NRW: Massenproteste gegen Sozialkürzungen zeigen Wirkung

Schwarz-Grün nimmt Kürzungen in Höhe von 43 Millionen Euro zurück

Großprotest in Düsseldorf
Großprotest in Düsseldorf

Kurz vor der Haushaltsverabschiedung im nordrhein-westfälischen Landtag hat die Koalition von CDU und Grünen umstrittene Kürzungen im Sozialen um etwa 43 Millionen Euro zurückgenommen. Geplant waren Kürzungen bis zu 83 Millionen Euro in den diversen sozialen Bereichen, etwa in der Integrationsarbeit, der Familienberatung oder der Altenpflege. Dagegen gab es landesweit heftigen Protest, der am 13. November in einer Massenkundgebung mit knapp 32 000 Menschen auf den Düsseldorfer Rheinwiesen gipfelte. Gewerkschaften, Verbände und Opposition begrüßen die teilweise Rücknahme der Einsparungen, fordern aber weiterhin die komplette Rücknahme aller Kürzungen. Die schwarz-grüne Landesregierung an Rhein-Ruhr will künftig durch Umschichtungen im Haushalt, sogenannten nicht akut benötigten Posten, Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds und Geldern aus dem Maßnahmenpaket nach dem Terroranschlag von Solingen im August nutzen, um die Einsparungen um knapp die Hälfte zu reduzieren.

Obwohl im Rekordhaushalt 2025 mehr als 100 Milliarden Euro – drei Milliarden Euro höher als dieses Jahr – für alle Ausgaben eingestellt sind, sollten gerade Beratungsstellen und Hilfsdienste teilweise mehr als 50 Prozent ihrer Fördergelder verlieren. Dabei will Schwarz-Grün erneut die sogenannte Konjunkturkomponente der Schuldenbremse nutzen, um innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen neue Kredite in Milliardenhöhe aufnehmen zu können.

Gabriele Schmidt, Landesleiterin Verdi NRW, begrüßt das Zurückrudern von CDU und Grünen gegenüber »nd«. »Nach den starken Protesten für den Erhalt unseres Sozialstaates ist das ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Mehr Investitionen müssen jetzt folgen, um den Sozialstaatsabbau zu stoppen.« Teilweise werden Kürzungen bei der Suchtberatung, der Aids-Hilfe oder beim Gewaltschutz von Frauen und Kindern nahezu komplett zurückgenommen. Das Minus bei der Armutsbekämpfung, zunächst mit rund 5,8 Millionen Euro veranschlagt, soll um knapp 1,6 Millionen Euro abgemildert werden. Die rund 9,8 Millionen Euro, die die Familienberatung verlieren sollte, fallen um die Hälfte geringer aus. Die Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer stellte klar: »Wir können nicht alle Kürzungen zurücknehmen.« Es gibt noch ein Aber: In die Gesamtentlastung haben CDU und Grüne auch neue Sozialprogramme eingerechnet, die künftig finanziert werden können.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

»Die Zuweisungen fallen zwar geringer aus als im Vorjahr, aber immerhin konnten an vielen Stellen Sozialkürzungen zurückgenommen oder umgeschichtet werden«, erklärte Hartmut Krabs-Höhler, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW, der Funke Mediengruppe. Profitieren würden dadurch die Bereiche Integration, Flucht, Inklusion, Sucht- und Altenhilfe, Familienberatung oder die Unterstützung von Frauenhäusern. Krabs-Höhler spricht daher nur von einem »Teilerfolg«, weitere Entlastungen müssten folgen.

Die SPD-Opposition kritisierte nach der am Mittwoch stattgefundenen zweiten Lesung des Etatplans für 2025 die Nachbesserungen. »CDU und Grüne wollten die Axt an den Sozialstaat anlegen, jetzt nehmen sie vermeintlich nur noch eine Säge. Zumal die Koalition nach wie vor nicht auf ihren Goldschatz namens Selbstbewirtschaftungsmittel zurückgreift«, erklärt die SPD in einer Mitteilung am Mittwoch. »Wir fordern CDU und Grüne dazu auf, die nach wie vor unerhörten Kürzungen im Sozialbereich komplett zurückzunehmen«, so die SPD. NRW brauche eine Haushaltspolitik, die nach vorne weise und die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen unseres Landes nachhaltig sichere. Seit Wochen warf die SPD Schwarz-Grün vor, milliardenschwere überjährige Haushaltsposten in den Ministerialetats regelrecht zu horten und ohne Not bei den Schwächsten zu kürzen.

Manche Kürzungen bleiben indes vollständig bestehen. Die Kinderwunschförderung bleibt auf der Streichliste; dort sollen 5,3 Millionen Euro eingespart werden. Paare müssen nun aus eigener Kasse deutlich mehr Geld für die medizinische Kinderwunschbehandlung zahlen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -