CDU: Kein Listenplatz für Haldenwang in NRW

In Wuppertal kann sich der ehemalige Verfassungsschutzchef durchsetzen, im Land zeigt ihm die CDU aber die kalte Schulter

Die Stellvertretende Kreisvorsitzende Derya Altunok (l) und der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang (r) warten bei der Wahl des CDU-Direktkandidat für den Bundestag für den Wahlkreis Wuppertal I auf das Ergebnis.
Die Stellvertretende Kreisvorsitzende Derya Altunok (l) und der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang (r) warten bei der Wahl des CDU-Direktkandidat für den Bundestag für den Wahlkreis Wuppertal I auf das Ergebnis.

Es ist ein Thema, das bundespolitische Debatten in den vergangenen Wochen immer wieder beeinflusst hat. Thomas Haldenwang, 64 Jahre alt und bislang Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, will aus dem Dienst ausscheiden und als Wuppertaler Direktkandidat für die CDU in den Bundestag einziehen. Anhänger*innen und Politiker*innen der AfD schäumten, sahen sie hier doch einen weiteren Beweis dafür, dass der Verfassungsschutz nichts anderes als ein Regierungsschutz sei. Auch viele AfD-Gegner*innen warfen Haldenwang politische Instinktlosigkeit vor. Der direkte Wechsel vom Chefsessel des Inlandsgeheimdienstes ins Parlament sei ein propagandistisches Geschenk für die AfD.

Nun, Haldenwang ließ sich von der Kandidatur nicht abbringen, also trat die von der Wuppertaler CDU vorgeschlagene Gegenkandidatin Derya Altunok nach einem kurzzeitigen Rückzieher doch gegen Haldenwang an. Ihren Entschluss verkündete sie ausgerechnet in der AfD-nahen Zeitung »Junge Freiheit« und nannte CDU-Promis wie Serap Güler als Unterstützer*innen ihrer Kandidatur. Die Kandidatenaufstellung in einem Wahlkreis, den die CDU letztmals 1961 gewann, hatte sich endgültig zum Spektakel ausgewachsen.

Am Samstag war es dann so weit, unter Hunderten weißen Plastikrosen, in einer Halle, in der sonst Hochzeiten stattfinden, durften die Mitglieder der CDU Wuppertal entscheiden, wer für sie in den Wahlkampf ziehen soll. Eine Dreiviertelstunde saßen Altunok und Haldenwang ziemlich steif nebeneinander und ließen die Formalien über sich ergehen. Dann durfte sich Altunok vorstellen; die 36-Jährige spulte CDU-Positionen ab: sprach über »No-Go-Areas« und »Angst« in der Gesellschaft. Der wolle sie sich als Vertreterin »der Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl« entgegenstellen. Über sich selbst erzählte Altunok, dass sie einen türkischen Migrationshintergrund hat, was belege, dass die CDU »Vielfalt« lebe, und dass sie als leitende Angestellte bei der Agentur für Arbeit beschäftigt sei.

Ganz anders Thomas Haldenwang. Gönnerhaft gestand er Altunok zu, inhaltlich das Wesentliche gesagt zu haben, deswegen sprach er vor allem über sich selbst. Er sei ein »Wuppertaler Junge«, so die mit biografischen Details versehene Botschaft des ehemaligen Verfassungsschutzchefs. Haldenwangs zweite Botschaft: Ich bin kompetent und im Politikbetrieb gut vernetzt. Inhaltlich gab es von Haldenwang wenig. Und was es gab, klang hart. Haldenwang nannte den »Datenschutz von Kriminellen« ein Problem und erklärte, dass man »konsequent abschieben« müsse. Es sei klar, dass man »klare Regeln setzen« und aufzeigen müsse, dass »Zuwanderung Grenzen hat«. Haldenwang sprach 15 Minuten, Altunok nur zehn.

Für den ehemaligen Geheimdienstler gab es auch noch die einzige Wortmeldung aus dem Publikum. Ein Mann meldete sich und erklärte, erst kurz in Wuppertal zu leben, deswegen kaum jemanden zu kennen. Er wolle aber sagen, dass Haldenwang einer der »etabliertesten Feinde von Faschisten in Deutschland« sei und man ihm den Rücken stärken solle. Der Mann habe in Sachsen-Anhalt gelebt und wirklich »Angst« um die Demokratie. Vor einigen Jahren hätte er so eine Rede für übertrieben gehalten, so die Pro-Haldenwang Wortmeldung. Ob dieser Appell ausschlaggebend war? Vermutlich nicht. Thomas Haldenwang gewann das Duell klar mit 82 zu 32 Stimmen.

Im Wahlkampf trifft er nun auf den Sozialdemokraten Helge Lindh, der in Wuppertal beliebt ist. Seine Partei hat den Wahlkreis in den vergangenen 63 Jahren stets gewonnen. Haldenwangs Einzug in den Bundestag ist also alles andere als sicher. Eine Absicherung über die Landesliste gibt es für den ehemaligen Verfassungsschützer auch nicht. Am Sonntagabend veröffentlichte der CDU-Landesvorstand seinen 62-köpfigen Vorschlag für die Liste. Angeführt wird sie wenig überraschend von Friedrich Merz, der im Hochsauerland auch als Direktkandidat antritt. Von der Landesliste zogen bei der Bundestagswahl 2021 CDU-Politiker bis zum elften Platz ins Parlament ein. Auf dem Vorschlag für die nächste Wahl finden sich auf den guten Plätzen diesmal nur Christdemokrat*innen, die schon im Bundestag sitzen. Derya Altunok steht auf dem aussichtslosen Platz 58. Haldenwang fehlt sogar komplett. Die NRW-CDU betrachtet die Kandidatur des ehemaligen Verfassungsschutzchefs offenbar als lokale Angelegenheit.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.