Gewerkschaften mit Brandenburger Koalitionsvertrag zufrieden

Bezirksvorsitzende Katja Karger findet dennoch das eine oder andere Haar in der Suppe

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
DGB-Bezirkschefin Katja Karger, hier zu sehen bei der Linken, warb am Freitagabend bei der SPD für die Annahme des Koalitionsvertrags.
DGB-Bezirkschefin Katja Karger, hier zu sehen bei der Linken, warb am Freitagabend bei der SPD für die Annahme des Koalitionsvertrags.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zeigt sich angetan von dem zwischen SPD und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in Brandenburg ausgehandelten Koalitionsvertrag.

»Wir sind mit dem ersten Durchgang ganz zufrieden«, sagte die DGB-Landesbezirksvorsitzende Katja Karger am Montag in Potsdam. »Gott sei Dank« koaliere das BSW mit der SPD. Nun müsse man schauen, inwieweit sich die guten Pläne in die Praxis überführen lassen. »Wir werden sehr genau hingucken«, versprach Karger.

Die Bezirksvorsitzende lobte die Selbstverpflichtung der beiden Parteien, die Vergabe öffentlicher Aufträge an die Tariftreue zu binden. Es dürfe »kein Steuergeld für Tarifflucht« ausgegeben werden, betonte sie. Ein solches Bekenntnis finde sich mitnichten in jedem Koalitionsvertrag. Damit würden SPD und BSW »einen Schritt weiter gehen als ihre Vorgänger«. Das waren SPD, CDU und Grüne, die eine Tariftreueregelung lediglich prüfen wollten – und dann war nichts daraus geworden.

Skepsis löse aus, dass viele gut klingende Vorhaben im Koalitionsvertrag »vage bleiben« und unter den Finanzierungsvorbehalt gestellt werden, bedauerte Karger. Was dies bedeute, zeige sich gegenwärtig in Berlin. Als Kompromiss lässt die Gewerkschafterin gelten, dass auch Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, einen öffentlichen Auftrag erhalten können, wenn sie zumindest für die Erledigung dieses Auftrags ihren Beschäftigten den Tariflohn zahlen.

Die Verpflichtung, den bei öffentlichen Aufträgen geforderten Mindestlohn auf 15 Euro pro Stunde zu erhöhen, stößt ebenfalls auf die Zustimmung des DGB. Dies sei »überfällig seit anderthalb Jahren«. Karger sieht darin »einen guten Schritt, um Lohndumping im Brandenburg zu vermeiden«. Was ihr allerdings fehlt, ist eine kritische Position zu der Tatsache, dass Firmen, die nicht tarifgebunden sind, Mitglieder in Unternehmerverbänden sein können. »Da hatten wir höhere Erwartungen.«

Karger berichtete von Unternehmen, die sich schon gar nicht mehr um öffentliche Aufträge bemühen, weil sie Tariflöhne zahlen und »also nicht die billigsten Angebote machen können«. Die billigsten Anbieter würden nun einmal ausgewählt. Hier appellierte sie an das Verantwortungsgefühl der Auftragsgeber.

Karger forderte eine Trendumkehr bei der Privatisierung bestimmter Bereiche. Denn die Privatisierung gehe zu Lasten der Löhne der dort Beschäftigten. Tariferhöhungen müssten wenigstens auch den Beschäftigten dort in vollem Umfang zugutekommen.

Mit Blick auf mangelnde Kenntnisse von Jugendlichen von der betrieblichen und wirtschaftlichen Wirklichkeit fordert der DGB, in die Lehrpläne die Vermittlung von einschlägigen Kenntnissen aufzunehmen. Dabei nannte Karger die sogenannte Sozialpartnerschaft, die Rolle von Betriebsräten, von Tarifverträgen und Ähnlichem. Ihren Worten zufolge haben die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes wie die Gewerkschaft der Polizei, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Verdi eine positive Mitgliederentwicklung, was der Hauptgrund dafür sei, dass der DGB-Bezirk Berlin-Brandenburg im vergangenen Jahr rund 20 000 Mitglieder hinzugewonnen habe. Bei anderen Einzelgewerkschaften sehe es nicht so gut aus. Mittels gewiefter Anwälte wolle eine wachsende Zahl von Unternehmern verhindern, dass bei ihnen Betriebsräte gewählt werden beziehungsweise in der vorgesehenen Weise aktiv werden können.

Den Vorwurf, Gewerkschaften würden heutzutage eher den ohnehin schon ganz gut Verdienenden nützen und mit ihren Tarifabschlüssen zu größeren sozialen Abständen und zur Spaltung der Gesellschaft beitragen, wies die DGB-Bezirksvorsitzende zurück. »Wir sind nicht Teil der Spaltungstendenzen«, unterstrich sie. Zur Spaltung komme es, wo Vermögende nichts von ihrem Reichtum abgeben wollen. Gewerkschaften leisteten ihren Beitrag zu mehr »Verteilungsgerechtigkeit«, indem sie auf eine »einigermaßen gerechte« Umverteilung des Reichtums bestehen.

Die Darstellung, dass Deutschland das Land der ständig steigenden Gehälter und der ständig sinkenden Leistungen sei, bestritt Karger ebenfalls entschieden. Deutliche Gehaltserhöhungen müssten sein, weil Kosten und Inflation »exorbitant angestiegen« seien. Nur auf diesem Wege könne das Lebensniveau »einigermaßen stabilisiert« werden. Wenn die Leistung sinke, dann vor allem deshalb, weil Fachkräfte fehlen und Stellen nicht besetzt werden können. Laut DGB sind allein in Brandenburg 2185 Ausbildungsplätze unbesetzt. Dem stehen 1375 noch unversorgte Schulabgänger gegenüber.

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