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Hoffnung auf eine Feuerpause dank Intervention aus Washington
US-Sonderbeauftragter für den Libanon gibt sich optimistisch, auf libanesischer Seite zeigt man sich weitaus skeptischer
Amos Hochstein, der US-Sonderbeauftragte für den Libanon, hält einen Waffenstillstand im Libanon für greifbar. Nach einem Gespräch mit Parlamentssprecher Nabih Berri sagte der amerikanische Diplomat, die Hisbollah habe einem Vorschlag der Biden-Regierung prinzipiell zugestimmt. Doch aus Kreisen der schiitischen Hisbollah-Miliz hieß es in Beirut, es gebe noch einige Details zu klären, bevor ihre gegen israelische Panzerverbände kämpfenden Guerillatrupps die Waffen schweigen lassen.
Zwar sind weder der Ablauf der Waffenruhe noch die Kritikpunkte der versteckt lebenden Hisbollah-Führung bekannt. Doch wieder einmal ist es Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, der mit seinen unverblümten Forderungen weitere Spekulation unnötig macht: Selbst nach einer Unterzeichnung eines Waffenstillstandes behalte man sich einzelne Operationen gegen den Feind vor, so der Premier.
USA bestehen auf UN-Resolution 1701
Im Libanon teilt daher kaum jemand den Optimismus von Hochstein. Die aus jahrelang vorbereiteten Verstecken aus operierenden Hisbollah-Einheiten handeln bereits teilweise autonom. Sollten sie Ziel von gezielten Luftangriffen werden, werden sie wohl kaum auf das weit entfernte Kommando aus Beirut hören. Sondern zurückschlagen.
Dazu würden sie bei einem Rückzug aus der 2006 von den Vereinten Nationen beschlossenen Sicherheitszone ihre Bunker verlassen müssen und würden damit zum leichten Ziel der israelischen Drohnen und Kampfjets. Die US-Initiative pocht auf die Einhaltung der Resolution 1701, durch die der letzte Krieg zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee beendet worden ist. Der Rückzug sämtlicher anti-israelischer Milizen hinter den Litani-Fluss, der 30 Kilometer von der libanesisch-israelischen Grenze verläuft, scheint ein logischer Ausweg aus dem Krieg.
Israels Armee kontrolliert nur wenig libanesisches Territorium
Immer mehr israelische Militärexperten bezweifeln, dass die Armee die Hisbollah aus der Zone mit militärischen Mitteln vertreiben kann. Auch wenn bereits ganze Grenzorte von den Pioniertruppen mit Sprengladungen dem Erdboden gleichgemacht wurden, kontrolliert die mehrheitlich aus Reservisten bestehende Armee bisher nur wenige Quadratkilometer.
Die Hisbollah-Einheiten sind zwar wesentlich schwächer bewaffnet als ihre Gegner. Aber die von ihnen auf sozialen Medien geteilten Videos zeigen Guerilla-Aktionen, bei denen sie offenbar auch bereit sind, ihr Leben zu opfern.
»Auf beiden Seiten der Grenze sollte daher klar sein, dass ein Waffenstillstand nur mit Garantien der USA oder anderer Parteien möglich ist«, so ein Berater der libanesischen Regierung gegenüber dem »nd« in Beirut. »Schon das unübersichtliche Terrain wird für Zwischenfälle sorgen.« Wie in allen arabischen Nachbarländern Israels ist auch im Libanon das Vertrauen gesunken, dass die US-Regierung mäßigend auf Benjamin Netanjahu einwirken wird. Hochstein schweigt bisher zu dem von Netanjahu angekündigten Bruch eines möglichen Waffenstillstandes.
Israel fordert Rückzug der Unifil-Mission
Vor allem dessen Forderung nach dem Rückzug der Unifil-Mission der Vereinten Nationen erschwert die bereits 2016 beschlossene Lösung, die den 70 000 aus Nordisrael evakuierten Bewohnern die Rückkehr ermöglichen könnte. Laut UN-Sicherheitsratsbeschluss soll die libanesische Armee zusammen mit den rund 10 000 Unifil-Soldaten und in Kooperation mit der israelischen Armee die Pufferzone zwischen Grenze und Litani-Fluss kontrollieren.
Der Rückzug der Hisbollah würde wohl schrittweise erfolgen und ist nur mit israelischen Sicherheitsgarantien möglich. Doch nach einem Jahr Raketenbeschuss auf Nordisrael und der Bombardierung ziviler Ziele im Libanon geht das Vertrauen auf beiden Seiten gen null. In Beirut hoffen daher viele auf eine europäische Friedensinitiative. Bisher vergebens.
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