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Wiener Frauenzentrum kämpft um feministische Autonomie
Gekommen, um zu bleiben: Das traditionsreiche FZ in Wien bleibt Freiraum und Anlaufstelle gegen Patriarchat und Kapital
Noch fehlt sie – die elektrische Klingel am Seiteneingang des Wiener Kommunikationszentrums für Frauen, Lesben, Migrantinnen und Mädchen, kurz: FZ. Der autonome Frauenort im Wiener Alsergrund befindet sich im rechten Flügel des Kulturzentrums WUK und ist getrennt davon begehbar. Demnach gelten auf Stiege 6 auch andere Gesetze – die dahinter liegenden Räumlichkeiten stehen nicht für alle offen. Wer die Türglocke in der Prechtlgasse bedient, weiß im Vorhinein, was sie erwartet: Ein feministisches Selbstverständnis, verbunden mit dem Bewusstsein, sich mit anderen Frauen solidarisch zu zeigen, ist gleichermaßen Voraussetzung für den Eintritt. Erst dann öffnet sich die Tür zu einer gemütlichen Bar mit Holztresen und Infotisch, dahinter ein Raum mit Tanzfläche – bespielt an sämtlichen Jahrestagen, die im feministischen Kalendarium hervorgehoben sind.
Vor dem Hintergrund der Geschichte des FZ ergibt eine Einlasspolitik dieser Art durchaus Sinn. Eingezogen ist der »Verein Kommunikationszentrum für Frauen, Lesben, Migrantinnen und Mädchen« vor Ort im Juni 1981, gegründet wurde er 1978 als unabhängige, feministische Initiative in Wien. Das Gebäude, in dem die FZ-Frauen einen Raum für sich reklamierten, gehörte einst dem Bund und hätte abgerissen werden sollen; er existiert bis heute, weil die ehemaligen Besetzerinnen sich über 40 Jahre hinweg in Eigeninitiative um die Instandsetzung und Erhaltung kümmerten – von der Elektrik bis hin zu Fenstern und Fußböden.
Im Herbst 1981 hatten mit ihnen die Mitglieder vom »Verein zur Schaffung offener Kultur- und Werkstättenhäuser« die Räumlichkeiten des zum Abriss bestimmten Technologischen Gewerbemuseums (TGM) in der ehemaligen Lokomotivfabrik in der Wiener Währinger Straße 59 besetzt – und die FZ-Frauen erhielten ohne lang andauerndes Prozedere schon nach wenigen Tagen den Gebäudeschlüssel.
Der tägliche Strom an Nachrichten über Krieg, Armut und Klimakrise bildet selten ab, dass es bereits Lösungsansätze und -ideen, Alternativprojekte und Best-Practice-Beispiele gibt. Wir wollen das ändern. In unserer konstruktiven Rubrik »Es geht auch anders« blicken wir auf Alternativen zum Bestehenden. Denn manche davon gibt es schon, in Dörfern, Hinterhöfen oder anderen Ländern, andere stehen bislang erst auf dem Papier. Aber sie zeigen, dass es auch anders geht.
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Zu den ehemaligen Besetzer*innen des WUK zählten Sozialarbeiter*innen, Künstler*innen, Studierende und Pensionist*innen, die den 1855 errichteten Gebäudekomplex aus rotem Backstein zu einem der größten autonom verwalteten Kultur- und Bildungszentren Europas machen sollten. Die FZ-Frauen renovierten ihre Räumlichkeiten in Eigenregie und boten unterschiedlichen Frauengruppen ein Zuhause – das Aktionskomitee des Frauenstreiks zählte ebenso dazu wie die Feministinnen von »AUF – Eine Frauenzeitschrift«, die eines der ersten feministischen Magazine in Österreich herausgaben. Vor Ort trafen sich auch die Mitglieder einer Wen-Do-Gruppe, die sich in Selbstverteidigung übten. Das Offensivwerden gegen körperliche und verbale Übergriffe will nicht nur gelernt sein, sondern auch trainiert: In einem Land mit besorgniserregend hoher Femizidrate passiert geschlechtsspezifische Gewalt vor allem in nächster Nähe, im nur vermeintlich Privaten und am Arbeitsplatz.
Die Partnerinnengewalt in lesbischen Beziehungen ist davon nicht ausgenommen – ein Thema, dem die FZ-Frauen mit Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen ebenso Raum gegeben haben wie feministischen DJanes – vorausgesetzt, dass die Frauenquote stimmt. Nach einer Frauen-Lesben-Mädchen-Demo am Internationalen Frauenkampftag am 8. März habe ich mir einmal ein Lied von Massive Attack gewünscht, und die Auswahl der DJane fiel nicht zufällig auf den von Shara Nelson gesungenen TripHop-Klassiker »Unfinished Sympathy« – auch an den Turntables ist Feminismus mehr als ein Hintergrundgeräusch.
