Michail Kawelaschwili: Ein Ex-Fußballer als Präsident

Georgiens Regierung macht Michail Kawelaschwili zum Präsidenten und bringt die Straße erneut gegen sich auf

Seit über zwei Wochen protestieren Georgier gegen ihre Regierung. Heimliche Stars der Proteste sind die vielen Straßenhunde in Tbilisi.
Seit über zwei Wochen protestieren Georgier gegen ihre Regierung. Heimliche Stars der Proteste sind die vielen Straßenhunde in Tbilisi.

Georgiens Straße gibt keine Ruhe. Auch über zwei Wochen nach der Parlamentswahl halten die größten Proteste seit der Unabhängigkeit des südkaukasischen Landes an. Auch, weil die Regierungspartei Georgischer Traum um Premierminister Irakli Kobachidse immer neue Anlässe schafft.

Ging es zunächst um die teilweise Manipulation der Parlamentswahl, die dem Georgischen Traum zur absoluten Mehrheit verhalfen, brachte die Regierung mit dem Aussetzen der Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union viele Menschen gegen sich auf. Dass Brüssel seinerseits schon vorher die Verhandlungen eingestellt hatte und Kobachidse immer wieder betonte, am europäischen Weg festhalten zu wollen, wenn der Krieg in der Ukraine vorbei ist, brachte wenig.

Schlägertruppen auf beiden Seiten

Nächtelang lieferten sich Demonstranten und Sicherheitskräfte Straßenschlachten, die etwa von Ultras des Fußballklubs Dinamo Tbilisi auf Demonstrantenseite und inoffiziellen Schlägertrupps, den »Tituschki«, auf Regierungsseite vorangetrieben wurden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht in einem Bericht von einer nie dagewesenen Brutalität »in Umfang und in Absicht« seitens der Sicherheitskräfte.

Selbst georgische Experten rätseln, warum der Georgische Traum mit dem Aussetzen der EU-Gespräche direkt nach der Wahl die Situation derart eskalieren ließ. Anscheinend seien Proteste das letzte, wovor die Regierungspartei Angst hatte, mutmaßt die Südkaukasusexpertin Olesja Wartanjan. Woher Kobachidse und Co. die Sicherheit nehmen, kann auch sie nicht erklären. Ganz ohne Spuren scheinen die Proteste nicht an der Regierung vorbeigegangen zu sein. In den vergangenen Tagen erließ sie mehrere Gesetze, unter anderem ein Vermummungsverbot sowie das Verbot von Pyrotechnik auf Demonstrationen, und erhöhte die Strafen.

Ex-Fußballer wird Präsident

Trotz der Maßnahmen versammelten sich am Sonnabend erneut Tausende Menschen, um gegen die vorgezogene Präsidentschaftswahl zu demonstrieren. Etwas überraschend hatte der Georgische Traum den Ex-Fußballer Michail Kawelaschwili zum Kandidaten ernannt, die Opposition stellte keinen Gegenkandidaten auf.

Kawelaschwilis Wahl ist der endgültige Bruch zwischen dem Georgischen Traum und der Noch-Präsidentin Salome Surabischwili, die 2018 selbst von der Regierungspartei unterstützt wurde.

Kawelaschwilis bisherige Karriere ist recht übersichtlich. Als Fußballer eher Durchschnitt scheiterte der 53-Jährige später bei der Wahl zum Präsidenten des georgischen Fußballverbandes und wechselte daraufhin in die Politik. Als Abgeordneter des Georgischen Traums zog er ins Parlament ein und schloss sich im Sommer der Partei Starkes Georgien an, die sich als Abspaltung des Georgischen Traums vor allem mit antiwestlichen und homophoben Äußerungen hervortat. Starkes Georgien war auch die Initiatorin des »Gesetzes über ausländische Einflussnahme« im vergangenen Jahr. Einer der stärksten Verfechter damals: Kawelaschwili.

Noch-Präsidentin will nicht abtreten

Direkt nach der Wahl beglückwünschte Premier Kobachidse seinen Kandidaten: »Mehr als 20 Jahre hatte Georgien keinen patriotischen sowie moralisch und psychologisch ausgeglichen Menschen als Präsidenten.« Die Wahl Kawelaschwilis werde zu einem Wendepunkt für das Land, so Kobachidse.

Kawelaschwilis Wahl ist der endgültige Bruch zwischen dem Georgischen Traum und der Noch-Präsidentin Salome Surabischwili, die 2018 noch von der Regierungspartei bei ihrer Wahl unterstützt wurde. Vor dem Parlament bezeichnete Surabischwili die neue Wahl als »Parodie«. »Niemand hat irgendwen gewählt. Es ist nichts passiert«, sagte sie den Demonstranten per Megafon und bezeichnete sich als legitimes Staatsoberhaupt des Landes. Auf X beschuldigte sie Russland, die Wahlen in Georgien manipuliert zu haben.

Baltische Staaten erlassen Sanktionen

Viele Oppositionelle sehen Georgien am Scheideweg zwischen einem russischen und einem europäischen Weg. Vor der Parlamentswahl warnte Brüssel die Regierung in Tbilisi und forderte eine Änderung des politischen Kurses, anderenfalls könne Georgien kein EU-Mitglied werden.

Angesichts der Proteste will sich das Auswärtige Amt am Montag beim Treffen der EU-Außenminister verstärkt für EU-Sanktionen gegen die georgische Regierung einsetzen, meldete der »Spiegel« am Freitag. Bereits am Wochenende erließen die baltischen Staaten Estland und Litauen Sanktionen gegen die georgische Führungsebene. Dabei geht es um Einreiseverbote und Visaauflagen. Auch die USA sollen Sanktionen planen.

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Die scheint die Regierung offiziell jedoch nicht zu fürchten. »Die Sanktionen sind überhaupt kein Problem. Alles ist temporär, alles verändert sich. Die Welt, Europa werden andere sein«, sagte der Tbiliser Bürgermeister Kacha Kaladse und teilte gegen die noch in den USA regierenden Demokraten aus. Die hätten Ex-Präsident Micheil Saakaschwili unterstützt, dem die aktuelle Regierung schwere Menschenrechtsverstöße vorwirft und der im Gefängnis sitzt. Stattdessen hofft man in Tbilisi auf den neuen US-Präsidenten Trump und eine andere US-Politik.

Lage weiter angespannt

Die Lage in Tbilisi bleibt weiter angespannt. Angesichts der während des Wahlvorgangs schwach besuchten Proteste sprach der Ministerpräsident von einer Niederlage der Opposition. »Die radikale Opposition hat zuerst die Wahlen und danach die Straße verloren«, schrieb der Regierungschef in sozialen Medien. »Das ist ihre reale Lage, was sehr gut für unser Land ist. In Georgien ist der ›Maidan‹ gescheitert und wird niemals gelingen«, behauptete Kobachidse.

Am Sonntag zogen jedoch erneut mehrere Gruppen von Demonstranten durch Georgiens Hauptstadt. Der Protest hat sein Gesicht verändert, von Gewalt zu Kreativität. Mehrfach drohten Regierungsmitglieder den Demonstranten in den vergangenen Tagen mit Gewalt, sollten es erneut zu Ausschreitungen kommen. Daran hätten aber weder Regierung noch Demonstranten Interesse, glaubt Südkaukasusexpertin Wartanjan.

Angesichts winterlicher Temperaturen in Tbilisi wird sich zeigen, ob die Straße genug Ausdauer hat oder ob der Georgische Traum die Proteste aussitzen kann.

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