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Karlsruhe verhandelt zu US-Basis Ramstein
Angehörige von Drohnenopfern im Jemen fordern seit 2014 Gerechtigkeit
Seit zehn Jahren fordern Angehörige von Opfern im Jemen Deutschland auf, Verantwortung für völkerrechtswidrige Drohneneinsätze der USA zu übernehmen. Im Zentrum steht die Luftwaffenbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz, die für die Durchführung gezielter Tötungen aus der Luft von zentraler Bedeutung ist. Zuerst hatten drei Jemeniten 2014 in der Sache vor dem Verwaltungsgericht Köln gegen die Bundesregierung geklagt. Am Dienstag – zehn Jahre später – verhandelte nun das Bundesverfassungsgericht dazu.
Die Verfassungsbeschwerde wurde von zwei der jemenitischen Staatsangehörigen eingereicht, die 2012 in der Nähe ihres Heimatdorfs zwei Verwandte bei einem US-Drohnenangriff verloren hatten. Bei den Opfern soll es sich um einen Polizisten und einen Geistlichen gehandelt haben. Dieser habe sich gegen die als Terrororganisation eingestufte Al-Qaida ausgesprochen, betonen die Beschwerdeführer.
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Die Militärbasis in Rheinland-Pfalz diente damals – und womöglich tut sie dies weiterhin – als Relais-Station für die Steuerung der Drohnen. Die US-Luftwaffe nutzte dazu das Konzept »Remote Split Operations«, bei dem Kommunikationssignale von Kontrollstationen in den USA über ein Glasfaserkabel nach Ramstein und von dort via Satellit in die Einsatzgebiete geleitet werden.
Ohne diese Infrastruktur wäre das US-Drohnenprogramm kaum durchführbar, erklärt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Kläger unterstützt. Das hatten Whistleblower auch in den Zehnerjahren bekräftigt. Unter ihnen war der Ex-Drohnenpilot Brandon Bryant, der im Bundestag aussagte, dass er während seiner Einsätze ständig über ein Glasfaserkabel mit Ramstein verbunden gewesen sei und sogar über das Wetter dort Bescheid gewusst habe.
Zentrale Erkenntnisse über die Rolle Ramsteins hatten in Deutschland John Goetz und Christian Fuchs in dem Buch »Geheimer Krieg« zusammengetragen. Demnach ermöglicht es diese aufgeteilte Satellitensteuerung, Drohnen in Afghanistan, Pakistan, Somalia, im Irak und Jemen zu steuern. Zuständig für Jemen ist das US-Africa Command (Africom) in Stuttgart, das eine maßgebliche Rolle bei der Zielauswahl, Planung und Durchführung der Einsätze spielte.
Trotz wiederholter Anfragen im Bundestag und Berichten in den Medien bestreitet die Bundesregierung bis heute, Kenntnis über die Beteiligung deutscher Einrichtungen an Drohnenoperationen zu haben. Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama habe versichert, dass alle Handlungen nach den Regeln des geltenden Rechts erfolgen, hieß es ausweichend.
Die Anlagen in Ramstein oder Stuttgart wollte keine der letzten drei in Berlin regierenden Koalitionen inspizieren. 2019 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster allerdings genau dies gefordert. Die Richter*innen sahen es als notwendig an, aktiv zu ermitteln, ob die Nutzung der Basis in Ramstein für Drohneneinsätze durch die USA völkerrechtswidrig sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hob diese Entscheidung 2020 wieder auf. Deshalb steht nun das Bundesverfassungsgericht vor der Frage, inwieweit Deutschland eine extraterritoriale Schutzpflicht für ausländische Staatsangehörige im Jemen hat, wenn diese durch US-Drohneneinsätze gefährdet sind.
Die Beschwerdeführer berufen sich auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Für sie bleibt der Drohneneinsatz auch ein persönliches Trauma. Seit dem Angriff auf ihre Verwandten gebe es weiterhin regelmäßig Drohnenüberflüge und auch Angriffe in der Region, erklärte ECCHR-Anwalt Schüller. Die permanente Bedrohung stelle eine unzumutbare psychische Belastung dar und verstoße gegen grundlegende Menschenrechte.
Der Ausgang des Verfahrens könnte weitreichende Folgen haben, sowohl für die juristische Verantwortung Deutschlands als auch für die internationale Nutzung militärischer Stützpunkte. Das Urteil wird allerdings erst in einigen Monaten erwartet. Mit Agenturen
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