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The Cure: So wie damals, nur anders
Es ist passiert: Es gibt Neues von The Cure
Viele hatten schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass dieses Album noch mal erscheinen würde. Für 2019 wurde das neue Cure-Album erstmals angekündigt, seitdem Jahr für Jahr verschoben. Andererseits: Was sind schon fünf Jahre im Vergleich zu der mittlerweile 48 Jahre währenden Bandgeschichte? Eben.
Die allerdings erweist sich auch schon seit mindestens 32 Jahren als exorbitant großer Schatten, aus dem die Band seitdem kaum mehr hervorzutreten vermochte. Seit dem 1992er-Album »Wish« ging es musikalisch jedenfalls rapide bergab für die Band. Und so zehrte sie seitdem überwiegend von der Kanonisierung ihrer großen Alben, die sie in den Jahren 1979 bis 1989 veröffentlichte.
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Dennoch war die Spannung groß, als im Oktober die vorab ausgekoppelte Single »Alone« erschien. Und siehe da: Gleich nach wenigen Takten zeichnete sich ab, dass sich die Band soundästhetisch zurück in die 1980er Jahre bewegt hat. »This is the end of every song that we sing«, singt Frontmann Robert Smith darin nach einem dreieinhalb-minütigen Instrumental-Intro, und zeigt sich damit ähnlich zukunftsgewandt wie vor 42 Jahren, als er das »Pornography«-Album mit der Zeile »It doesn’t matter if we all die« einleitete. Und doch: Aller curesken Endzeitstimmung zum Trotz behält der Song ein für die Band geradezu charakteristisches Hoffnungsmoment bei. Auch die übrigen sieben Songs auf »Songs of a Lost World« schlagen in eine ähnliche Kerbe wie die Vorabsingle. Egal ob in dem episch-orchestralen »And Nothing Is Forever«, dem wuchtigen »Warsong« oder dem schleppenden »I Can Never Say Goodbye«: Durchgängig erweckt das Album mit seinen traumwandlerischen, mitunter unheimlichen Klangkulissen Erinnerungen an das goldene (also schwarze!) Zeitalter der Band. Jede Melodie, jede Hook ertrinkt in einem Meer aus Hall und Delay. Und ähnlich wie in jener Epoche sind die Songs überwiegend lang und komplex arrangiert.
Formal machen The Cure also sehr vieles richtig. Die Sache hat aber zwei Haken: Zum einen kann man sich beim Hören des Albums nicht des Eindrucks erwehren, dass die Band mit dem Album noch einmal auf Biegen und Brechen an alte Glanztaten anknüpfen und damit die Erwartungen ihrer begierigen Fanschaft bedienen wollte.
Zum anderen – und das ist das deutlich gewichtigere Problem: Im Gegensatz zu ihren Meisterwerken wie »Disintegration« oder »The Head On The Floor« sind der Band auf »Songs of a Lost World« die Jahrhunderthooks ausgegangen. Zwar singt Frontmann Robert Smith auch mit seinen mittlerweile 65 Jahren noch immer wie ein einsamer Wolf in seinen besten Jahren bei Mitternacht. Die Crux aber ist, dass man sich 30 Minuten später unter der Dusche nicht mehr an die Melodien erinnern kann. So pfeift man – dort angekommen – dann am Ende doch zum x-ten Mal »Lullaby« oder »Pictures of You« vor sich hin.
Keine Frage: »Songs of a Lost World« ist ein handwerklich grundsolides, über weite Strecken auch gutes Album, das allemal für ein paar schaurig-schöne Momente beim allabendlichen Stadtspaziergang genügt – doch für viel mehr eben auch nicht.
The Cure: »Songs of a Lost World« (Polydor)
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