»Remigration« als Markenkern für die AfD

Ein Jahr nach dem »Geheimtreffen« protestieren Hunderte in Potsdam gegen rechts

700 Menschen gingen am Montag in Potsdam auf die Straße.
700 Menschen gingen am Montag in Potsdam auf die Straße.

Am Montag jährte sich das »Geheimtreffen« von Potsdam zum ersten Mal. Im Januar hatte das Recherchebüro »Correctiv« groß über das Treffen des »Düsseldorfer Kreises« berichtet. In Potsdam hatten sich Politiker*innen vom rechten Rand der CDU bis in die Spitze der AfD vom Identitären-Aktivisten Martin Sellner einen »Masterplan« zur Remigration vorstellen lassen. Die Berichte über das Treffen lösten bundesweit riesige Protestwellen aus. Millionen Menschen bekundeten ihre Angst, dass die AfD ihre Deportation oder die Deportation von Freund*innen und Familienangehörigen plane. Viele forderten Politiker*innen zum Handeln gegen die AfD auf.

In Potsdam erinnerten am Montagabend immerhin 700 Menschen an die Forderungen vom Jahresanfang, konsequenter gegen rechts vorzugehen. Ein Bündnis aus Fridays for Future, den Parteijugenden und anderen Gruppen nahm den Jahrestag des »Geheimtreffens« zum Anlass für eine Demonstration. Die AfD sei »das Ende unserer Freiheit«, hieß es in einer Rede der Omas gegen Rechts. Eine Vertreterin der Grünen Jugend forderte das Verbot der AfD. Der Kreisvorsitzende der Jungen Union erklärte, dass er die »Brandmauer« gegen die AfD verteidigen werde. Andere Redner*innen thematisierten, welche Gefahren für queere Menschen von der AfD ausgehen und dass zum Kampf für die Demokratie auch der Kampf um das Asylrecht gehöre.

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Bayerische Remigrationspläne

Bei der AfD hat die Aufregung um das Treffen von Potsdam nicht zu einer Mäßigung geführt. Im Gegenteil, wie aktuelle Beispiele zeigen. Der Landesparteitag der bayerischen AfD beschloss am Wochenende eine Resolution zum Thema Remigration. »Der Begriff Remigration ist ein Markenzeichen – wie Tempotaschentücher«, äußerte sich der ehemalige AfD-Landtagsabgeordnete Uli Henkel laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks in der Debatte zur Resolution. Der Landtagsabgeordnete Richard Graupner ergänzte in den sozialen Medien: »Wir lassen uns die Deutungshoheit über den Begriff – als Markenkern der AfD – nicht nehmen!«

Inhaltlich orientiert sich die bayerische AfD ganz an Martin Sellners Masterplan. Eine »Remigrationsagenda« wird gefordert, um »dem Staatsziel einer umfassenden Remigration im Millionenbereich für die kommenden zehn Jahre gerecht zu werden«. Asylsuchende sollen ausschließlich außerhalb Europas untergebracht werden. »Personengruppen« mit »schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit und -willigkeit« will die AfD abschieben. Außerdem soll bei »schweren Verstößen gegen das geltende Recht« eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft ermöglicht werden.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU sagte, es sei unzulässig, »Staatenlose zu produzieren«. Gleichzeitig erklärte Herrmann, die bayerische Staatsregierung fordere auch, dass Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft nach schweren Straftaten entzogen werden sollte, wenn sie eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Zur Positionierung der AfD wusste der CSU-Politiker außerdem anzumerken, die AfD verkenne, »dass wir auch für unseren Arbeitsmarkt Menschen brauchen, dass wir qualifizierte Zuwanderung brauchen«. Es werde immer nur davon gesprochen, »Ausländer rauszuschmeißen«. So könne man die Zukunft des Landes nicht gestalten.

Identitäre Werbeagentur

Diese realpolitischen Anregungen wird die AfD vermutlich ignorieren. Zumindest deutet die Wahl ihrer Werbeagentur für den Bundestagswahlkampf darauf hin. Am Dienstag berichtete das ARD-Hauptstadtstudio, für welche Agentur sich die Partei entschieden hat: Die Wahl ist eindeutig! Die Tannwald Media wird betrieben von Alexander Kleine, einem Aktivisten der extrem rechten Identitären Bewegung aus Leipzig. Einer ihrer größten Erfolge bisher: eine rassistische Abwandlung des Partysongs »Hey, was geht ab«. In der Version der rechten Medienagentur geht es darum, »sie alle« abzuschieben. Gegrölt wurde der rassistische Partyhit unter anderem bei der AfD-Wahlparty nach der Brandenburger Landtagswahl in Potsdam.

Die Tannwald Media ist für zahlreiche extrem rechte Online-Kampagnen verantwortlich. Der Deutschlandfunk vermutete in einer Recherche im Sommer, dass Alexander Kleine sich auch hinter der Kunstfigur »Wilhelm Kachel« verbergen könnte, die völkische und rassistische Bildchen in den sozialen Netzwerken verbreitet. Kleine antwortete dem Deutschlandfunk, auf die Frage, ob er hinter »Wilhelm Kachel« stecke, dass er die Anfrage als »frech« und »Schnüffelei« empfinde. Ob er verantwortlich ist, erklärte er nicht.

Eine Folge des Potsdamer »Geheimtreffens« waren auch allerlei Prozesse gegen Medien und Privatpersonen, die sich zu dem Treffen geäußert hatten. In einigen Fällen erzielten die Rechten dabei Erfolge. Auch Äußerungen über die AfD wurden das Ziel von Strafanzeigen. »Gebt ihnen Ohrfeigen, kotzt ihnen ins Gesicht. Die müssen sich bewusst werden – das ist nicht nur ein Kreuz. Damit bist du Nationalsozialist, nix anderes«, hatte der ehemalige Präsident von Eintracht Frankfurt Peter Fischer im Frühjahr bei einem Fernsehauftritt über die AfD gesagt. 65 Menschen zeigten Fischer deshalb an. Die Staatsanwaltschaft Köln entschied nun, Fischers Urteil über die AfD und ihre Wähler ist von der Meinungsfreiheit gedeckt.

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