wegen der Corona-Pandemie und den Lockdowns versäumten viele Millionen Kinder die Impfung, militärische Konflikte bedrohen die Gesundheitsorganisationen, hinzu kommt Impfskepsis. Die Masernfälle steigen.

Masern – da war doch mal was? Nur die Älteren unter uns werden sich noch erinnern können an diese Kinderkrankheit, die mit Fieber und den typischen roten Hautflecken einhergeht. In Deutschland weitgehend verschwunden, grassiert das Virus weltweit noch immer in großer Zahl, sogar mit zuletzt stark gestiegener Tendenz: Laut einer gerade veröffentlichten Schätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gab es im vergangenen Jahr 10,3 Millionen Masernfälle, was einem Anstieg um ein Fünftel gegenüber 2022 entspricht. 107 500 Menschen, meist Kinder unter fünf Jahren, starben. Eigentlich unglaublich, denn es gibt seit 50 Jahren wirksame Impfstoffe und die Welt hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2030 die Masern weltweit zu eliminieren, was alles andere als unrealistisch ist.

Besorgniserregend ist, dass das Krankheitsgeschehen nicht regional begrenzt ist – 57 Länder auf mehreren Kontinenten meldeten große oder schwerwiegende Masernausbrüche. Das liegt vor allem an der unzureichenden Durchimpfungsrate, die verschiedene Gründe hat: Wegen der Corona-Pandemie und den Lockdowns versäumten viele Millionen Kinder die Impfung. Militärische Konflikte bedrohen die Gesundheitsorganisationen – in Sudan, wo sich die nach UN-Angaben derzeit schlimmste Flüchtlingskrise abspielt, sterben besonders viele, Kinder daran. Wo Unterenrährung herrscht, sind die Masern besonders häufig tödlich. Hinzu kommen vielerorts Impfskepsis und Impfzurückhaltung.

Es braucht daher vermehrte internationale Anstrengungen. 2023 erhielten laut WHO nur 74 Prozent der Kinder die notwendige zweite Dosis des Impfstoffs – um Ausbrüche des hochansteckenden Virus zu verhindern, müssten es in jedem Land und jeder Gemeinde mindestens 95 Prozent sein. Doch die WHO ist seit Jahren knapp bei Kasse und versucht zunehmend mit »Investmentrunden« Mittel für einzelne Programme einzuwerben – durch diese Bettelveranstaltungen könnten private Geldgeber noch mehr Einfluss gewinnen. Das Problem droht sich absehbar noch zu verschärfen, denn in den USA, dem größten einzelnen Geldgeber, soll ein erklärter Impfgegner Gesundheitsminister werden: Robert F. Kennedy machte mit abstrusen Behauptungen Schlagzeilen, etwa dass die Covid-19-Vakzine zu Autismus bei Kindern führen. Sein Boss Donald Trump kann Multilateralismus generell nicht leiden und drehte der WHO schon mal den Geldhahn zu. Und andere Staaten stehen nicht gerade Schlange, um hier einzuspringen.

Die Aussichten insbesondere für arme Länder verschlechtern sich entgegen offiziellen UN-Zielen auf absehbare Zeit weiter. Wie bei vielen anderen tödlichen Krankheiten von Tuberkulsoe bis Malaria ist auch der Kampf gegen die Masern zunehmend ein Trauerspiel – denn es handelt sich um eine vermeidbare Katastrophe.

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