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Sören Pellmann: Der Hoffnungsträger im Leipziger Süden
Ko-Chef der Bundestagsgruppe soll Sachsens Linke als Spitzenkandidat in den Wahlkampf führen
Der Kampf ums Gesehenwerden beginnt zur Unzeit. Ab diesem Freitag um Mitternacht dürfen in Leipzig Wahlplakate für die Bundestagswahl in sieben Wochen aufgehängt werden, »und ab null Uhr stehen wir auf der Leiter«, sagt Lars Kleba, Landesgeschäftsführer der Linken in Sachsen. Das gilt auch für alle anderen Städte und Gemeinden im Freistaat, in denen die Frist zum Plakatieren einige Tage später beginnt. Die Wahlkampfhelfer der Partei beteiligen sich an einem ungewöhnlichen Wettstreit. »Es geht um Plätze an beleuchteten Masten«, sagt Kleba. Schließlich ist Winterwahlkampf, die Tage bleiben bis zum 23. Februar kurz, und auch wenn Plakate angeblich nur etwa ein Prozent der Wähler in ihrer Entscheidung beeinflussen, kann es nicht schaden, wenn sie dank künstlicher Beleuchtung ein paar Stunden länger zu sehen sind. »Ein Prozent kann einen Unterschied machen«, sagt Linke-Landeschefin Susanne Schaper, »besonders wenn man nur bei viereinhalb Prozent steht.«
Für die Linke geht es in den 47 Tagen bis zum Wahltag um viel; schließlich steht die parlamentarische Existenz im Bund auf dem Spiel. Der Wahlkampf würde also ohnehin hart; wegen des vorzeitigen Scheiterns der Ampel und des Wahltermins im Winter wird er noch härter. »Das wird kalt und knackig«, sagt Sören Pellmann, Ko-Vorsitzender der Bundestagsvertretung, die mit der Abspaltung des BSW von der Fraktion zur Gruppe schrumpfte. Eine von vielen Herausforderungen besteht darin, Plakate mit kalten Fingern anzubringen. Als Abhilfe verteilt die Partei auch an ehrenamtliche Plakatierer rote Gel-Herzen, die Wärme erzeugen, wenn ein darin befindliches Metallplättchen geknickt wird. Aufschrift: »Wärmstens empfohlen – Die Linke«.
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In Pellmanns Wahlkreis dürften besonders viele solcher Herzen benötigt werden. In ganz Sachsen werden nach Klebas Angaben 50 000 Plakate der Linken aufgehängt und 300 Großflächen aufgestellt, allein im Wahlkreis 152 Leipzig II werden es zusätzliche 15 000 Plakate sein, dazu je 50 Großflächen und Litfassäulen. »Das zeigt: Wir wollen es ernsthaft wissen«, sagt Kleba. Pellmann soll und will in dem Stimmbezirk im Leipziger Süden zum dritten Mal das Direktmandat gewinnen. Schon 2021 wurde es zur Lebensversicherung der Partei, weil es zusammen mit den beiden Direktmandaten von Gregor Gysi und Gesine Lötzsch in Berlin trotz des Scheiterns an der Fünfprozent-Hürde den Einzug in den Bundestag ermöglichte. Diesmal geben sich führende Genossen zwar zuversichtlich, dass es diese Hintertür nicht braucht: »Wir setzen darauf, auch die fünf Prozent zu knacken«, sagt Schaper. Aber bisher liegt die Partei in Umfragen immer noch stabil darunter.
»Ein Prozent kann einen Unterschied machen, besonders wenn man nur bei viereinhalb Prozent steht.«
Susanne Schaper Landeschefin Linke
Pellmann betont, er sei nicht der einzige Hoffnungsträger. Bundesweit gebe es sechs »strategische Wahlkreise«, in denen ein Direktmandat möglich scheint. Neben dem Berliner Bezirk, in dem Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner das Erbe von Lötzsch antreten will, wird auch Pascal Meister in Berlin-Mitte ein Sieg zugetraut, außerdem dem ebenfalls in der Hauptstadt kandidierenden Gysi, der in einem Dreigespann mit Bodo Ramelow in Erfurt und Dietmar Bartsch in Rostock die »Mission Silberlocke« ausgerufen hat. »Alle sechs haben Chancen, wobei es in Rostock am schwierigsten wird«, sagt Pellmann. »Das weiß Dietmar auch.«
In Sachsen allerdings ruhen die Hoffnungen vor allem auf Pellmann, weshalb er an diesem Samstag auch auf Platz 1 der Landesliste gesetzt werden soll. Einen entsprechenden Vorschlag wollen Schaper und ihr Ko-Vorsitzender Stefan Hartmann den 150 Vertretern unterbreiten. Von den derzeit vier sächsischen Bundestagsabgeordneten treten auch Clara Anne Bünger und Caren Lay wieder an, André Hahn kandidiert nicht erneut. Bünger sei exzellent in der Zivilgesellschaft vernetzt und »eine unserer fleißigsten Rednerinnen«, sagt Schaper. Lay wiederum sei mit der Mietwucher-App ein »auch für mich überraschendes Erfolgsprojekt gelungen«, gesteht Hartmann. Beide dürften für Platz 2 kandidieren. Auch Platz 3 ist für eine Frau reserviert. Erwartet wird, dass sich alle 16 sächsischen Direktkandidaten für einen Listenplatz bewerben.
Mit der Listenwahl und dem Auftakt zum Plakatieren beginnt die heiße Phase des Wahlkampfes. In diesem verzichtet die Partei entsprechend der Jahreszeit weitgehend auf Großveranstaltungen im Freien. Zahlreiche Infostände sind allerdings geplant. Pellmann will an einem Wochenende erneut an zahlreichen Haustüren klingeln. Schon Ende des vorigen Jahres habe er auf diese Weise 120 000 Haushalte in Leipzig, Berlin und Hannover besucht. Viele der Themen, die dabei angesprochen wurden, sollen sich im Bundeswahlprogramm wiederfinden, das am 18. Januar in Berlin beschlossen wird.
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