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BSW: Für Frieden und gegen die USA
Das BSW kürt Sahra Wagenknecht in Bonn zur Kanzlerkandidatin
Dass Sahra Wagenknecht der unangetastete Star in der Partei ist, die ihren Namen trägt, daran besteht auch nach dem zweiten Parteitag des BSW keinerlei Zweifel. Minutenlang wird für sie applaudiert, extra für ihren Auftritt ziehen die im Bonner World-Conference-Center versammelten Mitglieder bunt leuchtende Armbänder an. Und dann lobt Wagenknecht sie auch: »So gut, wie die Stimmung hier ist, wird auch unser Wahlkampf werden.« Streit, Chaos - sowas gibt es laut Wagenknecht bei ihrem Bündnis nicht. Nein, »jeder Nobody« werde in die Medien gezerrt, um Schlechtes über die junge Partei zu sagen. Aber der »Zorn« etablierter Medien ehre das BSW nur, ihr »Hass« sporne die Partei an.
Für Wagenknecht ist das BSW die einzige Kraft, die nicht in einer allgemeinen »Kriegsbesoffenheit« untergehe und es müsse allein deshalb in den Bundestag, damit die SPD »nicht umkippt«. Wagenknecht rechnet ihrer Partei eine Diskursverschiebung zu, sie glaubt, ohne das BSW wären an die Ukraine schon Taurus-Marschflugkörper geliefert worden. Die Friedensfrage unterscheide das BSW auch von der AfD, die vom Musk-»Fangirl« Alice Weidel geführt werde und deren Abkürzung in Wahrheit wohl »Aufrüsten für Donald« bedeute. Das BSW stünde dagegen grundsätzlich für Frieden, Steuergerechtigkeit und sozialen Ausgleich, während die AfD für Militarismus sei und auf die USA von Trump und Musk höre. Wagenknecht erklärte dann gleich auch für alle anderen Parteien, warum diese den USA gegenüber hörig seien, obwohl die Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahrzehnten eine »Blutspur quer über den Globus« gezogen hätten. Das einzige Rezept dagegen: die Friedenspartei BSW.
Was Wagenknecht in ihrer Kanzlerkandidatinnenrede am Sonntag auf den Punkt brachte, hatte ihr Team in weiteren Reden direkt gegenüber vom alten Bundestag am Vormittag schon vorbereitet. So eröffnete zunächst Generalsekretär Christian Leye den Parteitag mit einem Lob. Was seit der Gründung vor einem Jahr passiert ist, sei ein »völlig neuer Standard für einen Parteiaufbau in Deutschland«. Inhaltlich bot Leye, für diejenigen, die ihn schon aus seiner Zeit in der Linken kennen, allerdings wenig Neues. »Heute besitzen die vier reichsten Familien so viel wie die untere Hälfte der Bevölkerung«, das könne nicht gerecht sein. Das BSW stehe so sehr für soziale Gerechtigkeit wie keine andere Partei. Eine spezielle Warnung richtete Leye an diejenigen, die darüber nachdenken, die AfD zu wählen. Elon Musk unterstütze sie, weil sie Politik für »die Reichen und Mächtigen« mache. Die AfD seien »nützliche Idioten des Systems«.
Christian Leye blieb nicht der Einzige, der versuchte, Unterschiede zwischen BSW und AfD besonders anhand der eigenen US-Feindlichkeit zu betonen. Die Ko-Vorsitzende Amira Mohamed Ali sprach sich für ein »starkes, gerechtes und souveränes Deutschland« aus. Die AfD hingegen sei ein Trump- und Musk-Fanklub, der nicht im deutschen Interesse handele. Von Olaf Scholz bis Alice Weidel hechelten alle den USA hinterher. Sevim Dağdelen setzte noch einen drauf und erklärte, jeder US-Milliardär habe in Deutschland »seine Partei und seine Diener«, dabei heiße es doch im Grundgesetz, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe. Dağdelens Schlussparole »Ami go home!« erntete leidenschaftlichen Applaus.
Als Gastredner präsentierte das BSW Paul Schreyer aus dem Spektrum der Corona-Leugner*innen. Schreyer erklärte den Anwesenden, dass es Erkenntnisse gebe, dass Corona in einem amerikanischen Labor entwickelt worden sei. In der »Tagesschau« werde über so etwas nicht berichtet. Für die Aufarbeitung brauche es das BSW.
