»Vonovia geht über die Grenze des Erlaubten«

In NRW baut der Wohnkonzern Vonovia digitale Rauchmelder in seine Gebäude ein. Die datenschutzrechtlichen und finanziellen Kosten tragen Mieter*innen

Ein Wohnhaus von Vonovia in Nordhrein-Westfalen. Der Konzern begann hier 2024, digitale Rauchmelder einzubauen. Sie können Auskunft darüber geben, wie viele Personen sich wann in der Wohnung aufhalten und in welchen Räumen jemand schläft.
Ein Wohnhaus von Vonovia in Nordhrein-Westfalen. Der Konzern begann hier 2024, digitale Rauchmelder einzubauen. Sie können Auskunft darüber geben, wie viele Personen sich wann in der Wohnung aufhalten und in welchen Räumen jemand schläft.

Vonovia will intelligente Rauchmelder in einigen ihrer knapp 470 000 Mietwohnungen nutzen, die Daten darüber sammeln können, wer wie viel heizt, wie die Luftfeuchtigkeit ist und noch mehr. Was hat es damit konkret auf sich?

Nach zehn Jahren müssen Rauchmelder gewechselt werden. Die meisten Vermieter bauen moderne Rauchmelder ohne viel Schnickschnack ein. Vonovia will ihre Bestände mit sogenannten Multisensor-Plus-Geräte ausstatten. Sie haben erweiterte Funktionen. Vonovia argumentiert, dass es sich dadurch um eine Modernisierung handelt und die Kosten der 136 Euro teuren Geräte auf die Mieterinnen und Mieter umgelegt werden können. Das zweite Ärgernis ist, dass die Geräte sehr datenhungrig sind. Bei kluger Auswertung kann herausgefunden werden, wie viele Personen sich wann in der Wohnung aufhalten, wie oft gelüftet wird und in welchen Räumen jemand schläft. Kontrolle über diese Daten hat Vonovia, nicht der Mieter.

Die Funkverbindung der Rauchmelder sollen aber nun erst aktiviert werden, wenn die Mieter*innen zustimmen. Warum ist das dennoch ein Problem?

Vonovia hat die Rauchmelder bis Anfang November eingebaut und gesagt, Mieter, die die Funkfunktion nicht wollen, können diese ja selbst ausschalten – nachdem sie sich durch 20 Seiten Betriebsanleitung gearbeitet haben. Hier gesteht Vonovia indirekt ein, dass sie bis Anfang November rechtswidrig gehandelt haben. Der Konzern geht oftmals über die Grenze des Erlaubten und rudert erst nach Protest etwas zurück. Kann die Funktion aus der Ferne aktiviert werden? Wer garantiert, dass die Geräte wirklich keine Daten übertragen? Diese Fragen stellen sich die Mieterinnen und Mieter. Sie trauen dem Konzern nicht mehr über den Weg und ich kann das verstehen.

Interview

Hans-Jochem Witzke sitzt dem Deutschen Mieterbund NRW vor. Der Dachverband von 47 örtlichen Mietervereinen in NRW betreut insgesamt gut 300 000 Mitgliedshaushalte. Seit 2006 ist er zugleich Vorsitzender des Mietervereins Düsseldorf und gehört dem Bundesvorstand des DMB in Berlin an.

Laut Vonovia sollen Mieter*innen künftig für Schimmelbefall aufkommen, nur, weil die Rauchmelder hohe Luftfeuchtigkeit messen.

Hier sehen wir einen möglichen Konfliktfall und ein Beispiel für die unerlaubte Einsicht in die grundgesetzlich geschützte Privatsphäre des Wohnraums.

Gibt es andere Konzerne, die ähnlich agieren?

Wir haben noch von keinem anderen Unternehmen gehört, das solche Geräte einbaut.

Eifert Vonovia den großen US-amerikanischen Tech-Giganten bei der Datensammlung nach?

Naja, davon sind sie noch ein paar Schritte entfernt. Doch allein über die Vonovia-App, über die ein Großteil der Mieterkommunikation läuft, werden gigantische Datenmengen gesammelt. Vonovia optimiert dadurch ihr Geschäft und das sicherlich nicht immer zum Vorteil der Mieterinnen und Mieter.

Wie sieht es mit der gesetzlichen Regelung aus? Hält sie hier mit der Technik mit oder hinkt sie hinterher?

Die Einschätzung zur rechtlichen Zulässigkeit gehen auseinander. Wir rechnen mit einer Menge Klagen von Betroffenen. Die örtlichen Mietervereine werden auch dabei an der Seite ihrer Mitglieder stehen. Das Ärgerliche an diesem Fall ist, dass Vonovia mit Wohnwertverbesserung und Sicherheit für die Mieterinnen und Mieter argumentiert. Aber die Leute wollen die Geräte nicht an der Decke hängen haben und müssen dafür auch noch zahlen. Das ist wohl auch der eigentliche Grund der Maßnahme: Zunehmend mehr Leistungen den Mieterinnen und Mietern aufbürden, um mit solchen Nebengeschäften – am besten noch mit konzerneigenen Auftragnehmern – immer mehr Gewinne zu erzielen.

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