Nur Centbeträge für Kakaobohnen

Steigende Verkaufserlöse auf dem Weltmarkt werden nicht an die Produzenten durchgereicht

Ein Bauer bei der Trocknung von Kakaobohnen in Kolumbien
Ein Bauer bei der Trocknung von Kakaobohnen in Kolumbien

In dieser Vorweihnachtszeit ärgert nicht allein der Butterpreis viele Verbraucher. Ein Schoko-Nikolaus kostet heute im Einzelhandel 22 Prozent mehr als noch im Vorjahr und ein Adventskalender gar 32 Prozent, meldet der Zahlungsdienstleister Sum-Up. Hersteller verweisen auf gestiegene Rohstoffpreise. Tatsächlich haben sich die Importpreise für die wichtigste Schokoladenzutat, nämlich Kakaobohnen, im Oktober gegenüber dem Vorjahresmonat fast verdoppelt, meldete das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden am Dienstag.

Die Preisexplosion trifft zugleich die Industrie. Nicht die Schweiz, sondern Deutschland ist der größte Exporteur von Schokoprodukten in Europa. Mehr als eine Million Tonnen Pralinen, Süßigkeiten und Tafeln wurden in diesem Jahr hierzulande produziert. Unterm Strich dürften 2024 noch einmal mehr davon hergestellt worden sein als im bisherigen Rekordjahr 2023. Rund 14 Kilogramm Schokolade pro Kopf wurden hergestellt, was zweieinhalb Tafeln pro Woche entspricht.

Etwa 80 Prozent des Umsatzerlöses aus dem Verkauf einer Tafel Schokolade gehen an Hersteller und Handel auf der Nordhalbkugel.

Kakao wird überwiegend in Form ganzer Bohnen und von Bohnenbruch über den Hamburger Hafen importiert und erst danach zu Kakaobutter und später zu Schokolade weiterverarbeitet. Deutsche Unternehmen verwenden weltweit mit den meisten Rohkakao. Preistreibend wirken die höheren Kosten für Transport und Versicherung der Fracht sowie für die Zwischenhändler. Sie sollen sich verzehnfacht haben, auf bis zu 2500 Euro pro Tonne Kakao.

Maßgeblich für die Preisentwicklung sind allerdings die Börsen in New York und London. Zuletzt stieg der Kakaokurs wieder auf über 9000 Euro. Hitze, Dürreperioden und ein bereits alter, wenig ertragreicher Baumbestand verknappen das Angebot am Markt. Da die weltweite Nachfrage nach Kakaoprodukten weiterhin hoch ist, steigen die Preise massiv an.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Besonders betroffen ist die Elfenbeinküste mit mehr als 40 Prozent des weltweiten Erntevolumens. In Deutschland ist der Anteil des mit Abstand wichtigsten Kakaoproduzenten noch größer. In den Plantagen wütet zudem das Cacao-Swollen-Shoot-Virus (CSSV). Längere Regenperioden fördern seine Ausbreitung des CSSV, die über Blattläuse erfolgt und Bäume sterben lässt. Zur Bekämpfung werden infizierte Bäume gefällt und neue gepflanzt. In Ghana sollen bereits mehr als 17 Prozent aller Anbauflächen betroffen sein. Auch auf die Elfenbeinküste greift das Virus über.

Von den hohen Weltmarktpreisen kommt bei den Produzenten nur ein Bruchteil an. In vielen Ländern erhalten die Menschen so wenig Geld für ihre Arbeit, dass es kaum zum Leben reicht, kritisiert die alternative Handelsorganisation Fairtrade in Köln. »Das gilt auch für die Elfenbeinküste und Ghana, wo der meiste Kakao herkommt.« Ghana ist mit einem Weltmarktanteil von rund 20 Prozent die Nummer zwei, gefolgt von Nigeria (etwa zehn Prozent). Fairtrade zahlt »seinen« Kakaobauern einen Aufschlag auf den Marktpreis.

Während der Erntesaison zwischen Oktober und März schuften schätzungsweise zwei Millionen Kinder auf den Plantagen Westafrikas. Lediglich mit Kinderarbeit kommen Kleinbauern finanziell über die Runden. Der Grund: Die Bauern kriegen nur Centbeträge für die Bohnen. Satte Gewinne werden von Schokoladenherstellern wie Barry Callebaut eingestrichen. Der in der Öffentlichkeit nahezu unbekannte Konzern mit Hauptsitz in Zürich ist laut Firmenangaben der weltweit führende Hersteller von Schokoladen- und Kakaoprodukten. Produziert wird in 65 Fabriken in über 40 Ländern. Deren Halbfertigprodukte landen in den beliebten Markenartikeln von Nestlé, Mondelez (Milka), Ferrero oder Mars.

»Herz und Motor« (O-Ton Barry Callebaut) der Schokoladenindustrie verfügt infolge seiner globalen Marktmacht vor allem über eine starke Position in den Anbauländern. Gleichzeitig ist das Unternehmen wie alle führenden Markenartikler, namhafte Nichtregierungsorganisationen wie Südwind und WWF oder die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Mitglied im »Forum Nachhaltiger Kakao«. Dessen Anliegen ist es, die Lebensbedingungen im Kakaoanbau zu verbessern. Das gelingt bislang nur »punktuell«, ist selbst von Industrievertretern im Forum zu vernehmen. Zu gewaltig seien die Herausforderungen und zu gering der finanzielle Spielraum.

Steigende Kakaopreise auf dem Weltmarkt, wie sie die Branche auch für 2025 erwartet, werden nicht eins zu eins an die Produzenten durchgereicht. In bescheidenem Umfang dürften die Einkommen an der Westküste Afrikas steigen. Unberührt bleibt davon das strukturelle Problem: Etwa 80 Prozent des Umsatzerlöses aus dem Verkauf einer Tafel Schokolade gehen nämlich an Hersteller und Handel auf der Nordhalbkugel, schätzt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Berlin.

Eine Chance für Anbauländer im globalen Süden bietet die Verlängerung der eigenen Wertschöpfungskette. So produziert der erste afrikanische Schokoladenhersteller Fairafric vom »Baum bis zur Tafel« in Ghana. Exportiert werden die Pralinen, Schoko-Früchte und Tafeln vor allem nach Deutschland und in die Schweiz. Das hat jedoch im Einzelhandel seinen Preis.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.