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Handelsabkommen auf der Kippe
Parteiübergreifendes Nein in Frankreichs Parlament zu EU-Mercosur-Deal
Im Rahmen einer kurzfristig anberaumten Debatte hat die französische Nationalversammlung am Dienstagabend in seltener Eintracht das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur zurückgewiesen. Für den entsprechenden Antrag stimmten 464 Abgeordnete. Dass 70 Parlamentarier der linken Bewegung La France insoumise dagegen votierten, hatte einen speziellen Grund: dass die Initiative dafür von der Regierung kam und es am Schluss über eine von ihr formulierte Erklärung abzustimmen galt, mit der Frankreich die Entschlossenheit bekundet, das Abkommen weder zu unterzeichnen noch zu ratifizieren.
Präsident Emmanuel Macron hatte erst vor Tagen am Rande des G20-Gipfels in Rio erklärt, dass Frankreich das Abkommen, »so wie es heute ist«, nicht mittragen wird. Seit Monaten ist er bemüht, Verbündete für diese Position zu finden. Polen hat bereits erklärt, dass man ebenfalls nicht unterzeichnen werde. Weitere Verbündete könnten Italien, Österreich und die Niederlande sein. Um das Abkommen zu Fall zu bringen, ist allerdings eine Sperrminorität von EU-Mitgliedsländern nötig, die zusammen mehr als ein Drittel der Bürger der Union repräsentieren.
Die Seite der Befürworter wird von Deutschland angeführt, das sich von dem Freihandelsabkommen und vom Wegfall von rund 90 Prozent der Zölle Chancen für seine Exportindustrie und vor allem den Automobilbau erhofft. Auf Freihandel setzen auch Spanien und Portugal, die als ehemalige Kolonialmächte historisch starke Bindungen nach Südamerika haben und sich einen starken Aufschwung ihrer Handelsbeziehungen versprechen. Bislang belegen die Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay Autos und Textilien aus Europa mit Zöllen von 35 Prozent, bei anderen Industriegütern sind es 14 bis 20 Prozent und bei Nahrungsmitteln 16 bis 27 Prozent.
In der Parlamentsdebatte wurde von einem unlauteren Wettbewerb der Großagrarier der Mercosur-Länder gesprochen.
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Um zu verhindern, dass Europa mit billig produzierten Agrarprodukten aus Südamerika überschwemmt wird, hat man jährliche Quoten ausgehandelt, bei Zucker und Geflügel knapp unter 200 000 Tonnen und bei Rindfleisch 99 000 Tonnen. Damit wollten die Unterhändler der EU-Kommission nicht zuletzt die Bauernverbände beruhigen, denn in Brüssel, aber auch in Paris, Berlin und anderen europäischen Hauptstädten demonstrieren Bauern mit ihren Traktoren auch gegen die Gefahren, die sie durch das Mercosur-Abkommen für sich heraufziehen sehen. Frankreich ist in Europa das größte Agrar-Exportland.
In der Parlamentsdebatte wurde von einem unlauteren Wettbewerb der Großagrarier der Mercosur-Länder gesprochen. Redner der Regierungsparteien sowie der linken und rechten Oppositionsparteien wiesen mit Fakten und Zahlen nach, wie das Abkommen den ungleichen Wettbewerb zulasten der EU-Bauern anheizen würde. Die Produktionskosten in Südamerika lägen aufgrund geringerer Löhne und einer nur rudimentären Sozialgesetzgebung um 60 Prozent niedriger als in Europa. Da auch Insektizide, Antibiotika und Wachstumshormone eingesetzt werden können, die in der EU seit vielen Jahren verboten sind, drohten auch ernste gesundheitliche Schäden für die europäischen Verbraucher. Beklagt wurde ferner eine intensive, industriemäßige Produktion auf gigantischen Flächen, für die nur zu oft Urwald gerodet und die dort lebenden Menschen vertrieben wurden.
In der Debatte wurden allerdings auch unterschiedliche Beweggründe bei den Abgeordneten des Regierungslagers, den rechten und den Zentrumspolitikern deutlich, die die Koalition von Premier Michel Barnier unterstützen, sowie vonseiten der linken Opposition. Rechte und zentristische Politiker befürworten im Prinzip weiterhin Freihandelsabkommen, doch nur unter der Bedingung, dass sie für beide Seiten gleich vorteilhaft sind. Darum fordern sie, dass das Mercosur-Abkommen »nachgebessert« werden solle. Die linken Kritiker lehnen dieses aber generell ab.
Um zu verhindern, dass das Abkommen noch ganz scheitert, will es die EU-Kommission in zwei Teile aufspalten: in Themen der Zusammenarbeit, die Kompetenzen der einzelnen Mitgliedstaaten berühren und eine Ratifizierung durch alle nationalen Parlamente erfordern, und in Punkte, für die das nicht gelten soll. Dann könnte der Wirtschaftsteil mit einer qualifizierten Mehrheit im Rat der EU angenommen werden, für die 15 Länder mit zusammen zwei Dritteln der Europäer genügen. Im Europaparlament würde sogar die einfache Mehrheit reichen. Ob die Befürworter des Mercosur-Abkommens die Vorbehalte Frankreichs und anderer Partner auf diese Weise ausmanövrieren können, bleibt abzuwarten.
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