Seither ist viel passiert – und das FZ-Kollektiv kämpft bis zuletzt um seine Autonomie. Als Feministinnen lassen sich seine Mitglieder nicht verdrängen – auch nicht durch Aufwertungsmaßnahmen im Stadtteil. Im April 2020 hat die Stadt Wien mit dem Verein WUK einen Vertrag abgeschlossen, der nicht aus freien Stücken zustande kam. Aufgrund der Brandschutzbestimmungen und mangelnder Auflagen zur Barrierefreiheit wurde die Generalsanierung des gesamten Areals nötig, mit Kosten von rund 22,38 Millionen Euro, die das WUK allein nicht hätte aufbringen können. Die Stadt Wien erklärte sich zur Übernahme bereit – und setzte dafür einen gültigen Mietvertrag mit dem WUK voraus. Von Kathrin Gaál, Stadträtin für Frauen und Wohnbau, wurde das FZ-Kollektiv mehrmals dazu aufgefordert, sich dem WUK zu unterstellen und damit zur Mitträgerin veränderter Verhältnissen zu werden. Die FZ-Frauen wiesen stattdessen auf die Existenz eines konkludenten Mietvertrags hin – und ebenso darauf, fällige Kosten in Form von Arbeitsstunden für die Reparatur und Instandhaltung ihrer Räume zu erbringen.
Ein weiterer Versuch, mit der SPÖ-Stadträtin direkt in Kontakt zu treten, endete im Juni 2020 hinter verschlossener Tür – und mit der Räumung von rund 15 Frauen durch Rathauswache und Polizei. Von den ehemals »frauensolidarischen Grüßen« seitens der Stadtregierung blieb bis zuletzt wenig übrig. Anders als angekündigt, erhielt das FZ seine Räumlichkeiten im Erdgeschoss der Wiener Währinger Straße 59 nach den ersten Sanierungsmaßnahmen nicht zurück und brachte deshalb im Mai 2023 eine Klage wegen Besitzstörung gegen die Stadt Wien und den Verein WUK ein. Nach einer Revision des vorerst negativen Urteils entschied das Landesgericht Wien zugunsten des FZ: Eine Besitzstörung durch die Stadt und den Verein WUK wurde bestätigt. Letzterer blieb seither dazu aufgefordert, den ursprünglichen Zustand der FZ-Räumlichkeiten wiederherzustellen; doch was folgte, war eine gegen das FZ gerichtete Räumungsklage.
Wo Patriarchat und Kapital breite Allianzen bilden, warten autonome Feministinnen nicht. Das FZ-Baustellenfest am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen, stellt einen weiteren Etappensieg im Kampf gegen die eigene Verdrängung dar. »Amazonen, kummt’s zam. FZ bleibt« steht auf einem Transparent am hofseitigen Stiegenaufgang, die violette Doppelaxt neben dem Schriftzug ist unübersehbar. Strom, Wasser und Heizung fehlen noch, für das Zubehör der feministischen DJanes, die bis kurz vor Mitternacht auflegten, ließ sich dennoch ein Steckplatz organisieren. Vom ersten Stock aus grüßen die Pionierinnen des Frauentischlerinnenprojekts von 1985 – als Fotomontage aus schwarz-weißen Vorzeiten. In leicht abgewandelter Form hat der Refrain von Claire Waldoffs Chanson hier bis heute seine Gültigkeit: »Raus mit’n Männern aus’m Frauenhaus«, heißt es darin.
Bezüglich seiner Einladungspolitik ist das »Frauenhaus« auf Stiege 6 ganz bewusst nicht trans*-inklusiv gehalten. Mit TERFismus, – einer Ideologie, der in der Diktion Alice Schwarzers ein falsches Verständnis von Transfau-Sein zugrunde liegt, – hat dies nur wenig zu tun, eher schon mit der autonomen Geschichte eines Raumes: Seit seiner Gründung will das FZ auch Schutz vor patriarchaler Gewalt bieten und ist deshalb ausschließlich für Frauen, Lesben, Mädchen und Migrantinnen zugänglich. Seine Akteurinnen lehnen alle Formen von geschlechtlicher Arbeitsteilung ab und wehren sich bis heute gegen den damit verbundenen Geschlechterzwang – zum Schreiben, Singen, Plattenauflegen, Spachteln und Malern braucht frau schließlich keine Männer. Die elektrische Klingel am Seiteneingang der Wiener Prechtlgasse wird dies auch in Zukunft sicherstellen.
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