Sparpolitik in Berlin: Wieder blechen fürs Museum

Protest gegen die Streichung der kostenfreien Ausstellungsbesuche am ersten Sonntag im Monat

Lange Schlange vor der alten Nationalgalerie: Am Sonntag nutzten viele Kulturinteressierte die letzte Gelegenheit, die Ausstellung kostenfrei zu besuchen.
Lange Schlange vor der alten Nationalgalerie: Am Sonntag nutzten viele Kulturinteressierte die letzte Gelegenheit, die Ausstellung kostenfrei zu besuchen.

Am 1. Dezember waren die Museen und Galerien besonders gut besucht. Das lag nicht nur an den vielfältigen Kulturangeboten. Am vergangenen Sonntag konnten die Berliner*innen auch das letzte Mal kostenfrei die Ausstellungen besuchen. Denn im Rahmen der Haushaltskürzungen wird der Museumssonntag, wie der kostenfreie Besuch von mehr als 80 Berliner Museen am ersten Sonntag im Monat genannt wird, nach dreienhalb Jahren wieder abgeschafft. Dabei zeigte der Andrang, dass der Museumssonntag gut angenommen wurde. »Mit mehr als 2,2 Millionen Besuchen und 5000 Veranstaltungen ist der Museumssonntag aus dem Berliner Kulturkalender nicht mehr wegzudenken«, heißt es in einer Pressemeldung der Kulturprojekte Berlin.

Doch nicht alle wollten sich kritiklos mit der Abschaffung des Museumssonntags abfinden. Im Innenhof des Hamburger Bahnhofs, einem Museum für moderne Kunst, organisierte eine kleine Gruppe unter dem Motto »Kultur für Alle« eine Protestkundgebung. Die Vorbereitung wurde von wenigen Freund*innen in kurzer Zeit organisiert, sagte Jan Novak, einer der Mitorganisator*innen, zu »nd«. »Wir wollten den laufenden Kürzungsprotesten über alle Bereiche hinweg ein Podium bieten und die Aktionen gegen die Abschaffung des Museumssonntags hierfür nutzen.«

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Einige Schilder wurden gemalt und eine Seifenkiste mitgebracht, auf denen dann die Redner*innen ihren Protest gegen den Wegfall des Museumssonntags vorbrachten. Ein Sprecher stellte den Wegfall des kostenlosen Museumsbesuchs in einen größeren Zusammenhang: »Die aktuellen Kürzungen müssen als Teil eines orchestrierten Angriffs auf die Daseinsvorsorge der Berliner*innen begriffen werden.«

Jannis Willim und Ünal Igne von der Kreuzberger Initiative Kotti & Co. zogen in ihren Beiträgen eine Verbindung zum Kampf der Berliner Mietrebell*innen gegen Verdrängung und Gentrifizierung. »Wer immer mehr Geld für die Miete auszugeben gezwungen ist, muss bei vielen anderen Dingen des täglichen Lebens sparen. Dazu gehört auf jeden Fall die Kultur.« Eintrittspreise oft in zweistelliger Höhe seien dann nicht mehr erschwinglich. »Sie trifft der Wegfall des kostenlosen Museumssonntags dann besonders hart«, so die Mietaktivist*innen. Sie riefen dazu auf, am kommenden Donnerstag zur Kundgebung für einen bundesweiten Mietendeckel zu kommen, die parallel zum Wohnungsgipfel der Bunderegierung um 13.30 Uhr vor dem Deutschen Institut für Bautechnik in Schönefeld stattfindet.

»Ich bin immer am Museumssonntag in die Ausstellungen gegangen, weil ich sie mir sonst von meiner Rente nicht leisten könnte.«

Kundgebungsteilnehmer

Viele der Besucher*innen der Ausstellungen im Hamburger Bahnhof spendeten spontan Beifall. Die meisten blieben stehen, hörten sich die Reden an und nahmen die Flyer. »Ich bin extra von Wilmersdorf heute in den Hamburger Bahnhof gekommen, weil es die letzte Gelegenheit ist, mir die Ausstellung ohne Eintritt anzuschauen«, sagte eine junge Frau. »Ich bin Studentin, habe wenig Geld und hätte mir ein Ticket nicht leisten können.« Andere hörten zu und nickten. »Es geht mir auch so. Ich bin immer am Museumssonntag in die Ausstellungen gegangen, weil ich sie mir sonst von meiner Rente nicht leisten könnte«, sagte ein älterer Mann. Eine andere Frau fragte: »Was kann man denn sonst noch machen? Werden denn die Proteste von den Politiker*innen überhaupt wahrgenommen?«

Diese Fragen seien ihnen häufig bei der Kundgebung gestellt worden, sagt Jan Novak. »Viele Menschen sind von der Abschaffung des Museumssonntags betroffen. Sie sind sehr sauer darüber, aber wissen nicht, wie sie sich wehren sollen.« Novak und seine Mitstreiter*innen sind über die positive Resonanz ihrer kleinen Initiative ermutigt. Sie sind überzeugt, dass in den nächsten Tagen die Proteste gegen die Sparpolitik des Berliner Senats verstärkt werden müssen. Schließlich ist der 19. Dezember der Stichtag, an dem die Kürzungen im Haushalt verabschiedet werden sollen. »Noch können wir also im Vorfeld so viel Druck machen, dass es dazu gar nicht kommt«, sagt eine der Mitstreiterin. Aber auch dann ist der Widerstand nicht beendet. »Wie wäre es, wenn am ersten Sonntag im Januar wieder viele Kulturinteressierte vor den Eingängen der Museen stehen würden und kostenlosen Eintritt verlangen?«, fragt eine junge Kundgebungsteilnehmerin.

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