Manna

Eine wichtige Weihnachtsfrage: Was kommt aus dem Himmel?

Lasst es Manna regnen, bitte jetzt! Diese Installation von Katja Silvana Daniel in einer Kirche in Schneeberg, Erzgebirge, hieß »Himmlisches Manna« – ist aber schon über 20 Jahre her, seufz.
Lasst es Manna regnen, bitte jetzt! Diese Installation von Katja Silvana Daniel in einer Kirche in Schneeberg, Erzgebirge, hieß »Himmlisches Manna« – ist aber schon über 20 Jahre her, seufz.

Wisst ihr, was auch ein Wunder ist? Ein Wunder ist, wenn der Allmächtige etwas oder jemanden vom Himmel zur Erde schickt. Wenn der Allmächtige jemanden von der Erde zum Himmel schickt, ist das in der Regel kein Wunder. Aber andererseits: Wann wäre ein Wunder schon die Regel?

Jedenfalls: In der Tat schickt Gott ja hin und wieder jemanden oder irgendwas auf die Erde oder lässt hin und wieder sogar was vom Himmel regnen. Aber leider kein Hirn. Auch wenn die Wolken manchmal wie Gehirne aussehen und auch wenn manche wiederum statt Gehirnen Wolken haben. Aber Gott lässt erstens keine Wolken vom Himmel regnen, sondern nur aus Wolken. Zweitens lässt er eben kein Hirn vom Himmel regnen, und selbst wenn er dies täte, wüssten diejenigen, die es am meisten bräuchten, am wenigsten, was sie mit dem Hirn anfangen sollten, das auf sie herabregnet.

Gott lässt also kein Hirn vom Himmel regnen, und auch kein Geld. Aber nicht nur kein Geld, sondern auch keine Kohle, keine Knete, keinen Kies, kein Moos, keinen Schotter, keinen Zaster, keine Ocken, keine Penunzen, keine Münzen und noch nicht einmal Mammon.

Ezzes von Estis

Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.

Mammon klingt fast wie Manna, und daher denkt man eigentlich, Gott könnte gelegentlich etwas Mammon vom Himmel regnen lassen. Aber andererseits: Warum sollte er – er lässt ja auch keine Manna vom Himmel regnen. Sobald sie aber doch einmal vom Himmel herabregnen sollte, dann würde sie gewiss besser schmecken als Mammon, weil Mammon nur schmeckt, wenn man sich etwas davon kauft, aber Manna ist nicht zu kaufen. Denn die Manna des Himmels ist ein Wunder. Nur Gott kann Manna machen. Oder die jiddische Mame, die kann manchmal auch Manna machen, im Topf. Und diese Manna schmeckt sogar noch besser als die Manna des Himmels, und zwar aus einem Grund, und dieser Grund ist: Die Manna aus dem Topf gibt es, und die Manna aus dem Himmel nicht.

Dafür kommt aus dem Himmel etwas anderes. Hin und wieder lässt Gott Schnee vom Himmel sinken. Und der Schnee, der ist schon wie die Manna des Himmels, nur kann man ihn nicht essen. Man kann schon, aber es bringt nichts. Und auch sonst kann man mit dem Schnee nicht viel anfangen. Aber er ist schön. Er macht alles schön, weil er alles zudeckt, was hässlich ist. Und das ist schon mehr, als man vom Schnee verlangen kann. Der Regen zum Beispiel, der deckt gar nichts zu. Der Regen schwemmt bloß Müll an und macht schmutzigen Matsch. Aber der Schnee deckt das alles zu und knistert auch noch dabei. Bis er schmilzt; dann gibt es auch schmutzigen Matsch. Aber das ist dann eben auch kein Schnee mehr.

Dass der Schnee alles zudeckt, was hässlich ist, kann man als das erste Wunder des Schnees ansehen. Was wäre dann das zweite Wunder des Schnees? Das zweite Wunder des Schnees ist: Der Schnee schneit nicht für Antisemiten. Aber er macht es so geschickt, dass sie es nicht einmal merken, wie er nicht für sie schneit. Das muss erst mal einer schaffen – und der Schnee, der schafft es!

Haben also die Juden den Schnee erfunden? Möglich ist es, die Juden haben schließlich schon die Manna erfunden – nur dass es die Manna nicht gibt. Sicher ist: Die Juden haben White Christmas erfunden, und das, obwohl sie nicht einmal Weihnachten feiern. Es wäre für uns ja auch ungebührend, ja sogar vermessen, die Geburt irgendeines jüdischen Jüngelchens so zu feiern. Nein, das überlassen wir schön den anderen, das sollen sie bitte selbst übernehmen, damit wir es ihnen immer wieder unter die Nase reiben können.

Und damit sind wir schon beim dritten Wunder, denn es müssen immer drei Wunder sein, deshalb wäre es geradezu ein Wunder, wenn es bei zwei Wundern bliebe. Das dritte Wunder aber ist: Hin und wieder lässt Gott noch etwas anderes vom Himmel herunterregnen, nämlich einen Moschiach. Meistens allerdings einen falschen.

Alexander Estis liest am 15.12., 18 Uhr im Theater Ost, Berlin (mit Evgeniya Kleyn am Klavier), am 17.12., 19 Uhr im Theater der Jungen Welt, Leipzig (Soli-Lesung mit Mara Genschel und Michael Ebmeyer) und am 9.1., 19.30 Uhr im Theater im Palais, Berlin (Tucholsky-Texte).

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