Im World-Conference-Center herrschte gute Stimmung. Dabei hat das BSW derzeit zahlreiche Probleme. In Umfragen liegt die Wagenknecht-Partei mittlerweile genauso oft unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde wie darüber. Auch das Geld soll knapp sein, der »Spiegel« berichtet von einem Millionendarlehen, das für den Wahlkampf aufgenommen werden musste. Friedrich Prümer, Europaabgeordneter des Bündnisses, denkt öffentlich in den sozialen Medien über einen Austritt aus der Partei nach. Er kritisiert, dass eine Clique aus der Linkspartei das BSW in der Hand habe. Sein Europaparlamentskollege Fabio De Masi nahm nicht am Parteitag teil. Er arbeite an einem neuen Buch und das müsse fertig werden, so seine Entschuldigung.
In Hamburg, wo sogenannte BSW-Rebellen schon mit der Gründung eines konkurrierenden Landesverbands für Aufsehen sorgten, gab es just an diesem Wochenende erneut Ärger. Erst wurde eine Pressemitteilung verschickt, in der Zaklin Nastic erklärte, dass sie sich aus der aktiven Politik zurückziehen wolle und nicht für die Bundestagswahl antreten werde. Dann folgte ein Dementi: Die Mitteilung war nicht mit Nastic abgestimmt. Am Samstag wählte das Hamburger BSW sie dann zu ihrer Spitzenkandidatin. Schuld an der falschen Pressemitteilung sei ein Kommunikationsfehler gewesen.
Einer der »BSW-Rebellen« beklagte derweil, mithilfe der Polizei an der Teilnahme am Hamburger Parteitag gehindert worden zu sein. Am Sonntag wurden die beiden »Rebellen« auch in Bonn nicht in den Saal gelassen. Gegenüber der dpa kritisieren sie die inhaltliche Ausrichtung des BSW mit den Worten: »Was wir auf keinen Fall brauchen, ist eine AfD 2.0. Und es geht alles in diese Richtung.«
Eine Kritik, die sie nicht exklusiv vertreten. Torsten Teichert, der in den späten 80er Jahren zwei Jahre Referent des Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi war, 2022 mit viel Krach nach 40 Jahren aus der SPD austrat und zum Kreis der BSW-Gründungsmitglieder gehörte, war schon im Sommer aus der neuen Partei wieder ausgetreten. Nun veröffentlichte er einen Brief an Sahra Wagenknecht. Darin wirft er ihr vor, die gesellschaftliche Linke zu spalten. Das sei »komplett irre« und »historisch schwerwiegend falsch«. Teichert fordert Wagenknecht auf, ihren »Irrweg« zu beenden und den Weg freizumachen für »ein Bündnis aller linken, aufklärerischen Kräfte«.
Dabei gibt es im BSW-Programm inhaltlich durchaus Linkes. Die Partei fordert ein Rentenmodell nach österreichischem Vorbild, eine starke Infrastruktur in öffentlicher Hand, Mitsprache etwa in Form von Stiftungen bei der Förderung von Start-ups und Industrieunternehmen und mehr günstigen Wohnraum.
Die Knappheit auf dem Wohnungsmarkt, das erklärte Wagenknecht allerdings erst kürzlich in einem Podcast, liege auch am Zuzug von Geflüchteten. In der Migrationspolitik ist das BSW ohnehin alles andere als progressiv. Mehr Regeln, mehr Kontrolle lauten die präsentierten Lösungswege. Das BSW möchte, dass »kriminelle Flüchtlinge« ihren Anspruch auf ein Asylverfahren verlieren. Die Unterschiede zu Union und AfD sind nur noch marginal. Abschiebehindernis soll in Zukunft nur noch sein, wenn dem Betroffenen »im Herkunftsstaat die Todesstrafe« drohe. Auch andere Kapitel im Bundestagswahlprogramm dürften für ein rechtes Publikum geschrieben worden sein. So heißt es: »Frauenrechte statt Gender-Ideologie« oder »Medien und Kultur: Meinungsfreiheit statt Maulkorb«. Ein Programm, das bei den Mitgliedern des BSW, über 600 von knapp 1100 waren nach Bonn gekommen, auf Zustimmung stieß. Sie stimmten ihm mit überwältigender Mehrheit zu. Änderungsanträge aus der Mitgliedschaft gab es nur eine Handvoll. Der ehemalige Linke Ralf Krämer versuchte, das wirtschafts- und sozialpolitische Profil des BSW ein Stück nach links zu rücken. Geglückt ist ihm das nicht. Der Parteivorstand möchte die Punkte im späteren Programmprozess wieder aufgreifen.
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