Nicht noch teurer, aber effizienter

Nach Beitragssprüngen fordern die Ortskrankenkassen mehr Qualität in Gesundheitswesen und Pflege

Auch das Warten auf einen Termin beim Haus- oder Facharzt kann Versicherte in die Notaufnahmen treiben.
Auch das Warten auf einen Termin beim Haus- oder Facharzt kann Versicherte in die Notaufnahmen treiben.

Die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) vertreten 27 Millionen Versicherte, damit fast ein Drittel der hiesigen Bevölkerung. Jetzt stellten ihre Vorstände, quasi als Vorreiter der gesetzlichen Krankenversicherungen, Ideen vor, wie das Gesundheitswesen besser werden könnte. AOK-Vorstandsvorsitzende Carola Reimann präsentierte ein Positionspapier zu den Bundestagswahlen am Mittwoch in Berlin.

Deutschland gibt sehr viel Geld für sein Gesundheitswesen aus, die Versorgung aber ist nur mittelmäßig. Davon geht auch Reimann aus. Die aktuellen Sprünge bei den Beitragssätzen sowohl in der Kranken- wie der Pflegeversicherung machen das nicht besser. Hinzu kommen die Ergebnisse einer Forsa-Umfrage im AOK-Auftrag. Diese widerspiegeln die Sorge der Bevölkerung, auf Dauer einen bezahlbaren und sicheren Zugang zu medizinischen Leistungen zu erhalten. Denn im Themenfeld Gesundheit und Pflege sehen die Befragten den größten Handlungsbedarf für die nächste Bundesregierung. 48 Prozent haben sich dafür ausgesprochen, knapp gefolgt von 46 Prozent, welche die Wirtschaft für wichtiger halten. Deutlich abgeschlagen schließen sich die Themen innere Sicherheit und Bildung an.

Im Gegensatz dazu ergab die Umfrage aber auch, dass die wenigsten Menschen wenige Wochen vor der Wahl wissen, was die einzelnen Parteien in diesem Feld planen. Möglicherweise ist das auch zu vernachlässigen. Auf die Idee könnte kommen, wer die Koalitionsverträge vergangener Wahlperioden nachschlägt: Dort stand schon mehrmals, dass die gesetzlichen Krankenkassen von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden sollten. Passiert ist indessen nichts, sodass die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt noch immer Milliarden für die Versorgung der (von staatlicher Seite) unterversicherten Bürgergeldbezieher zuschießen muss.

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Die AOK möchte durchaus keine Rationierungsdebatte führen, aber das Gesamtsystem effektiver machen. »Die sektorenbezogene Fragmentierung können wir uns nicht mehr leisten«, meint Reimann. Sie sieht bei allen Parteien sektorenübergreifende Ansätze in den Wahlprogrammen und hofft, dass in Zukunft Kooperationen zwischen Kliniken, Pflege und ambulanter Medizin häufiger werden. Fachkräfte sollten gezielter eingesetzt werden, das könne mit der Krankenhausreform gelingen. Für letztere fehlten allerdings gesetzliche Verordnungen, die noch vor der Wahl fällig wären. Zum umfangreichen AOK-Forderungskatalog gehört auch eine niedrigschwellige Primärversorgung über Hausärzte. »Aber die Terminvergabeprobleme fangen hier schon an«, räumt Reimann ein. Aus der Forsa-Umfrage entnimmt sie, dass den Bürgern ein schneller Termin wichtiger sei als die freie Arztwahl, was die Berufsgruppe kaum freuen dürfte.

Die Ausgabenentwicklung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) macht auch AOK-Vorstand Jens Martin Hoyer Sorgen: »2015 lagen wir bei 209 Milliarden Euro, für 2025 wird von 341 Milliarden Euro ausgegangen.« Ab 2026 könnte ein nächster Brocken auf die GKV zukommen: Jährlich 2,5 Milliarden Euro sollen über zehn Jahre in den Transformationsfonds der Krankenhausreform fließen. Diese Mittel müssten jedoch vom Bund kommen, meint auch Hoyer, da es um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ginge. Den gesetzlich Versicherten dürfte der Posten nicht aufgebürdet werden. Zur Zeit wird geprüft, ob eine Verfassungsklage gegen den Lauterbach-Plan sinnvoll wäre.

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