Unklarheit über Cholera-Epidemie

Seit dem Militärputsch 2021 geht es mit dem Gesundheitssystem in Myanmar rapide bergab

  • Robert Lenz
  • Lesedauer: 3 Min.
Myanmar wird häufig von Überschwemmungen heimgesucht – auch in deren Folge kann sich Cholera über verunreinigtes Wasser ausbreiten.
Myanmar wird häufig von Überschwemmungen heimgesucht – auch in deren Folge kann sich Cholera über verunreinigtes Wasser ausbreiten.

Der Schock saß 2024 auf beiden Seiten der Grenze zwischen Myanmar und Thailand tief: Die im schlimmsten Fall tödlich verlaufende Infektionskrankheit Cholera breitete sich aus. In der Stadt Shwe Kokko in Myanmar wurden Berichten zu Folge im Dezember 200 Cholera-Fälle gemeldet. Zwei der Patienten waren bereits an der Infektionskrankheit gestorben. Jenseits der Grenze im nur wenige Kilometer entfernten Thailand wurden zwei Fälle registriert.

Umgehend eröffnete Thailand ein Notfallzentrum, um die Cholera in Grenzgemeinden, Fabriken und den Flüchtlingslagern rechtzeitig zu erkennen. »Die Bezirke Mae Ramat und Mae Sot in der Provinz Tak sind einem hohen Risiko ausgesetzt, da sie gegenüber von Shwe Kokko liegen und es dort viele Fabriken und Migrantengemeinschaften gibt«, sagte Opas Karnkawinpong vom thailändischen Gesundheitsministerium gegenüber Medien. Das Zentrum überwache zudem die Qualität des Trinkwassers, berate Menschen und Migranten in Hygienefragen. Thailand unterstütze darüber hinaus Ärzte und Krankenhäuser in Shwe Kokko bei der Seuchenbekämpfung unter anderem mit Medikamenten.

Cholera ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Vibrio cholerae ausgelöst wird und mit schweren Durchfällen einhergeht. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO treten weltweit jährlich drei bis fünf Millionen Fälle auf, wovon 100 000 bis 120 000 tödlich enden. Es gibt einen Cholera-Impfstoff, von dem die WHO Myanmar im letzten Herbst 2,45 Millionen Dosen zur Verfügung stellte.

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Die Cholera in Shwe Kokko ist in Myanmar kein isoliertes Ereignis. Das ehemalige Birma war durch die Verbesserung des Gesundheitssystems durch die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi seit 2016 frei von Cholera. Nach dem Sturz der Regierung am 1. Februar 2021 durch einen Militärputsch ging es mit dem Gesundheitssystem rapide bergab. Auf der Webseite von »Ärzte ohne Grenzen« (abgekürzt MSF für Médecins Sans Frontières) heißt es: »In Myanmar stehen humanitäre Organisationen bei der Bereitstellung von Hilfe und Gesundheitsversorgung für gefährdete Gemeinschaften vor beispiellosen Herausforderungen.« In vielen Regionen hätten die MSF wegen des Bürgerkriegs der Armee gegen den bewaffneten Widerstand der Demokratiebewegung ihre Arbeit einstellen müssen.

Die Vertretungen der EU, der USA sowie sieben weiterer westlicher und asiatischer Staaten in Myanmar äußerten sich am 7. Januar höchst besorgt über die sich weiter verschlechternde humanitäre Lage. »Der humanitäre Bedarf ist durch den Konflikt gestiegen und wurde durch die Verweigerung humanitärer Hilfe durch das Regime noch verschärft … Krankheitsausbrüche, darunter Cholera, nehmen zu, während Zugangsbeschränkungen die Bereitstellung medizinischer Hilfe behindern«, hieß es in der gemeinsamen Erklärung.

Seit Juli 2024 wurden nach Angaben der WHO Tausende Fälle von »Akutem wässrigen Durchfall« (AWD) aus der Millionenstadt Yangon und anderen Teilen des Landes gemeldet. AWD gilt als Anfangssymptom einer möglichen Cholera-Infektion. Kritiker werfen der Junta vor, das wahre Ausmaß der Fälle zu verschleiern. Unter der Überschrift: »Sagen Sie nicht Cholera: Vertuschung in Yangon« schrieb im August 2024 das Nachrichtenportal Frontier Myanmar: »Myanmars größte Stadt wurde in den letzten Monaten von Cholera heimgesucht, aber das Regime hat den Ausbruch weitgehend vertuscht, indem es die Krankheit nicht beim Namen nannte.«

AWD-Erkrankungen wurden nach UN-Informationen im zweiten Halbjahr 2024 aus vielen Regionen Myanmars gemeldet. Die wahre Situation bleibt aber auf Grund des Bürgerkriegs nebulös. »Der Mangel an epidemiologischen Echtzeitdaten und die begrenzte Anzahl an Partnern vor Ort bleiben eine Herausforderung und behindern eine wirksame Beurteilung, Planung und Reaktion«, hieß es im Ende November veröffentlichten Situationsbericht der WHO. In Thailand scheinen jedoch inzwischen die Schutzmaßmaßnahmen zu greifen. Seit Ende Dezember wurden keine neuen Fälle bekannt.

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