Rechte Übergriffe nach Anschlag auf Weihnachtsmarkt

Magdeburger wünschen sich Ruhe und keine weitere Instrumentalisierung

Ein Mann wird bei einer Demonstration rechter Gruppierungen in Magdeburg von Polizisten abgeführt.
Ein Mann wird bei einer Demonstration rechter Gruppierungen in Magdeburg von Polizisten abgeführt.

Der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg hat Folgen für Migrant*innen in der Stadt. Das berichteten schon am Sonntag die Fach- und Beratungsstelle für Gewalt und Radikalisierungsprävention Salam und das Netzwerk der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt Lamsa.

Salam berichtet von einer »extrem feindseligen Stimmung« in der Stadt. Als muslimisch Personen seien als »Terroristen«, »Verbrecher« und »Pack« beschimpft und geschubst worden. In einem anderen Fall sei eine Person von vier Menschen geschlagen worden. Lamsa berichtet davon, dass mehrere Migrant*innen durch die Stadt gejagt worden seien. Mitglieder des Vereins seien außerdem bedroht und beleidigt worden.

Mamad Mohamad, Geschäftsführer von Lamsa spricht von »bodenlos unanständigen Menschen«, denen es nicht reiche, dass die Stadt um fünf Menschen trauern und das Ganze verarbeiten müsse. Angriffe und die Verbreitung falscher Narrative, seien das Letzte, was Magdeburg gerade brauche. »Eine Stadt, die in ihr Herz getroffen wurde, muss zur Ruhe kommen und darf nicht weiter von rechter Propaganda zerrissen werden«, fordert Mohamad.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Eine Forderung, mit der er nicht alleine ist. David Begrich, der bei der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Miteinander e. V. in Magdeburg tätig ist, erklärt, dass die Stadt durch den Anschlag »tief verwundet« sei. Es sei die Zeit für »Trauer und innere Einkehr« und nicht für »Polarisierung oder gar politische Indienstnahme«. Umso besorgter sei er über »Dämonisierung und Bedrohung von Menschen migrantischer Herkunft.«

Auch Matthias Quent, Rechtsextremismusexperte und Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal sagt, dass der Anschlag die Stadt und das Land in der eigentlich friedlichen Weihnachtszeit »ins Herz« getroffen habe. Quent kritisiert, dass extrem rechte Gruppierungen, schon bevor es verlässliche Informationen über den Täter gab, zu Protesten aufgerufen haben und versuchten, die Tat zu instrumentalisieren.

Dabei sei der mutmaßliche Täter selbst AfD-Unterstützer und habe sich 2019 als »aggressivsten Kritiker des Islams in der Geschichte« bezeichnet. Auch habe er Verschwörungstheorien angehangen, die von Rechten verbreitet werden. Quent konstatiert: »Vor dem Hintergrund der aktuellen Befunde muss von einem rechts motivierten Anschlag ausgegangen werden; unabhängig von Abstammung oder Hautfarbe des Attentäters steht die ideologische Motivation als Auslöser der brutalen Attacke im Fokus.«

Hans Goldenbaum, von Salam berichtete in einem Interview mit dem MDR Ähnliches. Den Tatverdächtigen Taleb A. kenne man als »randständige Figur« einer »Filterblase des digitalen globalen Rechtsextremismus«. Er habe dort aktiv Inhalte beigesteuert. Zur Frage der Vernetzung, erklärt Goldenbaum, er glaube nicht, dass Taleb A. sich etwa mit Vertreter*innen der AfD persönlich getroffen habe. Er sei digital stark vernetzt gewesen, habe »online eine Gemeinschaft« gefunden, in der man sich gegenseitig bestärkt und radikalisiert habe.

Dass nun die Rechten, die von Taleb A. online rezipiert wurden, den Anschlag für ihre rassistische Agenda benutzen, bezeichnet Hans Goldenbaum einerseits als »paradox«, andererseits zeige es auf, wie »abgedichtet« der rechtsextreme Diskurs gegen die Realität sei. Die Wirkmächtigkeit dieser Ideologie führe vor Ort zu neuen Problemen. Gewalttätige Übergriffe gegen Migrant*innen seien die Folge der rechten Agitation. Für Montagabend (nach Redaktionsschlus) plant die AfD eine Kundgebung mit anschließendem Trauermarsch. Auch gewalttätige Neonazis mobilisieren.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -