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Bibliothek kämpft ums Lafayette
Ehemaliges Luxus-Kaufhaus könnte lichtdurchflutete Räume zum Lesen und Arbeiten bieten
Es ist verregnet und windig, trotzdem sind viele Menschen draußen unterwegs auf der Friedrichstraße. Eines der touristischen Zentren der Innenstadt bietet vor allem: Einkaufsläden und gastronomische Angebote. Hinter der großen Glasfassade der ehemaligen Galeries Lafayette haben Mitarbeiter*innen der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) am Donnerstag allerdings ein breites unkommerzielles Angebot für alle Berliner*innen organisiert: unter anderem Lesungen, einen Basteltisch und unterschiedliche Workshops. Sie wollen mit der »Besetzung« der Räume des ehemaligen Luxuskaufhauses, wie sie die Aktion nennen, ihrem Anliegen Nachdruck verleihen, dort langfristig einzuziehen.
»Wäre es nicht toll, wenn es hier eine große Bibliothek für die Berlinerinnen und Berliner gäbe?« Jonas Fansa, Betriebsdirektor der ZLB, will der Stadtbevölkerung ein Stück der touristischen und teuren Mitte zurückgeben. Deswegen hat die ZLB eingeladen, das Quartier 207 zu besuchen. Fansa hält es für den perfekten Standort für eine Zentralbibliothek. Nicht nur habe es mit etwa 35 000 Quadratmetern genau die Größe, die die ZLB für einen neuen Standort eingeplant hat, es sei auch baulich von Anfang besser für eine Bibliothek als für ein Kaufhaus geeignet gewesen. »Ja, ich schwärme für das Gebäude«, sagt er.
Die große Glasfassade und die eingelassenen Kegel und Zylinder, die sich von oben nach unten durch das Gebäude ziehen, sollen die Bibliothek mit Tageslicht durchfluten. Am Donnerstagnachmittag gibt das dunkle Herbstwetter zwar nicht viel Tageslicht her, doch gerade in den oberen Stockwerken bekommt man schnell einen Eindruck, wie hell es dort tatsächlich sein kann. Innen vor der Glasfassade verdunkeln aktuell außerdem Bauelemente und abgeklebte Scheiben die Räume. »Wenn das wegkommt, kann das hier eine der am meisten lichtdurchfluteten Bibliotheken in so einer Größe werden«, sagt Fansa.
Außerdem ließe sich das Gebäude auf den verschiedenen Stockwerken sehr gut in verschiedene Räume und Bereiche einteilen: zum Lesen, zum Spielen, zum Arbeiten. Vor allem sei hier eine deutlich effizientere Flächennutzung möglich als es an den bisherigen Standorten, der Amerika-Gedenk-Bibliothek am Halleschen Tor und der Stadtbibliothek in der Breiten Straße. »Derzeit sind 20 Prozent unsere Fläche öffentlich nutzbar. Hier könnten wir die Fläche viel effizienter nutzen und 60 Prozent zu Publikumsflächen machen«, sagt Volker Heller, Generaldirektor der ZLB.
Die Kürzungen im Haushalt, gerade im Kulturetat, bedauert Fansa, doch sie müssten kein Hindernis für den Kauf und Umbau der ehemaligen Galeries Lafayette sein. »Es handelt sich um eine Investition. Investitionen in dieser Größenordnung sind in der Regel kreditfinanziert. Es ist nicht die Frage, ob das Geld da ist, sondern ob der politische Wille da ist.«
»Definitiv brauchen wir hier keine neuen Luxusprojekte. Hier gibt es schon zu viel für reiche Leute.«
Ines Querido Moreira ZLB-Nutzerin
Obwohl Finanzsenator Stefan Evers (CDU) bereits bezweifelte, dass das Geld für einen Umzug der ZLB ins Quartier 207 in den kommenden Jahren zur Verfügung steht, hält Fansa am Projekt fest. Seines Wissens nach verhandelten Kultursenator Joe Chialo (CDU) und das landeseigene Unternehmen BIM Berliner Immobilienmanagement weiterhin mit dem Eigentümer, dem US-amerikanischen Investor Tishman Speyer, über einen Kauf des Gebäudes durch das Land.
Das Einstiegsangebot des Investors habe bei 589 Millionen Euro gelegen, den Umbau zur Bibliothek samt Inneneinrichtungen inbegriffen, sagt Fansa. Eine Summe in dieser Größenordnung müsse laut dem ZLB-Betriebsdirektor ohnehin in die Hand genommen werden, um die ZLB für die Zukunft auszustatten: Die dringend notwendige Sanierung der beiden aktuellen Standorte oder ein Neubau in der gebrauchten Größe würden mindestens genauso viel kosten.
Dass etwas passieren muss, steht für Fansa fest. Der aktuelle Zustand der beiden bislang genutzten Gebäude sei »desolat«. »600 Millionen Euro würde auch die Sanierung der beiden Gebäude zusammen kosten. Und dann haben wir immer noch nicht den einen zentralen Standort.« Die aktuellen Gebäude würden außerdem nicht genügend Platz für Besucher*innen bieten: Die Amerika-Gedenk-Bibliothek sei auf 500 Besucher*innen am Tag ausgelegt, stattdessen kämen täglich über 3000.
Die ZLB wünscht sich schon seit Langem eine Zusammenlegung der beiden Bibliotheken an einem einzigen Ort. »Das Problem schwelt seit Jahrzehnten.« Einst sei der Palast der Republik als Standort ins Auge gefasst worden, dann wurde der Abriss beschlossen. Später sollte die Bibliothek auf dem Tempelhofer Feld ein neues Zuhause finden, doch der Volksentscheid zur Nichtbebauung des ehemaligen Flughafens kam dazwischen. Schließlich wurde ein großer Neubau am Blücherplatz geplant, doch auch dieses Vorhaben wurde ab Ende 2022 politisch nicht weiterverfolgt, sagt Fansa. »Das ist im Berliner Behördendschungel abgesoffen.«
Nun steht das Quartier 207 in der Friedrichstraße leer – eine Chance »wie auf dem Silbertablett«, sagt Fansa. »So ein Angebot kommt so schnell nicht wieder. Es wäre widersinnig, das nicht zu machen.«
Von dem Gebäude lassen sich am Donnerstag einige Berliner*innen überzeugen. Auf den unteren drei Etagen schauen sie sich um und nehmen an den Veranstaltungen teil. »Ich glaube an das Projekt«, sagt Besucherin Ines Querido Moreira. Sie nutze die öffentlichen Bibliotheken in Berlin häufig. »Die sind wichtig für unsere Stadt.«
Das Quartier 207 hält sie für einen guten Standort für eine neue Bibliothek, auch was die Lage in der Friedrichstraße anbelangt. »Definitiv brauchen wir hier keine neuen Luxusprojekte. Hier gibt es schon zu viel für reiche Leute«, sagt sie. Kultur bräuchten aber alle, und deshalb müsse man in die Berliner Kultur investieren, statt zu sparen. »Kultur ist unsere Zukunft.«
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