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Hegels Haargel

Was sie noch nicht über Hegels Haare wussten, sich bisher aber nicht zu fragen wagten

Auch wenn Haargel noch gar nicht erfunden war, Hegel hätte es geliebt.
Auch wenn Haargel noch gar nicht erfunden war, Hegel hätte es geliebt.

Alle wissen, dass dem Talmud etwas Dialektisches eignet. Nur Hegel wusste das nicht. Oder er wusste es, wollte es aber nicht wahrhaben. Oder er wollte es wahrhaben, konnte es aber nicht. Zum Beispiel weil er es nicht wusste.

Andererseits müssen wir das gar nicht wissen – und erst recht nicht müssen wir es wahrhaben, genauso wenig wie das Folgende, das zwar, dem Namen gemäß, hierauf folgt, jedoch nicht hieraus.

Und diese Dialektik hätte Hegel gewiss gewürdigt, wenn es denn eine wäre und nicht einfach ein Wortspiel. Andererseits eignet auch dem Wortspiel etwas Dialektisches, weil es einerseits das eine bedeutet, andererseits das andere, und weil es einerseits ein Wort ist, andererseits ein Spiel.

Aber Wortwitz hat den Hegel nicht sonderlich interessiert, sondern mehr der Vorwitz.

Außerdem war Hegel auch einigermaßen eitel. So wollte Hegel etwa, dass sein Haar ideal sei. Er wollte phänomenalen Eindruck machen, einen Chorus der Bewunderung schaffen.

Ezzes von Estis

Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.

In seiner Berner Zeit, auf Tschugg, muss Hegel damit begonnen haben. Mit grandiosen Gedankengebäuden wollte es ihm, dem Idioten der Philosophie, nicht recht glücken; auch die Finanzen gingen miserabel, und mit den Bergen wusste er nichts anzufangen. Mag Hegel auch despektierlich über die gepuderten Taubenflügel der Kollegen gesprochen haben, so keimte in ihm dennoch ein gewisser Materialismus: Mit dem sorgfältig vernachlässigten Äußeren wollte er als gegensätzliche Voraussetzung die erhabene Tiefe seines Innenlebens erahnen lassen.

Aber wie sollte Hegel sein Haar hegen? Wachs war zu schwach, Pomade war teuer und dem Hegel daher zu pompös, Fichtenharz dagegen, das es für wenige Schilling das Fläschchen zu kaufen gab, war schlicht ungeeignet.

Hegels Haar aber wollte nun einmal gepflegt sein; also blieb nur das Gel. Andererseits war Haargel damals noch gar nicht erfunden, und das wusste Hegel auch. Genauso wusste er allerdings, dass die Erreichung des Ziels ohne die Mittel unmöglich ist. Gel also war in dieser Lage das einzig vernünftige Mittel, und das Vernünftige, so räsonierte er weiter, muss doch wohl wirklich sein. Hegel nämlich glaubte an die Macht des Geistes – er selbst hatte ja zweifellos einen mächtigen Geist. Und einen Willen erst, einen Mordswillen! – Und eine enorme Vorstellungskraft dazu. Fantasiereich war er, zugleich jedoch aufs Beste unterrichtet in der Differenzial-Rechnung, der Physik, der Naturgeschichte, der Chemie.

Auf diese Prädestination seine Bemühungen gründend, synthetisierte Hegel eine Essenz, die jedermann sich hervorragend ins Haar schmieren konnte; nur leider verbreitete sie einen pestilenzialischen Gestank, sodass die Zeitgenossen – denen es in ihrer Geistlosigkeit allein um die physische Wirkung, nicht um das Gel an und für sich zu tun war – sein Gel ein Vomitiv und ihn selbst einen Kopfverderber schimpften. »Das hätten wir vom alten Hegel nimmer gedacht«, riefen sie aus, obwohl der Hegel noch gar nicht alt war. Er aber erwiderte: »Das Haargel durchdringt die Frisur; es ist der Geist des Haars. Man muss das Haargel wie ein Irdisch-Göttliches verehren.«

Auf diese Weise hätte sich Hegel beinah dem Talmud angenähert – wenn er nicht durch seine Eitelkeit davon abgehalten worden wäre, obwohl er andererseits vielleicht gar nicht wusste, wie sehr er sich dem Talmud beinah angenähert hätte.

So oder so, es kommt am Ende doch nicht auf das Gleiche hinaus.

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