Den Springer-Konzern zerschlagen statt moralisieren

Der Springer-Konzern forciert erst das Aus der Regierung und macht dann Wahlwerbung für die AfD

Mathias Döpfner ist als Vorstandsvorsitzender des Springer-Medienkonzerns äußerst einflussreich.
Mathias Döpfner ist als Vorstandsvorsitzender des Springer-Medienkonzerns äußerst einflussreich.

Ein Milliardär besitzt eine Zeitung. Um die ungeliebte Regierung zu stürzen, fordert er die Redaktion auf, einen Koalitionspartner so zu fördern, auf dass dieser die Regierung von innen heraus sprengt. So kommt es auch – nur die Hemdsärmeligkeit der Parteiführung macht daraus einen mittleren PR-Flop.

Im folgenden Wahlkampf hievt der Milliardär dann einen anderen Milliardär ins Blatt – einen, der mit seinem sozialen Netzwerk zum weltweit größten Multiplikator für Desinformation, Verschwörungstheorien und Antisemitismus geworden ist. Dieser empfiehlt nun die Wahl einer rechtsextremen, im Wesentlichen antidemokratischen Partei. Ein Medienmogul, der faktisch mit einem Putsch durchkommt: Würden wir das über einen »failed state« lesen, würden alle nur mit dem Kopf schütteln – aber passiert es in Deutschland, und heißt der Milliardär Döpfner, wird daraus ein: »Das ist halt Springer.« Dabei könnte man hier genauso gut mal Adenauer zitieren: ein Abgrund an Landesverrat.

Leo Fischer
Leo FischerFoto ist privat, kein Honorar

Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft

Doch gehört es zur deutschen Respektabilitätspolitik, solche Sachen nicht beim Namen zu nennen. In den Reaktionen führender Politiker*innen und Medien wird die Affäre Döpfner routiniert durchmoralisiert: Macht man nicht, pfui, schlechtes Benehmen! Durch diese Moralisierung entledigt man sich des Themas, ohne politische Konsequenzen zu fordern – und hüllt sich dabei in die Illusion: Wir bestimmen immer noch, was gut und schlecht ist!

Dabei müsste man längst fragen, welche Funktion ein Medienhaus ausübt, dessen Leitartikler*innen seit Monaten einen »echten Politikwechsel« fordern – gemeint ist stets eine CDU-AfD-Koalition – und als einziges Problem der stramm rechtsextremen AfD die Personalie Höcke benennen. Längst scheint es, dass die Trennung vom übergriffigen »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt und dessen Überlaufen zum Müllportal »Nius«, eine weitere Milliardärsgründung, nur eine Art Arbeitsteilung ergeben hat: Reichelt bedient die radikalisierte Masse, die »Welt« holt sich die restbürgerlichen Vermieter und Beamten. In der Sache ist man sich einig, und längst geben nicht mehr Redaktionen, sondern rechtsextreme Milliardäre den Ton an. Kein Zufall, dass Döpfners Sohn seit Jahren für den antidemokratischen Milliardär Peter Thiel arbeitet.

Warum Politiker*innen überhaupt noch mit Springer-Medien sprechen, ist kaum verständlich. Wer politisch überleben will, müsste jetzt an deren Zerschlagung arbeiten. In den Redaktionen sitzen an entscheidenden Stellen Fanatiker*innen, die von der Auflösung der letzten sozialen Strukturen träumen; angestellte Journalismusmillionäre, die eilfertig den Milliardären den Teppich ausrollen. Früher war Springer dafür bekannt, einzelne Personen rauf- und runterzuschreiben – heute geht es ihnen ums ganze Staatswesen. Springer macht Druck auf die Öffentlich-Rechtlichen, paktiert mit ChatGPT, will für Musk Twitter managen: Ziel ist die direkte Herrschaft des Kapitals, ohne die lästige Demokratie als Zwischeninstanz.

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